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Zinssenkungen: Teure Kredite, billiges Baugeld

Wie die Banken die Leitzinssenkungen an ihre Kunden weitergeben.

Fünf Mal haben Europas Notenbanker seit Oktober 2008 den Leitzins gesenkt – von 4,25 auf aktuell 1,5 Prozent. Doch obwohl die Zinsen damit so niedrig sind wie noch nie seit Bestehen der europäischen Währungsunion, profitieren die Kreditkunden der meisten Banken bisher wenig davon. Klein- und Ratenkredite haben sich seit dem Herbst nur leicht verbilligt, die Dispo-Zinsen haben manche Banken sogar erhöht. Anders bei den Anlagezinsen: Sie sind nach jedem der fünf Zinsschritte penibel gesenkt worden.

Gewinner der Zins-Talfahrt sind Bauleute und Wohnungskäufer. Sie können Immobilien derzeit so günstig finanzieren wie selten zuvor. In einem umkämpften Markt wie dem deutschen Hypothekenmarkt geben die Banken ihre Refinanzierungsvorteile an die Kunden weiter.

Ein Beispiel: Wer bei der ING-Diba im Oktober einen Baukredit von 100.000 Euro aufnahm, zahlte dafür (bei einem Prozent Tilgung) im Monat gut 504 Euro. Da der Zinssatz für ein zehnjähriges Darlehen effektiv von 5,17 auf 4,07 Prozent gefallen ist, sind es aktuell nur noch 416 Euro. Viele Banken, so auch die ING-Diba, vergeben ihre Bestsätze inzwischen aber nur noch an Kunden, die viel Eigenkapital mitbringen. Für die günstigsten Konditionen konnte man bei der ING im Oktober bis zu 70 Prozent einer Immobilie beleihen – heute sind es maximal 50 Prozent. Ein Bauherr, der 200.000 Euro braucht, müsste also 100.000 Euro plus Nebenkosten mitbringen.

Bei kurzfristigen Ratenkrediten sind die Banken zögerlich

„Das ist für viele unmöglich“, stellt die Stiftung Warentest fest. Den Superzins aus der Werbung erhielten die wenigsten. Will ein Kunde 85 bis 100 Prozent seiner Immobilie finanzieren, wird beispielsweise bei der ING-Diba ein Aufschlag von 0,6 bis zu einem vollen Prozentpunkt kassiert. Zahlungskräftige Bauherren, die ihre Hypothekenzinsen nur für fünf Jahre festschreiben möchten, kommen aber an Traumkonditionen: Hier rückt die Marke von drei Prozent in greifbare Nähe.

Das Internet-Verbraucherportal Biallo listet aktuell 40 Banken und Kreditmakler auf, bei denen die fünfjährige Hypothek unter vier Prozent zu haben ist. Ganz vorne dabei sind der Bielefelder Kreditmakler Enderlein & Co (Bestsatz aktuell 3,15 Prozent effektiv), die Santander Consumer Bank, der Finanzmakler Dr. Klein und dessen Tochterfirma Freie-Hypo, aber auch Creditweb, die Interhyp, Baufi, die Schnigge-Bank und die Berliner Sparda-Bank. Auch sehr langfristige Baudarlehen sind derzeit extrem günstig. Wer sich seinen Zinssatz 20 Jahre lang sichern will, kommt bei 20 Anbietern unter 4,5 Prozent weg. Auch hier wird aber beste Bonität vorausgesetzt.

Bei kurzfristigeren Ratenkrediten setzen die Banken die Zinssenkungen dagegen extrem zögerlich um. Auch die Zinsen für die Überziehung des Girokontos bröckeln nur marginal. „Es ist im Schnitt ein halber Prozentpunkt von 2,75 Prozentpunkten Zinssenkung an die Kunden weitergegeben worden“, weiß Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Nach FMH-Berechnungen kostet ein Kleinkredit von 2500 Euro für 36 Monate aktuell im Schnitt 7,9 Prozent, im Oktober waren es rund 8,3 Prozent, wobei die Angebote zwischen 4,06 und 14,49 Prozent schwanken. Der Wettbewerbsdruck auf die Banken sei hier nicht so hoch, erklärt Herbst, denn im kurzfristigen Bereich und bei kleineren Summen wirken sich Zinsunterschiede für den Kunden am Ende nicht stark aus. Ob ein Kreditwunsch von 2500 Euro für 36 Monate am Ende 74,70 Euro (4,9 Prozent Zins) oder 80,43 Euro (10,25 Prozent) pro Monat koste, sei dem Kunden oft egal.

Nicht mehr viel Luft nach unten

Ähnlich sei es beim Überziehungszins: Praktisch kein Kunde, sagt Herbst, fasse wegen hoher Überziehungszinsen einen Bankwechsel ins Auge, vor allem wegen des bürokratischen Aufwands und der Unsicherheit darüber, ob die neue Bank den gleichen Disporahmen einräume. Nach einer Untersuchung von FMH haben 31 von 76 Banken zwischen Oktober 2008 und Februar 2009 ihre Dispo-Zinsen sogar erhöht, etwa die Berliner Volksbank, die statt 12,5 nun 13,5 Prozent verlangt. Im Schnitt aller Banken sind die Zinsen fürs Minus auf dem Konto seit dem Herbst nur von 12,5 auf 12 Prozent gesunken. Vor allem günstigere Anbieter – wie die DAB-Bank mit 6,95 Prozent – haben ihre Sätze gar nicht verändert.

Die meisten Banken rechtfertigen dies damit, dass nicht allein der Leitzins das Zinsniveau an den Kreditmärkten bestimme. Tatsache sei auch, dass die Nachfrage nach Krediten, aber auch das Risikobewusstsein bei der Refinanzierung gestiegen seien. „Die Banken“, fügt Interhyp-Vorstand Robert Haselsteiner hinzu, „müssen derzeit jeden Spielraum auf der Ertragsseite nutzen, um den Verlusten aus Abschreibungen etwas entgegenzusetzen und höhere Risikopuffer für die Zukunft aufzubauen.“ Weitere große Zinssenkungen beim Baugeld erwartet er nicht. Wegen der Flut neuer Anleihen, die Staat und Unternehmen auf den Markt bringen wollen, verlangten Investoren als Risikoaufschlag höhere Zinsen, um sich langfristig zu binden. Dieser Trend wirke sich auch auf die Hypothekenzinsen aus.

Auch die Preisentwicklung bei sogenannten Forward- Darlehen zeigt, dass nicht mehr viel Luft nach unten ist. Noch im späten Herbst waren solche Hypotheken – mit denen sich ein Kunde die aktuellen Zinssätze bis zu drei, manchmal sogar bis zu fünf Jahre im Voraus sichern kann – oft kostenlos. Inzwischen verlangen Banken und Makler wieder Aufschläge. Verbraucherschützer raten daher auch Baukredit-Kunden, deren Zinsbindung erst in mehreren Monaten oder ein, zwei Jahren ausläuft, die aktuellen Sätze unter die Lupe zu nehmen und genau durchzurechnen, ob sich ein vorgezogener Abschluss nicht lohnen könnte.

Sparen kann auch, wer weitere Zinssenkungen der Notenbank erwartet und bereit ist, dafür ein etwas höheres Risiko einzugehen: Manche Banken haben ein sogenanntes Kombi-Baudarlehen im Angebot, bei dem die Kreditsumme in zwei Tranchen gesplittet wird, eine Festzins-Tranche und einen Kreditanteil mit variablen Zinsen. Sie orientieren sich an den Zinsen, die Banken sich für Geldgeschäfte untereinander in Rechnung stellen, dem sogenannten Euribor, und kosten derzeit unter drei Prozent.

Veronika Csizi

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