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Wirtschaft: General Motors steuert einen harten Kurs

NEW YORK .Vergangenheit und Zukunft des Autoherstellers General Motors Corporation (GM) prallen seit knapp zwei Wochen in dem Städchen Flint bei Detroit hart aufeinander.

NEW YORK .Vergangenheit und Zukunft des Autoherstellers General Motors Corporation (GM) prallen seit knapp zwei Wochen in dem Städchen Flint bei Detroit hart aufeinander.Amerikas größter Autohersteller muß Kostensenkungen durchsetzen, um im globalen Geschäft nicht zurückzufallen; 9200 seit dem 5.Juni streikende Arbeiter in zwei Zulieferwerken wollen den Verlust weiterer Arbeitsplätze verhindern.Die Belegschaften von 17 der 29 GM-Fabriken Nordamerikas, die von den bestreikten Werken abhängig sind, hat GM wegen fehlenden Nachschubs bereits beurlaubt; die übrigen werden folgen, falls diese Woche kein Kompromiß zustande kommt.Fast 72 000 Arbeiter sind von dem Streik betroffen.

Als GMs früherer Chairman und CEO (chief executive officer) Robert B.Smith 1981 die Zügel des strauchelnden Riesen an sich zog, hatte er sich zum Ziel gesetzt, das Unternehmen wieder zur Nummer eins zu machen.Weit von seinem Ziel entfernt, wurde er 1990 vom Aufsichtsrat entlassen.Seinen Nachfolger Robert C.Stempel, damals zweiter Mann im Vorstand, ereilte zwei Jahre später dasselbe Schicksal.Auch ihm war es nicht gelungen, die roten in schwarze Zahlen umzuwandeln.Seitdem leitet John (Jack) Smith, 57 Jahre alt, die Geschicke des Autoherstellers.Nach den Milliardenverlusten Anfang der 90er ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen, zumindest was die Bilanzen angeht.Der 1997 erzielte Rekordgewinn und das laufende Aktienrückkaufprogramm im Wert von vier Mrd.Dollar sichern Smith die Gunst der Anleger.

Für den Autoanalysten Joseph Phillippi von der Investmentbank Lehman Brothers ist bei GM längst nicht alles in Butter."Schaut man sich die Bäume statt den Wald an, müßten GM bei 60 notieren", sagte er kürzlich zum Wirtschaftsmagazin "Business Week".Trotz etlicher Managementreformen, modernisierter Fabriken und neuer Modelle kann Smith nur bescheidene Fortschritte vorweisen.Seit 1980 ist GMs Marktanteil in den USA kontinuierlich von 46,4 Prozent auf 32 Prozent Ende Mai geschrumpft.Der Allzeitrekord war 49 Prozent gewesen.Ford Motor Company und Chrysler Corporation legten zur gleichen Zeit Marktanteile zu.Der Anteil der "Big Three" lag bei knapp 72 Prozent.1998 entwickelt sich zu einem besonders schwierigen Geschäftsjahr.Im Januar fielen die Pkw-Verkäufe um sechs und im Februar um sieben Prozent; GM mußte sich mit einem Marktanteil von 28,6 Prozent begnügen.Seit März läuft das Geschäft besser, aber hauptsächlich aufgrund großzügiger Verkaufsanreize wie Rabatte, Billigkredite und Preivergünstigungen für Wiederholungskäufer.

Woran happert es bei GM? Schlechte Produktivität in der Fertigung, ist die einhellige Meinung der Kenner.Rund 15 Prozent mehr als bei der Konkurrenz kostet die Herstellung eines GM-Autos.Der Hauptgrund ist die Fertigungstiefe - früher eine der Hauptstärken des Autoriesen.GM baut seine Autos zu 70 Prozent aus selbstgefertigten Teilen, Ford zu 47 und Chrysler zu 35 Prozent.Als Lee Iacocca Ende der siebziger Jahre von Ford zur notleidenden Chrysler überwechselte, reduzierte er sofort die viel zu aufwendige Eigenfertigung.Daß Iacocca den Konzern so schnell sanieren konnte, verdankt er zum großen Teil den Fremdlieferanten.GM dagegen muß eigene Fabriken stillegen.GMs Produktionskosten werden zusätzlich durch sogenannte "task restrictions" in den lokalen Gewerkschaftsverträgen hochgetrieben.Das sind Regelungen, wonach Arbeiter nur für bestimmte Aufgaben eingesetzt werden dürfen.GM braucht deswegen für die Fertigung eines Autos fast doppelt so viele Arbeiter wie etwa in der gewerkschaftsfreien Nissan-Fabrik in Smyrna (Tennessee) benötigt werden.GM gibt aber die Kosten nur teilweise an die Verbraucher weiter, aus Sorge, daß die Kunden zu den Billiganbietern überlaufen.Die Folge sind geringere Gewinne pro Einheit als bei Chrysler und Ford."Wir müssen weltweit wettbewerbsfähiger werden, das ist eine Tatsache des Lebens.Wer zuhause nicht stark ist, kann es auch anderswo nicht sein", stellte GM Vice President Donald Hackworth dieser Tage in einem Interview mit der Zeitung "USA Today" fest.Weitere Kosteneinsparungen seien deswegen eine Notwendigkeit, der sich GM nicht entziehen könne."Die Globalisierung haben nicht wir erfunden, sie ist einfach einen Tatsache, die unsere ganze Branche kennzeichnet", sagte Hackworth kurz nach Beginn des Austands am 5.Juni in der Blechfabrik in Flint.GM behauptet, 1500 Arbeiter seien ihren Verpflichtungen nicht treu geblieben, die Arbeitsplatzregeln zu ändern und das halte die Produktion auf.Eine geplante Investition von 300 Mill.Dollar für die Modernisierung der Flint-Fabrik hat GM auf Eis gelegt.Die Gewerkschaft bezichtigt GM, eine "Amerika Zuletzt"-Strategie zu betreiben, indem hunderte von Mill.Dollar im Ausland investiert würden.

Auf die Auslandsoption greift GM zunehmend zurück.Fabriken entstehen in Argentinien, Polen, China, Thailand und Brasilien.Gleichzeitig wird zuhause an zwei Fronten rationalisiert: Arbeiter, die in den Ruhestand gehen, werden nicht ersetzt, und Fahrzeuge werden entwickelt, die mit weniger Arbeitern gefertigt werden können.GMs neueste Modelle wie das Kompaktauto Chevrolet Malibu werden mit 25 Prozent weniger Arbeitsstunden produziert als das Fahrzeug, das der Malibu ablöst.Löhne stellen bei GM zwar nur fünf Prozent der Gesamtkosten dar, doch bei 210 000 Arbeitern, die 50 Dollar Stundenlohn und Nebenleistungen verdienen, fallen 25 Prozent ins Gewicht.Zum Vergleich: ein mexikanischer Arbeiter verdient bei GM 10 Dollar am Tag.Kein Wunder, daß GMs Auslandsoption der Hauptstreitpunkt beim derzeitigen Arbeitskampf in Flint darstellt.

Die Globalisierung ist eine Verhandlungstaktik, die der United Auto Workers-Gewerkschaft einen Schreck einjagt.Seit 1980 ist die Zahl der Arbeiter von 450 000 auf 210 000 gesunken und die Produktionsverlagerung ins Ausland geht weiter.Noch fertigt GM zwei Drittel seiner Autos in den USA und ein Drittel im Ausland.Bis 2002 soll das Verhältnis bei 50 zu 50 sein.Dann wird GM nur noch etwa 180 000 Arbeiter beschäftigen.Und: Mit dem am 7.Mai angekündigten Zusammenschluß von Chrysler und Daimler-Benz steht GM plötzlich vor einer weiteren Herausforderung.

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