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Wirtschaft: Gewerkschaft sieht 3000 Stahl-Jobs in Gefahr

Fusion von Arcelor mit russischer Severstal riskant

Berlin - Die Fusionspläne des europäischen Stahlkonzerns Arcelor mit dem russischen Konkurrenten Severstal stoßen auf immer lautere Kritik. Neben zahlreichen Aktionären zeigt sich mittlerweile auch die IG Metall skeptisch. „Die Risiken sind nicht kalkulierbar“, sagte der Stahlbeauftragte der Gewerkschaft, Friedhelm Matic, dem Tagesspiegel. Diesen Eindruck habe er nach einem Informationsgespräch bei Severstal in Moskau gewonnen. In Deutschland seien knapp 3000 Arbeitsplätze in Gefahr, rechnete der Gewerkschafter vor. Dies betreffe neben dem Standort Bremen vor allem die Arcelor-Tochter Eko-Stahl im brandenburgischen Eisenhüttenstadt.

Arcelor beschäftigt 15 000 Mitarbeiter in Deutschland, darunter 3000 in Eisenhüttenstadt. Der französisch-luxemburgische Konzern will mit Severstal fusionieren, um eine feindliche Übernahme durch das weltweit größte Stahlunternehmen Mittal abzuwehren. Nach Bekanntgabe der Fusionspläne im Mai war die IG Metall noch optimistisch gewesen. „Eine Fusion auf gleicher Augenhöhe ist immer besser als eine feindliche Übernahme“, hatte Matic damals erklärt.

Doch mittlerweile überwiegt in der Gewerkschaft die Angst vor Arbeitsplatzverlusten. „Unseren Berechnungen zufolge hat Severstal in Russland Überkapazitäten von drei Millionen Tonnen Stahl im Jahr“, sagte Matic. Diese Überkapazitäten könnten nach einer Fusion zu Lasten Westeuropas ausgelastet werden – einfach deshalb, weil die Produktion in Russland deutlich günstiger ist. Eine Million Tonnen Stahl entsprechen Matic zufolge knapp 1000 Arbeitsplätzen.

Zwar haben die Russen zugesagt, dass die Arbeitsplätze im Westen sicher seien. „Das glauben wir aber nicht“, erklärte der Gewerkschafter. Vor allem der Standort Eisenhüttenstadt sei stark gefährdet. „Eko war für Arcelor immer der Brückenkopf nach Osteuropa“, sagte Matic. „Aber niemand braucht zwei Brückenköpfe – einen an der Oder und einen in Russland.“

Deshalb tendiert die IG Metall mittlerweile eher zu dem Angebot von Mittal. „Wenn wir uns konzeptionell einbringen können, halte ich das für die bessere Lösung“, sagte Matic. „Der Arcelor-Plan, Mittal über Severstal auszubremsen, erscheint mir dagegen immer unlogischer.“ Bei einer Übernahme durch Mittal könne man zumindest noch die Hoffnung haben, dass es für die Beschäftigten keine Verschlechterungen gebe. Allerdings räumte Matic ein, dass es auch von Mittal noch keine schriftlichen Zusagen gebe.

Mittal rief am Dienstag die Aktionäre von Arcelor zum Widerstand gegen die vom Management forcierte Fusion mit Severstal auf. Dazu müssten die Anteilseigner „unbedingt“ an der außerordentlichen Hauptversammlung am 30. Juni teilnehmen und gegen den geplanten Zusammenschluss stimmen.

Die für diesen Mittwoch geplante Hauptversammlung sagte Arcelor indes ab. Bei dem Treffen hätten die Aktionäre über ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 6,5 Milliarden Euro entscheiden sollen. Mit dem Programm versucht sich der Arcelor-Vorstand gegen die Übernahme durch Mittal zu wehren. Zahlreiche Aktionäre unterstützen dieses Vorgehen jedoch nicht. Sie halten das Angebot von Mittal für attraktiver als das der Russen.

Mehrere Minderheitsaktionäre wollen am Donnerstag in Luxemburg vor Gericht erzwingen, dass auch die Hauptversammlung vom 30. Juni verschoben und die „Operation Severstal“ ausgesetzt wird. Das teilte die Aktionärsvereinigung Adam mit, die 2,5 Prozent des Arcelor-Kapitals hält und von vier angelsächsischen Investmentfonds gestützt wird.

Vielleicht kommt aber sowieso alles ganz anders. So hält Gewerkschafter Matic auch eine dritte Variante für möglich: eine Megafusion aller drei beteiligten Konzerne. „Arcelor könnte sich mit Mittal und mit Severstal zusammenschließen“, sagte er. „Hinter vorgehaltener Hand hört man das in der Branche überall.“

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