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Wirtschaft: Geschenke vom Fiskus

Warum der Staat viel stärker in die Erziehung der Kinder eingreifen muss Von Gert G. Wagner

Weihnachten ist das Fest der Kinder. Und das der Geschenke. In diesem Jahr hält auch die Politik Überraschungen für Kinder und Eltern bereit. Geschenke sind es allerdings nicht – denn für staatliche Leistungen wie das Kindergeld, Steuererleichterungen, Betreuung und Bildung müssen die Eltern meist selbst aufkommen. Das ist freilich unvermeidbar – ist die Zahl der Kinderlosen doch nach wie vor deutlich geringer als die der Eltern und Großeltern.

Allerdings haben die Familien auch etwas von dem, was der Staat für sie tut. Gerade die Kinder. Familienpolitik sollte künftig noch mehr als in den letzten Jahrzehnten gestaltend in Lebensentwürfe und Lebensläufe eingreifen. Das Leitbild von der freien Gesellschaft, in der jeder am besten weiß, was für ihn und seine Kinder richtig ist, ist passé. Unsere Gesellschaft wird sich wieder mehr zu Erziehungsvorstellungen bekennen. Viele werden christlich geprägt sein, aber es wird auch Raum für andere Wertvorstellungen geschaffen und gewahrt werden müssen.

Das ist ein schwieriges Vorhaben. Die Familienpolitik der letzten Jahrzehnte war aber nicht erfolgreich: Sie hat alte Strukturen zementiert, etwa die fehlende Betreuung, und sie hat viele Kinder und Jugendliche mit ihren Problemen alleine gelassen, mit schwachen Deutschkenntnissen und fehlenden Schulabschlüssen.

Mit dem geplanten und umstrittenen Elterngeld will die Bundesregierung in die Lebensläufe der Eltern aktiv eingreifen. Der Transfer wird – scheinbar unsozial – für Gutverdienende höher sein als für Eltern mit niedrigem Einkommen, damit sich wieder mehr gut ausgebildete junge Leute für Kinder entscheiden. Vom so langfristig ausgelösten Wirtschaftswachstum werden dann auch weniger gut Verdienende profitieren.

Noch umstrittener ist: Statt zehn Monaten kann das Elterngeld zwölf Monate lang gezahlt werden – wenn es beide Elternteile in Anspruch nehmen. Ziel ist es, dass junge Väter sich wenigstens zwei Monate lang um ihre kleinen Kinder kümmern. Davon werden alle Beteiligten profitieren. Man kann sicherlich darüber streiten, ob der Staat in einer freiheitlichen Gesellschaft einen solchen Anreiz setzen sollte. Fakt ist, dass ohne ihn die meisten Männer diese Chance verschenken.

Die Abwesenheit der Väter in der Erziehung ist übrigens ein neues Phänomen der Industriegesellschaft. Jahrtausendelang lebten und arbeiteten Familien eng zusammen, die Väter kümmerten sich auch um die Kinder. In der Bibel wird das oft an Vater-Sohn-Konflikten deutlich. Dort, wo die Erziehung traditionell nur Müttern, Ammen und Internaten überlassen bleibt, etwa beim Hochadel, führte und führt das meist zu problematischen Erziehungsergebnissen – wie man heute nahezu täglich in der Zeitung nachlesen kann.

Nicht durch Gesetze, aber durch Handeln vor Ort muss sich der Staat mehr um Kinder kümmern, deren Eltern ihnen nicht die beste Erziehung zukommen lassen. Ich prognostiziere, dass Kinderärzte stärker mit den Kommunen zusammenarbeiten werden, und dass durch ein flächendeckendes Vorschulangebot viel früher als bislang Bildungsdefizite ausgeglichen werden. Schuld an den Defiziten sind im Übrigen nicht nur die Eltern selbst, sondern die modernen Familienstrukturen mit weniger Geschwistern und Verwandten als früher. Überspitzt gesagt: Betreuerinnen und Lehrer werden mehr und mehr Rollen einnehmen, die früher Großmütter und Onkel spielten.

Das alles kostet Geld, und es setzt den Willen zur Erziehung voraus. Sicherlich kann der Staat dabei vieles falsch machen – aber keine Erziehung ist keine sinnvolle Alternative.

Gert G. Wagner ist Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Professor an der TU Berlin.

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