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Wirtschaft: „Gesundheit gibt es nicht zum Billigtarif“

Der Altana-Vorstandschef Nikolaus Schweickart über Managergehälter, den Standort Deutschland und die Gesundheitsreform

Herr Schweickart, Sie verdienen 1,7 Millionen Euro im Jahr. Ist das nicht ein bisschen viel?

Auch wenn eine Selbsteinschätzung schwierig ist – ich finde mein Gehalt anständig, nicht unanständig.

Was ist mit den 6,9 Millionen Euro, die der Chef der Deutschen Bank verdient: Sind die anständig oder unanständig?

Ich maße mir nicht an, das zu beurteilen. Darüber entscheidet der Aufsichtsrat eines Unternehmens, nicht der Manager. Aber was die Höhe gewisser Abfindungen der jüngsten Zeit anbelangt, habe ich meine Zweifel, was die Angemessenheit angeht.

Wovon hängt die Höhe Ihres Gehalts ab?

Vom Erfolg des Unternehmens. Wenn Altana die selbst gesteckten Planziele beim Ergebnis vor Steuern und der Kapitalrendite um zehn Prozent überschreitet, steigt der variable Anteil meines Gehalts um zehn Prozent. Wenn wir es unterschreiten, gibt es für mich und meine Vorstandskollegen weniger Geld als im Vorjahr. Ein Drittel des Gehalts ist fest, zwei Drittel sind erfolgsabhängig und variabel.

Können Sie verstehen, dass viele Aktionäre deutsche Manager für gierig halten?

Ich möchte das zwar nicht pauschalieren, aber für gewisse Einzelfälle schließe ich es auch nicht aus.

Könnte man das Problem durch Obergrenzen für Vorstandsgehälter lösen?

Nein. Ich würde es für viel sinnvoller halten, alle Dax30-Vorstände zu veranlassen, ihre Gehälter inklusive Stock Options und Pensionsansprüchen individuell zu veröffentlichen. Volle Transparenz muss zur Selbstverständlichkeit werden. Das ist wirksamer als eine dubiose Obergrenze beim Gehalt.

Warum sollte ein Unternehmen sich freiwillig auf mehr Transparenz einlassen, wenn es anschließend die Höhe der Vorstandsgehälter in der Öffentlichkeit rechtfertigen muss?

Weil wir uns dem internationalen Wettbewerb stellen müssen. Ein Unternehmen wie Altana, das in Deutschland und den USA notiert ist, kommt nicht drumherum, den Corporate Governance-Kodex made in USA zu übernehmen. Sonst werden wir delistet, also von der Börse ausgeschlossen. Corporate Governance ist eine Frage der Qualität des Unternehmens auf dem Kapitalmarkt.

Wie ist es international zu rechtfertigen, dass Gewerkschaftsvertreter gleichberechtigt mit Arbeitgebervertretern im Aufsichtsrat sitzen?

International wird dies als Interessenkonflikt gesehen. Ich verweise auf den Fall des Verdi-Chefs Frank Bsirske ...

...der als stellvertretender Lufthansa-Aufsichtsratschef einen Streik angezettelt hat, der die Lufthansa Millionen kostete. Ist die Mitbestimmung der Gewerkschaften im Aufsichtsrat noch berechtigt?

Ich bin grundsätzlich dafür, dass Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter substantiell bei unternehmerischen und betrieblichen Entscheidungen mitwirken. Ein Unternehmen soll keine reine Shareholder-Value-Veranstaltung sein. Aber die Gewerkschaften stecken in der Legitimationskrise. In Unternehmen, die vielleicht noch zehn oder zwanzig Prozent Organisationsgrad haben, ein Drittel der Aufsichtsratsplätze mit Gewerkschaftsvertretern zu besetzen, bedarf der kritischen Reflexion.

Muss also das Mitbestimmungsgesetz geändert werden?

Das Thema muss auf jeden Fall diskutiert werden. Die Aufsichtsräte müssen aber nicht nur kleiner, sondern auch internationaler werden. Das gilt auch für die Arbeitnehmerseite. Altana hat weltweit 10 000 Mitarbeiter, knapp 60 Prozent davon im Ausland. Bislang entschieden deutsche Arbeitnehmervertreter darüber mit, ob wir eine Fabrik in China, Irland oder Brasilien bauen. Ich bin dafür, auch unseren ausländischen Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, im Aufsichtsrat mitzuwirken.

Das würde ihren deutschen Beschäftigten kaum gefallen. Steigt nicht die Gefahr, dass Arbeitsplätze im Inland abgebaut werden?

Nein. Wenn wir in den USA neue Arbeitsplätze schaffen, heißt das nicht, dass wir in Deutschland Jobs streichen. Im Gegenteil: Die nachhaltige Erschließung des US-Pharmamarktes führt auch zu zusätzlichen Arbeitsplätzen in Deutschland.

Altana macht schon jetzt über 80 Prozent seines Umsatzes im Ausland. Wird der Anteil weiter steigen?

Ja. Wir wollen den Anteil in vier bis fünf Jahren auf 90 Prozent steigern und vor allem in den USA und Asien wachsen. Für die Pharma-Industrie ist der US-Markt ein „Muss“. Die Vermarktung von innovativen Pharmaprodukten in den USA ist von der Kostenseite her günstiger als etwa der fragmentierte EU-Markt und von den Preisen her deutlich interessanter. Mit diesen guten Margen können wir den hohen Forschungsaufwand finanzieren.

Altana produziert vor allem in Deutschland. Könnte der starke Euro Sie zwingen, die Produktion stärker in den Dollar-Raum zu verlagern, weil das billiger ist?

Die Währung ist ein Problem. Zurzeit liefern wir in erheblichem Umfang Pharmaprodukte aus dem Euro-Raum in den Dollar-Raum. Aufgrund des schwachen Dollar ist der Euro-Erlös gedrückt. Das lässt sich aber durch Währungsabsicherung in einem gewissen Umfang begrenzen.

Wie stark ist Altana abgesichert?

Bis zu 80 Prozent unseres bilateralen Transaktionsvolumens, also der Exporte, die in den Dollarraum gehen.

Was heißt das für Ihre Bilanz?

In diesem Jahr wollen wir in lokalen Währungen in Umsatz und Ergebnis eigentlich zweistellig wachsen. Wenn der Euro auf einem Niveau bleiben sollte wie bisher, nämlich um 1,15 Jahresdurchschnitt, dann werden wir beim Umsatz ein zweistelliges Wachstum in Euro nur schwer erreichen können.

Angenommen, der Euro bleibt stark, könnten Sie dann nicht doch auf die Idee kommen, größere Teile der Produktion ins Dollar-Ausland zu verlegen, um Kosten zu sparen?

Wir lassen uns von Währungsschwankungen in den Produktions- und Standortentscheidungen nicht beeinflussen. Die überstürzte Flucht aus Europa in den derzeit schwachen Dollarraum wäre keine kluge Entscheidung. Die Währungsrelationen können sich schnell ändern. Innerhalb des vergangenen Jahres ist aus einem starken Dollar ein weicher Dollar geworden.

In welchen Regionen investieren Sie?

Allein in den USA wollen wir in den nächsten Jahren rund 2000 Arbeitsplätze schaffen.

Das werden Ihre deutschen Mitarbeiter nicht gerne hören. Werden Sie Arbeitsplätze in Deutschland abbauen?

Nein. Wir bauen parallel auch in Deutschland Kapazitäten auf. Allein in Oranienburg werden 50 neue Arbeitsplätze entstehen. Im Übrigen haben wir in den vergangenen beiden Jahren im Inland rund 600 Arbeitsplätze geschaffen.

Sie haben mit dem Magensäureblocker Pantoprazol ein sehr erfolgreiches Medikament im Sortiment. Was kommt danach?

Wir erwarten die Zulassung für unser neues Asthmamittel Alvesco in Europa noch in diesem Jahr und werden zusammen mit Aventis in diesem Jahr die Zulassungsunterlagen in den USA einreichen. Bis zu einer Entscheidung der Behörde vergehen dann in der Regel zwölf bis 18 Monate. Die Einreichung für unser Mittel gegen Asthma und Raucherlunge, Roflumilast, werden wir noch in diesem Jahr in Europa vornehmen. Beide Produkte haben Blockbuster-Potenzial von rund einer Milliarde Euro Umsatz.

Was erwarten Sie von der Gesundheitsreform?

Ich sehe den Forschungsstandort Deutschland gefährdet, wenn die innovationsfeindlichen Instrumente in der Gesundheitsreform umgesetzt werden. Die Entwicklung eines Medikaments für den Weltmarkt kostet heute bis zu 750 Millionen Euro. Das muss auch in Deutschland zu einem positiven Deckungsbeitrag führen, der die Finanzierung von zukünftiger Forschung hier zu Lande zulässt.

Welcher der Vorschläge, die die Bundesgesundheitsministerin bisher vorgelegt hat, würde Ihnen am meisten weh tun?

Es gibt drei Giftzähne. Die Festbeträge für patentgeschützte Medikamente, die Positivliste und das geplante Zentrum für Qualität in der Medizin, das nichts mit Qualität zu tun hat, sondern mit Rationierung. Die gravierendsten Auswirkungen hätten die Festbeträge.

Welche Folgen hätte das für Altana?

Wenn Festbeträge zu Belastung unserer Erträge im Inland führen, wird das zwingend Folgen für unsere Forschung und Produktion haben. Den weitaus größten Teil unserer Erträge erwirtschaften wir jetzt schon im Ausland.

Die Arzneikosten sind der am stärksten steigende Posten im Gesundheitsbudget. Freiwillig wird die Pharmaindustrie die Preise nicht senken. Was schlagen Sie der Regierung vor?

Mut zu grundlegenden Reformen: Grundabdeckung durch eine Basisversicherung, Individualisierung des Versicherungsrisikos, Zuwahltarife im Ermessen der Versicherten. Im Arzneimittelbereich: Stärkung und nicht Bestrafung der Innovationskraft der Unternehmer. Nachahmerprodukte bewirken keinen medizinischen Fortschritt.

Gehen Sie davon aus, dass Union und FDP der Gesundheitsministerin die drei Giftzähne ziehen werden?

Ich hoffe sehr, dass die Weitsicht siegt und dass weder die Festbeträge noch die Positivliste oder das Zentrum für Qualitätssicherung in der Medizin Bestandteile unseres Gesundheitswesens werden.

Die Arzneimittelkosten sind für 17 Prozent der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung verantwortlich. Ob sie diese hohen Kosten Wert sind, ist heftig umstritten. Was bietet die Pharmaindustrie an, um die steigenden Gesundheitskosten zu drücken?

Wer Pharmaprodukte nur als Kosten sieht und definiert, springt zu kurz und verkennt den therapeutischen und auch ökonomischen Nutzen. Die medikamentöse Behandlung eines Magengeschwürs beispielsweise erspart einen operativen Eingriff und ist daher für das Gesundheitssystem und die Kassen viel preiswerter. Im Übrigen: Das Gut Gesundheit ist nicht zu Billigtarifen zu haben.

Das Gespräch führte Maren Peters.

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