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Interview: „Gier hat das Vertrauen überrollt“

Sparkassenpräsident Heinrich Haasis über die Fehler der Banker und notwenige Regulierung

Herr Haasis, im Zuge der Finanzkrise hat das Image der Banker gelitten. Wie viel Schuld tragen sie an der Krise?

Die Banker als einheitliche Gruppe gibt es nicht. Die Trennung zwischen Investmentbankern einerseits und den an der Realwirtschaft orientierten Bankern andererseits ist zuletzt immer deutlicher geworden. Die Investmentbanker sind mit immer komplizierteren und intransparenteren Kapitalmarktprodukten einer Höchstrendite nachgejagt. Sie tragen neben den Ratingagenturen die Hauptverantwortung für die jetzige Krise, weil sie nicht mehr verantwortlich gehandelt und viele bankfachliche Standards außer Kraft gesetzt haben.

Was genau ist falsch gelaufen?

Im Wort „Kredit“ steckt das lateinische „credere“, was so viel heißt wie „vertrauen, glauben“. Die Banken müssen sich so verhalten, dass man ihnen vertrauen kann. Aber die Gier hat dieses Prinzip des ordentlichen Kaufmanns an den Kapitalmärkten überrollt. Die Investoren haben Renditevorgaben in die Banken reingetragen, die mit den bisherigen bankkaufmännischen Mitteln unerreichbar waren.

Wie hoch ist die Rendite, die man im Bankgeschäft machen kann, ohne unverantwortlich hohe Risiken einzugehen?

Das kommt auf den jeweiligen Markt an. Aber der banale Satz „je höher die Rendite, desto höher das Risiko“ hat durchaus seine Berechtigung. Auch durch noch so komplizierte Produkte können Risiken nicht weggezaubert, sondern allenfalls versteckt weitergegeben werden. Die Banken werden sich in Zukunft stärker an den Renditen ihrer Kunden, also der normalen Wirtschaft, orientieren müssen. Und dann ist das von einigen propagierte Modell, 25 Prozent und mehr auf das eingesetzte Kapital zu erzielen, nicht denkbar. Wir, die Sparkassen, sind für unsere sechs Prozent Rendite, die wir langfristig haben, oft belächelt worden. Nun zeigt sich, dass wir damit am Ende profitabler sind als viele andere.

Was muss jetzt passieren, um solche Übertreibungen künftig zu vermeiden?

Ein Finanzmarkt braucht Regeln – und zwar internationale, so wie der Luftverkehr gemeinsame Verkehrsregeln hat. Hier haben die seit Jahresbeginn geltenden Eigenkapital-Vorschriften, die sogenannten Basel-II-Regeln, schon vieles zum Guten verändert. Ärgerlich ist allerdings, dass sich die USA bisher nicht daran halten, obwohl sie die Quelle der Finanzmarktkrise sind. Das muss geändert werden. Hinzukommen müssen zwei Maßnahmen: Erstens klare gesetzliche Regelungen für Ratingagenturen. Zweitens die Verpflichtung, Teile der Kreditrisiken in den eigenen Büchern zu behalten und nicht alles zu verkaufen.

Welche Instrumente lassen sich auch auf nationaler Ebene durchsetzen?

Die deutsche Politik kann viel für die Struktur des Finanzmarktes tun. Jahrelang galten doch Sparkassen und Genossenschaftsbanken als altmodisch und reformbedürftig. Die EU-Kommission in Brüssel wollte vor allem uns Sparkassen – sagen wir mal – ändern. Jetzt stellt alle Welt fest, dass unser dezentrales System viel stabiler ist als das hochgelobte kapitalmarktbasierte der USA. Ich hoffe, dass die deutsche und europäische Politik daraus die richtigen Schlussfolgerungen zieht, wo wirklicher Reformbedarf besteht.

Sehen Sie die Gefahr, dass bei der Regulierung überzogen wird?

Im Moment noch nicht. Aber es ist vernünftig, was Finanzminister Steinbrück in dieser Woche im Bundestag gesagt hat: Nicht jeden Tag neue Regeln erfinden, sondern die vereinbarten umsetzen und kontrollieren. Die Kontrolle muss sich künftig mehr auf systemrelevante Risiken beziehen, also zum Beispiel auf neue Produkte großer Banken. Es ist nicht sinnvoll, jeden kleinsten Mittelstandskredit einer Sparkasse dreimal zu überprüfen, der niemals ein Finanzsystem umwerfen könnte.

Das Interview führte Stefan Kaiser.

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