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Der südamerikanische Regenwald ist unter anderem durch die Holzwirtschaft akut gefährdet.

© Richard Carey - stock.adobe.com

Studie zur Kreditvergabe: Gefährden deutsche Banken die Wälder?

Mit Krediten und Investitionen erhöht die Finanzbranche einer Studie zufolge das Entwaldungsrisiko massiv. Auch deutsche Geldhäuser sind beteiligt.

Unternehmen, die den südamerikanischen Regenwald zerstören, um dort Landwirtschaft zu betreiben, oder eine Papierindustrie, die massenhaft Holz benötigt: Es gibt eine ganze Reihe von Industriezweigen, die nach Ansicht von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu einer weltweiten Zerstörung der Wälder beitragen.

In einer heute veröffentlichten Studie zeigen die norwegische NGO Harvest und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf, dass daran auch massiv der deutsche Finanzsektor beteiligt sein könnte. Es geht um Kredite und Investitionen in Millionenhöhe.

Die Studie lag dem Tagesspiegel vorab exklusiv vor. Laut dem 20 Seiten langen Dokument haben deutsche Geldhäuser wie die Deutsche Bank, die Commerzbank – aber auch die staatliche Förderbank KfW – von 2016 bis zum Juni vergangenen Jahres 899 Millionen US-Dollar in Krediten an Unternehmen vergeben, die entwaldungskritische Produkte herstellen.

Hinzu kommen weitere Investitionen bis zum Mai 2022 in Höhe von insgesamt 411 Millionen Dollar. Zu den angeprangerten Investoren gehören neben Banken unter anderem auch die Allianz, die Munich Re oder Fondsgesellschafen wie die Deka Group.

Die beiden NGOs stufen sämtliche Kredite und Investitionen, die in die Rindfleischindustrie, in die Holz-, Palmöl-, Soja-, Kautschuk- sowie in die Zellstoff- und Papierproduktion fließen, als Geldmittel ein, die das Entwaldungsrisiko potenziell erhöhen.

Wälder laut NGOs zentral für Klimaschutz

Um die einzelnen Summen zu ermitteln, berufen sie sich auf die Plattform „Forest and Finance“, die Daten über Finanzdienstleistungen an über 300 Unternehmen beinhaltet, die direkt in die Lieferketten der entsprechenden Industrien eingebunden sind, und deren Tätigkeit Auswirkungen auf die natürlichen Tropenwälder in Südostasien, Zentral- und Westafrika sowie in Teilen Südamerikas haben kann.

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Wälder stehen laut Naturschützern im Zentrum, wenn es um den Klimawandel und auch den Verlust von Biodiversität, also der biologischen Vielfalt, geht. Entwaldung und Waldbeschädigung verursachten laut den beiden NGOs etwa elf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen.

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„Wälder, insbesondere alte Wälder, müssen erhalten werden, damit sie weiter als Kohlenstoffsenken fungieren und weitere Ökosystemleistungen bieten können, darunter beispielsweise die Filterung von Süßwasser, die positive Beeinflussung von Niederschlagsmustern und das Bieten einer Lebensgrundlage für zahlreiche indigene und traditionelle Gemeinschaften“, schreiben sie.

Finanzinstitute wollen Entwaldung berücksichtigen

„In der deutschen Finanzbranche und auch bei Unternehmen ist das Problem der Entwaldung noch nicht ausreichend angekommen“, sagt Tina Lutz, Co-Autorin der Studie und bei der Deutschen Umwelthilfe Expertin für entwaldungsfreie Lieferketten. „Hier brauchen wir mehr öffentlichen Druck.“

Während der Klimakonferenz COP26 in Glasgow im November vergangenen Jahres verpflichteten sich 30 Finanzinstitute, sich zu bemühen, die durch Agrarrohstoffe verursachte Entwaldung bis 2025 aus ihren Portfolios zu eliminieren. Große deutsche Finanzunternehmen gehörten nicht zu den Unterzeichnern. 

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Die Studie macht deutlich, dass nach Ansicht der NGOs keines der 21 untersuchten Finanzinstitute ein Null-Entwaldungsziel mit Zieldatum bis 2025 und robuste Mechanismen zur Ermittlung und Minderung seines Entwaldungsrisikos eingeführt hat.

Immerhin fünf Institute, die Deutsche Bank, die DZ Bank, die Landesbank BW, die Hamburg Commercial Bank und die BayernLB haben nach Ansicht der NGOS Leitlinien verabschiedet, die das Ziel der Null-Entwaldung für (Teil)bereiche beinhalten. Robuste Mechanismen, um diese durchzusetzen, gebe es aber nicht.

Wichtige EU-Abstimmung im September

Harvest und die Deutsche Umwelthilfe hoffen nun auf Brüssel. Sie fordern, dass der Finanzsektor in eine Verordnung gegen importierte Entwaldung aufgenommen wird. Über die stimmt das EU-Parlament am 13. September ab.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verordnung sieht vor, dass einige Produkte wie unter anderem Kaffee, Kakao oder Palmöl, nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen, sofern ihre Herstellung zur Entwaldung geführt hat.

Eine Gruppe Umweltaktivisten in Mexiko hat einen Fahrer überzeugt, die Abholzung des Waldes vorrübergehend zu stoppen.

© dpa

„Die Abstimmung am 13. September im EU-Parlament ist die letzte Möglichkeit ein Verbot von waldschädlichen Finanzprodukten in die geplante Verordnung gegen importierte Entwaldung zu bringen“, sagt Lutz.

Sparer können sich der Aktivität ihrer Bank nicht sicher sein

Unterstützung erfährt dieser Vorschlag unter anderem von Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament und sozialdemokratische Verhandlungsführerin für eine EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten.

„Als Sparer kann ich mir nicht sicher sein, ob mein Sparschwein zur Zerstörung von Regenwäldern beiträgt“, sagt sie. „Denn deutsche Banken finanzieren im großen Stil Aktivitäten wie Rinderzucht oder Sojaanbau von Unternehmen auf der ganzen Welt, die eine große Gefahr für Regenwälder darstellen.“ Auf Freiwilligkeit der Wirtschaft zu setzen, wie es die Europäische Kommission und Konservative in der EU täten, reiche nicht.

Die Chancen, dass die NGOs mit ihrer Forderung aber durchkommen, dürften eher gering sein. Im EU-Parlament bräuchte es dafür eine Mehrheit aus Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken.

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Und selbst wenn sich die Abgeordneten dafür entscheiden, Finanzinstitute in die Verordnung mit aufzunehmen, müssten sie das noch mit der EU-Kommission und dem europäischen Rat, also den EU-Mitgliedsstaaten ausverhandeln, die die Finanzbranche da lieber heraus halten wollen.

„Sollte das EU-Parlament doch noch ein Verbot für Finanzprodukte in seine Verhandlungsposition mit dem europäischen Rat und der EU-Kommission aufnehmen und dort unterliegen, hätten wir trotzdem ein Zeichen gesetzt“, sagt Tina Lutz.

Die EU-Kommission sehe dann, dass es in Europa einen politischen Willen gibt, auch den Finanzsektor im Kampf gegen Entwaldung in die Pflicht zu nehmen. „Das könnte sie dann bei einer anderen Verordnung berücksichtigen.“

Jan Schulte

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