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Finanzkrise

© AFP

Finanzkrise: Der Staat greift durch

Mit einem Rettungspaket von 400 Milliarden Euro will die Bundesregierung den Banken helfen. In einer Woche soll es Gesetz sein.

Berlin/Washington/Paris - Die Bundesregierung will am heutigen Montag im Kabinett ein milliardenschweres Rettungspaket für die Banken in Deutschland beschließen. Dabei geht es nach Informationen aus Regierungskreisen vor allem um staatliche Garantien für den wichtigen Kreditfluss zwischen Banken und gelockerte Bilanzierungsregeln, aber auch um direkte Finanzspritzen für angeschlagene Geldinstitute. Im Gegenzug sind strenge Auflagen und eine vorübergehende staatliche Bankenbeteiligung vorgesehen. In einem beispiellosen Sitzungsmarathon von Bundestag und Bundesrat soll das Paket bis kommenden Sonntag in Gesetze gegossen werden.

Für die Eigenkapitalhilfen sind nach Schätzungen von Koalitionskreisen zwischen 50 und 100 Milliarden Euro im Gespräch. Das gesamte Paket wurde auf 300 bis 400 Milliarden Euro veranschlagt. Deutschland, Frankreich und mehrere weitere Euro-Länder wollten zunächst am Sonntagabend auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Paris ihre Rettungsaktionen für die täglich dramatischer werdende Finanzkrise abstimmen.

„Ich erwarte einen ambitionierten, koordinierten Plan“, sagte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Am Mittwoch werde es eine Abstimmung auf der Ebene aller 27 EU-Staaten geben. Zur Blaupause der nationalen Rettungspläne soll das britische Paket werden. Großbritannien hatte am vergangenen Mittwoch 500 Milliarden Pfund (636 Milliarden Euro) bereitgestellt, um Leihgeschäfte zwischen Banken zu garantieren und das Eigenkapital der Finanzinstitute mit bis zu 50 Milliarden Pfund zu stärken. Mit der Umsetzung wird am heutigen Montag gerechnet. Nach Medienberichten soll der Staat bei der Royal Bank of Scotland (RBS) und der Hypothekenbank HBOS sogar Mehrheitsaktionär werden.

Über Details des deutschen Rettungsplans wollte die Bundesregierung erst nach dem Gipfel endgültig entscheiden. Sie würden erst nach der Kabinettssitzung am Montag bekannt gegeben, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Erste Details zur Eigenkapitalhilfe aus Steuermitteln zeichneten sich am Wochenende bereits ab. Wie das „Handelsblatt“ aus Koalitionskreisen erfuhr, erwägt die Regierung, direkte Finanzspritzen über einen Hilfsfonds bereit zu stellen. Diese Milliarden, die Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundesbankpräsident Axel Weber am Rande des G7-Finanzministertreffens in Washington als „Rekapitalisierungshilfe“ bezeichnet hatten, sollen privaten Geschäftsbanken, Landesbanken und Versicherungen angeboten werden. Es gelte, Wettbewerbsverzerrungen zwischen privaten und öffentlichen Banken zu vermeiden.

Während sich der Bund an den Privatbanken über Aktienpakete beteiligen wolle, sei bei den Landesbanken an einen Einstieg durch den Erwerb von Einlagen gedacht. Im Gegenzug müssten sich die Institute, die diese Hilfe in Anspruch nehmen, vertraglich verpflichten, ihre Geschäftsmodelle, Bonussysteme und Abfindungsregeln zu reformieren, hieß es in Regierungskreisen.

Vor allem Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann und Commerzbank-Chef Martin Blessing hatten die Bundesregierung in der vergangenen Woche gedrängt, einen Teileinstieg des Staates bei angeschlagenen Finanzinstituten zu ermöglichen. Wie es in Finanzkreisen hieß, hatten die Chefs der beiden größten deutschen Geldhäuser Sorge, dass die Bundesregierung nach dem Vorbild der USA allein auf Hilfen zur Übernahme fauler Kredite setzen würde. Statt dessen setzten sich Ackermann und Blessing bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Steinbrück für einen Mix aus Liquiditäts-, Eigenkapital- und Bilanzierungshilfen ein. „Das Paket wurde seit Freitag stark von der Übernahme fauler Kredite hin zur Rekapitalisierung verschoben“, hieß es in Koalitionskreisen.

Bankenpräsident Klaus-Peter Müller begrüßte die Bereitschaft der Bundesregierung, Banken frisches Kapital zur Verfügung zu stellen. „Diese Maßnahme wirkt wie eine Brücke, da am Markt für einige Institute praktisch kein Kapital zu vernünftigen Konditionen zu bekommen ist“, sagte Müller. Dabei handele es sich „weder um eine Verstaatlichung, noch um eine Teilverstaatlichung“. Diese negativ besetzte Terminologie werde dem Sachverhalt nicht gerecht, sagte der CDU-Politiker Müller, der so um Akzeptanz in der breiten Bevölkerung werben will. Der Staat werde sicher für seinen Einsatz eine Vergütung erhalten. HB

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