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Wirtschaft: Gemeinsam gegen Lohndumping

Die Gewerkschaften wollen das Entsendegesetz überarbeiten – Regierung und Opposition auch

Berlin – Die Gewerkschaften haben die Bundesregierung aufgefordert, gesetzliche Mindestlöhne in bestimmten Branchen zu prüfen, um Lohndumping durch die osteuropäische Billigkonkurrenz zu verhindern. „Die Bundesregierung sollte die Union jetzt beim Wort nehmen und konkrete Schritte in Richtung eines Mindestlohns einleiten“, sagte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske. Konkret regte er ebenso wie die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer an, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu überarbeiten. Politiker von Regierung und Opposition signalisierten ihre Unterstützung.

Führende Unions-Politiker hatten sich in den letzten Tagen offen für eine neue Debatte über gesetzliche Mindestlöhne gezeigt. „Wenn der Sinneswandel bei der Union ehrlich gemeint ist, können wir schnell zu Ergebnissen kommen“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, dem Tagesspiegel. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatte sich bei einem Besuch in Brüssel Anfang der Woche besorgt gezeigt, dass Arbeitnehmer auch durch die Umsetzung der geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie aus Mittel- und Osteuropa deutsche Arbeitskräfte etwa im Handwerk oder der Gastronomie verdrängen könnten.

Das deutsche Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das auf eine EU-Richtlinie von 1996 zurückgeht, garantiert bisher nur Arbeitnehmern im Baugewerbe, dass ein allgemein verbindlicher tariflicher Mindestlohn gezahlt werden muss. In Westdeutschland beträgt der Mindeststundenlohn für Hilfsarbeiter 10,36 Euro, im Osten 8,95 Euro. EU-Industriekommissar Günter Verheugen hatte vor kurzem kritisiert, die damalige Bundesregierung habe die Entsenderichtlinie nicht vernünftig umgesetzt. Dass rund 20 000 deutsche Fleischarbeiter ihre Jobs an Billigkonkurrenten verloren hätten, sei ein „hausgemachtes Problem“.

Brandner sagte, mit einer Überarbeitung des Entsendegesetzes könne zugleich die Tarifautonomie aufrecht erhalten werden. „Das entspricht unserer Kultur, wie Löhne gefunden werden“, sagte er. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn ist in der SPD, aber auch innerhalb der Gewerkschaften stark umstritten. SPD-Chef Franz Müntefering hatte entsprechende Überlegungen daher Ende 2004 auf Eis gelegt. Würde das Entsendegesetz um Branchen wie das Nahrungsmittelgewerbe erweitert, könnten damit Dienstleister aus Osteuropa gezwungen werden, deutsche Mindeststandards einzuhalten. Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier hatte Mitte der Woche angekündigt, die Regierung prüfe eine Ausweitung des Entsendegesetzes.

Die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen, Thea Dückert, plädierte dafür, die Debatte bis zum Herbst zu führen, wenn die EU-Dienstleistungsrichtlinie im Europa-Parlament verhandelt wird. Dückert forderte darüber hinaus Gesetzesänderungen, um die Einführung von branchenbezogenen Mindestlöhnen zu erleichtern. „Es muss einfacher werden, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären“, sagte Dückert dem Tagesspiegel. Dann müssten deutsche Firmen ihren Mitarbeitern mindestens den untersten Tariflohn zahlen. In manchen Branchen sind viele Unternehmen nicht tarifgebunden. Führende Arbeitgeberfunktionäre sprachen sich aber grundsätzlich dagegen aus, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen.

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