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Girokonto: Wenn man nichts hat

Auch Kunden ohne Geld haben ein Anrecht auf ein Girokonto

Haben Sie schon mal versucht, Ihre Miete in bar zu begleichen? Dasselbe gilt für die Telefon oder den Strom: Viele Dinge, die im Alltag selbstverständlich oder sogar unverzichtbar sind, lassen sich nur noch per Überweisung bezahlen. Für Menschen, die kein Girokonto besitzen, ist das ein Problem. Zwar kann man bei den meisten Banken auch am Schalter Überweisungen tätigen – dafür zahlt man aber eine üppige Gebühr.

Das trifft vor allem diejenigen, bei denen das Geld ohnehin nicht so locker sitzt. Weil sie arbeitslos sind, oder für ihre Arbeit so wenig Lohn bekommen, dass es kaum zum Leben reicht. Richtig schwierig wird es, wenn man deshalb Schulden macht. Dann können die Gläubiger das Geld auf dem Girokonto pfänden. Damit wird das Konto automatisch gesperrt – und der Besitzer bleibt die Rechnungen für Miete, Telefon oder Strom solange schuldig, bis alles abgestellt wird oder er seine Wohnung verliert. Und bei wem einmal gepfändet wurde, der bekommt bei vielen Banken überhaupt kein Konto mehr.

Damit es soweit nicht kommt, gibt es seit dem vergangenen Jahr das Pfändungsschutzkonto, genannt P-Konto. Darauf sind Beträge bis zu einer Höhe von 1028 Euro geschützt. Berücksichtigt werden dabei Lohneinkünfte, Sozialleistungen und Renten, freiwillige Zuwendungen durch Dritte oder Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Wenn jemand Unterhaltspflichten hat oder Kindergeld bezieht, erhöht sich der Betrag sogar. Nicht ausgeschöpfte Sockelbeträge können auf den Folgemonat übertragen werden.

Die Banken sind gesetzlich verpflichtet, auf Wunsch jedes Konto in ein P-Konto umzuwandeln. Die Stiftung Warentest warnt jedoch davor, ohne Not von diesem Anspruch Gebrauch zu machen. Damit niemand mehrere P-Konten führt, meldet die Bank die Einrichtung eines solchen Kontos an die Schufa, die diese Information an andere Institute weitergibt. Zwar hat die Schufa erklärt, dass sie die Existenz eines P-Kontos bei der Berechnung der Kreditwürdigkeit nicht berücksichtige. Doch welche Schlüsse Banken aus der Information über das Konto ziehen, wenn sie Kredite vergeben, ist ungewiss, sagen die Tester.

Zudem bemängeln die Verbraucherschützer, dass die Banken oft hohe Gebühren für die Umwandlung oder für die Führung eines P-Kontos verlangen. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden (SfB) hat schon mehrere Urteile erstritten, in denen hohe Gebühren oder Umwandlungskosten von den Gerichten als unzulässig bewertet wurden. „Es gehört zu den Pflichten eines jeden, das Gesetz zu befolgen, ohne dafür ein gesondertes Entgelt zu verlangen“, sagt die Rechtsanwältin Heidrun Jakobs von der SfB. Ihrer Meinung nach darf die Führung eines P-Kontos keinen Cent mehr kosten als ein normales Girokonto, auch dann nicht, wenn die Bank mit dem Konto einen höheren Aufwand hat. Die Mehrzahl der Gerichte gab ihr Recht. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat Anfang des Jahres 33 Banken und Sparkassen abgemahnt. Sie bemängelten nicht nur Kontoführungsgebühren von bis zu 15 Euro monatlich sondern auch, dass bei den P-Konten Funktionen wie Online-Banking oder Daueraufträge abgeschaltet wurden. Abgemahnt wurden unter anderem die Deutsche Bank und die Commerzbank.

Wem die Gebühren für das P-Konto zu hoch sind, der kann nicht so einfach wechseln. Denn die Banken sind zwar zur Umwandlung des Kontos verpflichtet, nicht jedoch zu seiner Einrichtung. Nach Angaben der EU-Kommission haben 30 Millionen Europäer kein Bankkonto. In Deutschland sollen es über 600 000 Menschen sein. Binnenmarktkommissar Michel Barnier forderte deshalb kürzlich das Recht auf ein Konto.

In Deutschland gibt es bislang nur eine Selbstverpflichtung aller Banken, jedem Kunden mindestens ein Konto auf Guthabenbasis einzurichten – also ohne Dispokredit. In der Praxis erleben die Verbraucherschützer aber oft, dass Bezieher von Sozialleistungen oder Menschen mit einer negativen Schufaauskunft kein Konto bekommen – oder nur eines mit eingeschränkten Funktionen, beispielsweise ohne eine Karte, mit der sie am Automaten Geld holen können oder im Geschäft bezahlen. Zudem schrecken die Banken die ungeliebte Kundschaft gern mit hohen Gebühren ab. Das gilt zum Teil auch für die Sparkassen, die sich wegen des öffentlich-rechtlichen Auftrags verpflichtet sehen, jedem ein Konto einzurichten.

Für Aufruhr sorgte die Berliner Sparkasse, als sie im August ankündigte, die Gebühren für das sogenannte Jedermann-Konto von derzeit 3,50 Euro im Monat auf acht Euro anheben zu wollen. Nach öffentlichen Protesten machte sie einen Rückzieher. Das Konto wird nun ab November fünf Euro kosten, genau so wie bei der Berliner Volksbank. Bis auf den Dispokredit haben die Konten alle Funktionen eines normalen Girokontos. Die Sparkasse begründet den Preisanstieg mit dem hohen Aufwand. Bei den Inhabern dieser Konten – zur Zeit mehr als 65 000 – fänden überdurchschnittlich viele Pfändungen statt. In der Summe betrage der Verlust rund fünf Millionen Euro pro Jahr – mit deutlich steigender Tendenz.

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