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Zieht in den Arbeitskampf und verspricht Augenmaß: GDL-Chef Claus Weselsky.

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GDL-Chef Weselsky: "Wir schlagen nicht mit der großen Keule zu"

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft der Lokführer, über den bevorstehenden Streik und die Belastung der Berliner S-Bahn.

Herr Weselsky, kann ich am Wochenende mit der Bahn fahren?

Es kann jeder mit der Bahn fahren. Die Frage ist, ob man beeinträchtigt wird.

Die Züge fahren?

Warten wir es ab. Es wird womöglich Verzögerungen geben, aber wir werden zu Beginn der Warnstreiks nicht mit der großen Keule zuschlagen.

Aber sowohl der Fern- als auch der Nahverkehr werden betroffen sein?

Zu der Frage der Streikstrategie werde ich mich am Mittwoch äußern. Ebenso werde ich dann eine Zeitspanne nennen bis zum Beginn der Streikaktionen.

Wie viele Tage zuvor wird gewarnt?

Am Vortag, vermutlich am Vorabend. Zu früh können wir das nicht machen, weil sich die Arbeitgeber sonst darauf einstellen und die Wirkung der Streiks verpuffen würde. Wir wollen die Interessen der Kunden berücksichtigen, müssen aber Druck auf die Arbeitgeber ausüben, um zu einem Tarifvertrag zu kommen.

Richtig weh tut der Streik im Berufsverkehr – das spricht für einen Beginn der Aktionen erst am nächsten Montag.

Der erste Teil Ihrer Aussage trifft zu. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass wir erst am Montag beginnen. Grundsätzlich befinden wir uns noch im Warnstreik, bereiten aber die Urabstimmung vor.

Wann wird die sein und wann kann dann der richtige Arbeitskampf beginnen?

Die Urabstimmung wird bis Anfang März dauern. Grundsätzlich gilt: Einen Arbeitskampf beginnt man langsam. Dauer und Intensität hängen dann ab von der Kompromissbereitschaft der Arbeitgeber. Ich will aber keinen unbefristeten Streik. Wir haben eine große Verantwortung und einen Versorgungsauftrag und setzen auf die Vernunft der Arbeitgeber.

So wie 2007/2008, als der Tarifkonflikt 355 Tage dauerte?

Die Bahn hat damals versucht, das auf dem Rücken der Privatkunden auszusitzen. Nach dem Motto: Die haben ihre Fahrkarte ja bezahlt, da können wir ruhig ein paar Züge ausfallen lassen. Erst als der Güterverkehr und die Wirtschaft betroffen waren, lenkte die Bahnführung ein.

Sie wollen Druck auf die Arbeitgeber ausüben und treffen doch die Kunden.

Das geht nicht anders. Aber wir werden das richtige Maß finden.

Für die anderen Bahnbeschäftigten gibt es einen Tarifvertrag, der in der Schlichtung des SPD-Politikers Peter Struck zustande kam. Warum schließen Sie sich nicht an?

Weil jener Tarifvertrag für die Lokführer weder sach- noch fachgerecht ist. Wir haben spezielle Arbeitsbedingungen und spezielle Tätigkeiten. Zum Beispiel wollen wir eine Absicherung für den Fall der Fahrdienstuntauglichkeit: Menschen werfen sich vor einen Zug, und der Zugführer ist danach nicht mehr imstande, einen Zug zu steuern.

Passiert das so häufig, um einen Streik zu rechtfertigen?

Wir haben im Jahr rund 800 Suizidfälle. Ein anderes Thema ist der Betreiberwechsel, wenn also eine Strecke von einem anderen Unternehmen befahren wird. Hier wollen wir eine Absicherung der Entgelte. Zum Dritten wollen wir eine einheitliche Ausbildung für die Lokführer, um eine ausreichende Qualifikation zu gewährleisten.

Bestreikt werden neben der Bahn die sechs großen privaten Bahnanbieter. Wie stark sind da Ihre Truppen?

Im DB-Konzern haben wir einen Organisationsgrad von 80 Prozent, bei den Privaten sind es rund 70 Prozent.

Die Kunden der Bahn haben viel Kummer gehabt. Nehmen Sie darauf Rücksicht?

Es haben doch nicht die Lokomotivführer und Zugbegleiter versagt, sondern das Management. Es ist beschämend, dass sich ein Unternehmen so weit kaputtspart. Natürlich sind die Leute dünnhäutig geworden, weil sie sich auf das zuverlässigste Verkehrsmittel nicht mehr verlassen können. Aber die Bevölkerung versteht sehr wohl, wenn man in den Arbeitskampf ziehen muss.

Es gibt also keine Schonung für die Berliner S-Bahn-Fahrer?

Wir werden bei der S-Bahn sicherlich deren besondere Situation berücksichtigen. Aber wir werden sie nicht komplett aus dem Arbeitskampf raushalten.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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