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Wirtschaft: Gewerkschafter gehen auf Distanz zu Klaus Zwickel. Und Rentenversicherungsträger glauben nicht an zusätzliche Jobs

Im Streit um die Rente mit 60 erntet IG-Metall-Chef Klaus Zwickel inzwischen auch im Gewerkschaftslager Kritik. Der Vorsitzende der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Roland Issen, ging in einem Interview mit der "Neuen Presse" auf deutliche Distanz zu Zwickels Drohungen, das Bündnis für Arbeit notfalls scheitern zu lassen.

Im Streit um die Rente mit 60 erntet IG-Metall-Chef Klaus Zwickel inzwischen auch im Gewerkschaftslager Kritik. Der Vorsitzende der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Roland Issen, ging in einem Interview mit der "Neuen Presse" auf deutliche Distanz zu Zwickels Drohungen, das Bündnis für Arbeit notfalls scheitern zu lassen. Er halte überhaupt nichts davon, dass man wechselseitig immer mit dem Austritt aus dem Bündnis drohe, sagte Issen. Issen zeigte auch grundsätzliche Bedenken gegenüber der Rente mit 60. Das Modell sei für die Gewerkschaften "nicht unproblematisch". Es müsse klar werden, dass das Konzept jungen Beschäftigten Chancen auf einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz eröffne.

Auch der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Hubertus Schmoldt, kritisierte die Drohungen Zwickels. Der "Berliner Zeitung" sagte Schmoldt: "Ich halte es für unerträglich, wenn wir Gewerkschaften nun diejenigen sind, die mit dem Ausstieg aus dem Bündnis drohen." Die Gewerkschaften hätten die Arbeitgeber für die gleiche Drohung zu Recht kritisiert. "Es wird nicht besser, wenn wir es jetzt machen", sagte Schmoldt. Schmoldt sprach sich dafür aus, im Bündnis für Arbeit ein berechenbarer Partner zu bleiben. Man müsse sich daran halten, was im DGB-Bundesvorstand beschlossen und auch in der Bündnis-Runde am 6. Juli mit den Arbeitgebern beredet worden sei. "Da haben wir besprochen, für welchen Personenkreis und unter welchen Bedingungen wir einen befristeten Rentenzugang mit 60 wollen, vor allem im Zusammenhang mit der Altersteilzeit", sagte der Gewerkschafter. Dabei müsse man bleiben, wenn man weiterhin kalkulierbar sein wolle.

Unterdessen hat der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) die Erwartungen Zwickels als zu optimistisch bezeichnet, durch eine Rente mit 60 könnten rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. VDR-Geschäftsführer Franz Ruland sagte der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" die Erfahrungen mit Vorruhestandsregelungen hätten gezeigt, dass sieben frei werdenden Stellen nur mit einem Arbeitslosen neu besetzt werden. Im Übrigen sei die Rente mit 60 in der Praxis schon zum Teil verwirklicht. 1998 hätten 60 Prozent aller Männer und 86 Prozent der Frauen, die vor ihrem 65. Lebensjahr in den Ruhestand gingen, ihre Rente schon mit 60 Jahren in Anspruch genommen.

Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München, sagte am Rande der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik in Mainz, "die Rente mit 60 ist ein sicherer Weg zu mehr Arbeitslosigkeit. Denn durch die nötige Erhöhung der Rentenbeiträge steigen die Lohnnebenkosten und wird Arbeit in Deutschland für die Unternehmen teurer." Menschen, die sonst in der Arbeitslosenstatistik auftauchen würden, werden Rentner, meinte Sinn. Problematisch sei ferner, "dass produktive Menschen, die noch arbeiten wollen, plötzlich nicht mehr dürfen". Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält "positive Beschäftigungswirkungen der Rente mit 60 für unwahrscheinlich". Die Frühverrentung in der Vergangenheit habe weniger neue Arbeitsplätze geschaffen, als sich die Politik erhofft hätte. "Der Vorruhestand war für Großbetriebe die billigste Methode, um zu rationalisieren, also um Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen", sagte Wagner.

jhw

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