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Hilfe für Indien: Rob (links) und Paul Forkan finanzieren Hilfsprojekte unter anderem im indischen Goa.

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Gandys Flipflops: Mit Sandalen den Armen helfen

Rob und Paul Forkan haben ihre Eltern durch den Tsunami verloren. Jetzt wollen sie Bedürftigen in aller Welt unter die Arme greifen – durch den Verkauf von Schuhen.

Von Carla Neuhaus

Die Welle verändert alles. Es ist der zweite Weihnachtstag 2004. Rob Forkan, damals 17 Jahre alt, ist mit seinen Eltern und seinen drei jüngeren Geschwistern im Urlaub auf Sri Lanka. Morgens um halb neun werden er und sein 15-jähriger Bruder Paul im Hotelzimmer vom Tsunami überrascht. Kurz darauf sehen sie, wie ihr Vater am Fenster vorbeitreibt, ein Opfer der Flut. Die beiden Brüder können sich auf das Hoteldach retten. Auch ihre jüngeren Geschwister – Matty und Rosie, 13 und acht Jahre alt – überleben, sie klammern sich in Baumkronen fest. Ihre Eltern schaffen es nicht. Sie sind zwei der rund 230 000 Menschen, die Weihnachten 2004 sterben.

Ruhig und sachlich berichtet Rob heute von seinen Erlebnissen. An einem kalten Dezembermorgen sitzt der 26-Jährige an einem Konferenztisch in einem alten Fabrikgebäude im Süden Londons. Auf dem Tisch liegen Flipflops verstreut, bunte Sommersandalen. Vor zwei Jahren hat Rob zusammen mit seinem Bruder Paul das Start-up „Gandys Flipflops“ gegründet. Ihr Ziel: Bis Weihnachten 2014, wenn sich die Flutkatastrophe zum zehnten Mal jährt, wollen sie mit dem Verkauf der Schuhe genug Geld verdient haben, um von den Erlösen ein Waisenhaus in Asien zu bauen. Rob und Paul geht es um das Andenken ihrer Eltern. Und darum, ihrem Schicksal etwas Positives entgegenzusetzen. „Wir wissen genau, wofür wir arbeiten“, sagt Rob.

Direkt nach der Katastrophe finden die beiden ihre jüngeren Geschwister, Matty und Rosie, wieder. Zu viert trampen die Kinder zum 200 Kilometer entfernten Flughafen. Ohne Schuhe, ohne Ausweise, ohne Geld – und vor allem ohne ihre Eltern. Zurück in England werden sie von ihrer damals 21-jährigen Schwester aufgenommen. Doch lange halten Rob und Paul es nicht in der Heimat aus. Ein Leben nach Plan – Schule, Uni, Job – kommt für die Brüder nach ihren Erlebnissen nicht mehr infrage. Sobald sie alt genug sind, packen sie ihre Rucksäcke und ziehen los. Mal reisen sie gemeinsam, mal allein. Sie fliegen nach Thailand, nach Singapur, China und Neuseeland, auf die Fidschi-Inseln und nach Hawaii.

„Wir wollten den Lebensstil unserer Eltern fortsetzen“, sagt Rob. Die hatten 2001 ihr altes Leben in Großbritannien aufgegeben und waren mit ihren drei jüngeren Kindern nach Indien ausgewandert, um für humanitäre Projekte zu arbeiten. Wie früher ihre Eltern setzen sich auch Rob und Paul auf ihren Reisen für die Menschen vor Ort ein. Sie spielen Fußball mit Straßenkindern, bringen ihnen Englisch bei oder helfen, ein Haus zu bauen.

Doch irgendwann reicht ihnen das nicht mehr. „Wir hatten das Gefühl, nicht genug bewirken zu können“, erzählt Rob. Er und sein Bruder beschließen, ein Unternehmen zu gründen – sie wollen Geld verdienen, um Kinder in Indien mit Unterrichtsmaterialien auszustatten und um in armen Regionen Lehrer und Krankenschwestern zu bezahlen. Auf die Idee mit den Flipflops kommen sie durch ihre Reisen. „Wir sind immer der Sonne nach und haben unterwegs selten etwas anderes getragen als Flipflops“, berichtet Rob.

Flipflops für eine gute Sache. In Deutschland gibt es sie über Zalando.
Flipflops für eine gute Sache. In Deutschland gibt es sie über Zalando.

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Die Brüder ziehen zurück nach London. Im Süden der Stadt mieten sie eine Wohnung, die so klein ist, dass einer von ihnen immer auf dem Sofa schlafen muss. Zu dem Zeitpunkt haben weder Paul noch Rob eine Ahnung davon, wie man eigentlich ein Unternehmen gründet. Doch statt aufzugeben, spornt sie ihre Unwissenheit nur noch mehr an. „Wenn uns jemand sagt, etwas sei unmöglich, machen wir es erst recht“, sagt Rob.

Ihnen ist klar, dass sie sich abgrenzen müssen, um nicht eine Flipflop-Marke unter vielen zu sein. Der Durchbruch gelingt ihnen schließlich, als sie den britischen Unternehmer und Milliardär Richard Branson von ihrer Idee überzeugen. Ihm gehört die Virgin-Gruppe, zu der unter anderem eine Fluglinie gehört. Und: Branson besitzt eine eigene Insel in der Karibik. Von da an bekommt jeder, der auf „Necker Island“ begrüßt wird, ein Paar von „Gandys Flipflops“.

Branson ist für die beiden Brüder ein wichtiger Multiplikator. Seine Unterstützung hilft ihnen, Verträge mit großen Modeketten und Kaufhäusern zu schließen. Mittlerweile verkaufen Rob und Paul ihre Sommersandalen weltweit. In Deutschland kooperieren sie mit dem Versandhändler Zalando, in den USA mit der Kaufhauskette Northstorm, in Großbritannien mit der Modemarke Topshop und sogar mit dem Nobelkaufhaus Selfridges. Gerade haben sie einen Vertrag mit der Kette Monsoon Accessorize abgeschlossen, durch die sie allein in 17 weiteren Ländern vertreten sein werden.

Bereits von dem ersten Geld, das Rob und Paul mit ihrem Start-up verdienen, geben sie einen Teil für den guten Zweck aus: Sie kaufen Schulmaterialien für Straßenkinder im indischen Bundesstaat Goa – dort, wo die Jungunternehmer zuvor lange mit ihren Eltern gelebt hatten. „Natürlich können wir nicht die ganze Welt retten“, sagt Rob, „aber wir können uns bemühen, so viel zu erreichen wie nur eben möglich.“ Dazu gehöre es auch, ein Vorbild für andere zu sein, die dann vielleicht auch ein soziales Unternehmen gründen.

Mit ihrer Geschichte gehen Rob und Paul nicht hausieren, obwohl ihnen das sicherlich beim Verkauf helfen würde. Stattdessen haben die beiden ihre Geschichte eher geheim gehalten. Doch immer wieder sind sie nach ihrer Motivation gefragt worden. Warum verkaufen zwei Jungs aus London Flipflops und sammeln Geld für ein Waisenhaus? „Andere Firmen denken sich eine Geschichte aus, um interessant zu werden“, sagt Rob. „Wir haben eine einmalige Geschichte – auch wenn wir alles darum geben würden, sie rückgängig zu machen.“

Heute hilft ihnen das Erlebte, ihren Traum zu erfüllen. Dem kommen Rob und Paul mit jedem verkauften Paar Flipflops näher. In diesem Jahr haben sie rund 75 000 Paar der Sandalen verkauft, 2014 sollen es bereits 250 000 sein. „Wir haben das Schlimmste erlebt, was einem passieren kann“, sagt Rob. „Es hat uns unerschrocken gemacht. Und es hat uns gelehrt, nichts im Leben für selbstverständlich zu nehmen.“

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