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Zunächst sollten vor allem Aktien besteuert werden.

© dpa

Finanztransaktionssteuer: Zu viel Gerede, zu wenig Mut

An diesem Dienstag beraten die Finanzminister über die Steuer auf Finanzprodukte - laut Diplomaten mit wenig Aussicht auf Erfolg. Damit vertut die Politik eine große Chance. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Carla Neuhaus

Eine gesunde Diskussionskultur ist wichtig, Europa würde ohne sie nicht funktionieren. Doch man kann auch zu viel reden, Themen zerreden. So, wie es die EU-Finanzminister bei der Finanztransaktionssteuer tun. Wenn die Minister an diesem Dienstag über die länderübergreifende Abgabe auf Finanzprodukte sprechen, werden sie sich wohl nur in einem einig sein: dass sie sich nicht einig sind. Und dass aus der Steuer deshalb vorerst nichts wird. Das ließen EU-Diplomaten am Montag bereits durchblicken. Seit Jahren dauert die Diskussion über die Transaktionssteuer nun schon an. Bis Ende des Monats sollten die Details stehen, damit die Abgabe 2016 eingeführt werden kann. Doch davon wollen die Regierungen jetzt nichts mehr wissen.

Dabei hatte alles vielversprechend begonnen. Nach der Finanzkrise wollte die Politik aus ihren Erfahrungen lernen. Sie wollte die Banken an den Kosten der Krise beteiligen und deshalb eine Steuer auf Finanzpapiere einführen. Möglichst alle Anlageprodukte, alle Finanzplätze, alle Akteure sollte die Steuer erfassen – und gleichzeitig ein zweites Phänomen bekämpfen: die ausufernde Spekulation. Eine Steuer, die das Zocken teurer macht und Banken zur Kasse bittet – so das Versprechen. Die Minister brechen es jetzt. Und zwar nicht, weil sie es sich anders überlegt haben. Sondern weil sie nationale Belange über europäische Interessen stellen.

Es scheitert an den vielen Einzelinteressen

Elf EU-Staaten wollten bei der Steuer mitmachen. Ihr Ziel war klar – nur wie man es erreichen sollte, darauf hatte jedes Land eine eigene Antwort. So haben Frankreich und Italien im Alleingang nationale Transaktionssteuern eingeführt. Nun wollen sie ihr Modell einfach den anderen Staaten überstülpen. Doch kleinere Länder wehren sich vehement dagegen. Denn sie hätten von dieser Steuer nichts. Würde nach diesem Modell etwa eine französische Aktie in Österreich gehandelt, würden die Steuereinnahmen nach Frankreich fließen – während die Österreicher leer ausgingen.

Doch Streit gibt es nicht nur darüber, wo die Steuer erhoben wird, sondern auch worauf. Von der großen Lösung, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat, ist schon lange keine Rede mehr. Zu stark war der Einfluss der Finanzlobby, zu groß die Angst der Politiker vor den Folgen ihres Handelns. Statt aller Finanzprodukte sollen nun nur noch ausgewählte Papiere besteuert werden. Auf Aktien haben sich die Länder verständigt. Doch es hapert bei der Detailfrage, welche komplexen Finanzprodukte (Derivate) man noch dazunimmt oder doch weglässt. An diesen Feinheiten droht nun das gesamte politische Vorhaben zu scheitern. Dabei ließe es sich noch retten.

Wenn eine Diskussion festgefahren ist, braucht man einen Moderator. Einen Vermittler. Jemanden, der eine Entscheidung für diejenigen trifft, die das nicht können oder wollen. Es ist eine Rolle, die wie geschaffen ist für Finanzminister Wolfgang Schäuble. Doch er, der sonst nicht zögert, unbequeme Themen anzupacken, schweigt diesmal. Es ist ein gefährliches Schweigen. Je länger es dauert, desto größer ist die Gefahr, dass aus dem einst so ambitionierten Projekt der Finanztransaktionssteuer nichts mehr wird. Und dann war das alles nur viel Gerede und nichts dahinter. Eine Diskussion, die Europa mehr schadet als voranbringt.

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