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Netz oder Falle. Wer sich im Internet Rat holt, profitiert von der Erfahrung vieler anderer – weiß aber nicht, ob sie zuverlässig sind. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Wirtschaft: Geschäfte unter Freunden

Im Internet leihen sich Leute gegenseitig Geld und geben einander Finanztipps

Egal ob Krankheiten, Kindererziehung oder Kochrezepte: Das Internet ist der ideale Ort für Menschen, die anderen gerne Tipps geben. Umgekehrt wenden sich viele Leute mit ihren Fragen lieber erst einmal an ein Online-Forum und fragen andere Nutzer nach ihrer Meinung, bevor sie zum Arzt gehen oder sich ein neues Produkt anschaffen. Sie glauben an die Schwarmintelligenz, also das Zustandekommen von guten Entscheidungen durch den Beitrag von möglichst vielen. Der Trend zum sozialen Netzwerken macht auch vor dem Bankgeschäft nicht Halt. Während die Institute selbst ihre Online-Aktivitäten noch weitgehend auf Produktwerbung oder Beschwerdeformulare beschränken, gibt es immer mehr Anbieter, die dem herkömmlichen Bankgeschäft im Internet Konkurrenz machen.



Banken

Einer davon ist die Fidor Bank. Das Unternehmen mit Sitz in München besitzt seit 2009 eine Banklizenz, es bietet Tages- und Festgeldkonten an und, in Zusammenarbeit mit der SWK-Bank, auch Kredite oder Darlehen auf Lebensversicherungen. Das ist aber auch schon alles, was bei Fidor an ein herkömmliches Kreditinstitut erinnert. Das Herzstück des Unternehmens ist eine Community, die nach eigenen Angaben 45 000 Mitglieder hat. Wer sich dort anmeldet, kann unter einem ausgedachten Namen Beiträge schreiben und Fragen stellen – oder auf die Fragen von anderen antworten. Die Community diskutiert über die Zinspolitik der EZB genau so wie über die Qualität einzelner Finanzprodukte. Auf die Frage, wie die anderen Mitglieder ein bestimmtes Zertifikat bewerten, erhält man beispielsweise innerhalb von 24 Stunden drei Antworten. Einer gibt den wichtigen Hinweis, dass der Anleger sein ganzes Geld verlieren kann, wenn der Herausgeber des Zertifikats pleitegeht.

Peter Lischke von der Verbraucherzentrale Berlin rät Kunden aber davon ab, sich auf diese Beiträge zu verlassen. Die Ratgeber sind schließlich meistens anonym. „Da weiß man nie: Wie wertvoll sind diese Tipps? Und wie viel Sachkunde steckt tatsächlich dahinter?“, sagt Lischke.

Die Mitglieder der Community verdienen Geld mit ihren Antworten. „Da kommen schnell 20 bis 30 Euro zusammen“, sagt Christian Müller, Marketingchef von Fidor. Für jeden Beitrag wird ihnen Geld auf ihrem Fidor-Pay-Konto gutgeschrieben – das ist ein Konto, von dem aus man auch Sofortüberweisungen an Bekannte oder an Online-Shops tätigen kann. Das Ganze funktioniert innerhalb von Minuten, auch per E-Mail oder über das Handy. „Wir wollen das Banking an den digitalen Lebensstil der Menschen von heute anpassen“, sagt Christian Müller. Die Fidor Bank selbst verdient mit der Community kein Geld – sie setzt darauf, dass die Kunden über die Webseite auch an den eigenen Bankprodukten Gefallen finden. Profitabel ist das Unternehmen nach eigenen Angaben noch nicht.

Auch Profis geben auf der Fidor-Plattform Tipps, freie Finanzberater etwa, die versuchen, über die Webseite neue Kunden zu gewinnen. Sie sind als „Experten“ gekennzeichnet. Die Fidor Bank übernimmt keine Haftung für die Beiträge. Nach Ansicht des Unternehmens haften auch die Experten im Forum nicht für ihre Empfehlungen – kurze Texte, die nicht als offizielle Beratung zu verstehen seien. Verbraucherschützer Lischke rät den Nutzern darum, vor Abschluss eines Produktes, das er nicht kennt, auch persönlich einen qualifizierten Berater zu kontaktieren – „einen, der im Zweifelsfall auch haftet.“

Berater bewerten

Ob ein Finanzberater wirklich gut ist und ausschließlich im Interesse des Kunden handelt, ist für diesen auf den ersten Blick nur schwer erkennbar. Darum haben Mustafa Behan und seine Partnerin in Berlin Who Finance gegründet, ein Bewertungsportal für Finanzberater. Jeder, der schon einmal mit einem Berater zu tun hatte, kann hier seine Erfahrungen mit anderen Nutzern teilen. Die Hürden sind allerdings hoch. Zwar muss sich der Bewerter nicht registrieren, er muss aber eine Reihe von Fragen beantworten, mit denen die Plattformbetreiber erkennen wollen, ob die Bewertung plausibel ist. Jede E-Mail, die bei Who Finance eingeht, wird zudem von zwei bis drei Personen gelesen und geprüft. Bei Verdacht muss der Schreiber weitere Fragen beantworten. Auch ein negativ bewerteter Berater kann sich vor Veröffentlichung zu der Kritik äußern. So soll verhindert werden, dass Berater hier heimlich Werbung für sich machen oder die Konkurrenz schlechtreden. Bisher wurden 16 500 Bewertungen bei Who Finance eingestellt, mehr als 4000 wurden aufgrund von Verdachtsmomenten nicht freigeschaltet, sagt Mustafa Behan. Who Finance finanziert sich über Provisionen. Wenn ein Nutzer aufgrund einer positiven Bewertung einen Bankberater aufsucht, schickt ihm das Portal eine Rechnung.

Private Kredite

Ganz ohne die Beteiligung von Banken kommen Kreditplattformen wie Smava aus. Hier können Privatleute Geld an andere Nutzer verleihen. Kreditnehmer geben nach der Prüfung ihrer finanziellen Verhältnisse (Schufa, Lohnsteuerkarte) auf dem Smava-Marktplatz an, wie viel Geld sie für ihr Kreditprojekt benötigen und wie hoch der Zins sein darf, den sie zahlen wollen. Möglich sind Kredite zwischen 500 und 100 000 Euro. Anhand eines Schufa-Rankings werden die Kreditnehmer von Smava in Bonitätsklassen eingeteilt, die dem Kreditgeber Hinweise darauf geben, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er sein Geld nicht wiedersieht.

Anleger können bei Smava zwischen 1000 und 50 000 Euro verleihen und auswählen, wie hoch Risiko und Rendite sein sollen. Ihr Kapitaleinsatz wird in einem Pool gesammelt und an Kreditnehmer der gleichen Bonitätsklasse ausgereicht. So soll das System gegen Ausfälle schützen: Platzt der Kredit eines Anlegers, springen die restlichen mit einem Beitrag ein. Muss Geld eingetrieben werden, beauftragt Smava eine Inkassofirma. Die Zeitschrift Finanztest lobt den Anbieter für sein „stimmiges Konzept“.

Seit dem Start 2007 ist die Plattform stark gewachsen: Es gibt 15 000 Anleger und 6000 Kreditnehmer, mehr als 50 Millionen Euro Kreditvolumen wurden bisher vermittelt. Für ihr Marketing nutzt das Kreditnetzwerk wiederum andere soziale Netzwerke: Bei Facebook hat Smava 6000 Fans.

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