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Traktor

© dpa

Globalisierung: Heimat liegt im Trend

Um Lohnkosten zu senken verlagern viele Firmen ihre Produktionsstätten ins Ausland. Jedes vierte bis fünfte Unternehmen jedoch kehrt wieder in die Bundesrepublik zurück.

Die Firma Lemken aus Alpen hat ihren Heimatstandort wieder zu schätzen gelernt. Das nordrhein-westfälische Familienunternehmen, nach eigenen Angaben Marktführer in Deutschland im Bereich der Bodenbearbeitung und Sätechnik, verlagerte vor zwölf Jahren einen Teil seiner Produktion nach Kaliningrad. „Der russische Wirtschaftsminister hatte uns die Vorteile einer Sonderwirtschaftszone versprochen“, erzählt Nicola Lemken, die die 262 Jahre alte Firma heute gemeinsam mit ihrem Vater führt. Doch vor Ort sei alles ganz anders gewesen: „Da sind so viele willkürliche Dinge passiert, mal hat die Bank unser Konto geschlossen, dann war die Stromversorgung unterbrochen.“ Und als auch noch die Mitarbeiter nicht pünktlich und in gewohnter Qualität gearbeitet hätten, habe man nach zwei Jahren die Reißleine gezogen. Heute montiert die Firma, die ihre 200 Millionen Euro Umsatz zu 70 Prozent im Export erwirtschaftet, zwar unter anderem noch in Russland. „Aber wir haben uns wieder auf unsere Stärken und den Standort Deutschland besonnen“, sagt Nicola Lemken.

Wie dem Spezialisten für Landmaschinen geht es immer mehr deutschen Firmen, die aus Kostengründen einen Teil ihrer Produktion ins Ausland verlagert haben. Zwar zieht es einer Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) zufolge immer noch jeden elften Betrieb des verarbeitenden Gewerbes in andere Länder (2004 war es noch jeder achte), wodurch pro Jahr 74 000 Jobs verloren gingen. Doch viele Firmen machten ihre Entscheidung später wieder rückgängig. Auf jede vierte bis fünfte Auslandsverlagerung folge spätestens nach fünf Jahren die Rückkehr nach Deutschland. „Wir erleben eine Renaissance des Standorts Deutschland“, erklärte VDI-Präsident Bruno Braun am Dienstag auf der Hannover Messe.

Hauptgründe für die Rückkehrwelle seien mangelnde Flexibilität am ausländischen Standort oder eine ungenügende Qualität der Produktion, heißt es in der Studie. Zudem gäben die Unternehmen bei Verlagerungen langjährige bewährte Kontakte etwa zu Zulieferern entweder auf oder sie bezögen Vorleistungen weiterhin aus Deutschland – mit entsprechenden Kosten.

Meist waren für die Verlagerung die vergleichsweise hohen Personalkosten in Deutschland ausschlaggebend. Doch dabei würden oft nicht die tatsächlichen Kosten in Betracht gezogen, sagte Steffen Kinkel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, das die Erhebung durchgeführt hat. Andere Faktoren, wie etwa Zulieferungen, Anlaufzeiten oder Kosten für Betreuung und Kontrolle, fielen unter den Tisch. Tatsächlich machten aber die Lohnkosten in vielen Betrieben nur noch zehn Prozent der Gesamtkosten aus. „Die zu erzielende Hebelwirkung ist also begrenzt“, sagte Kinkel. Das Institut hat 1600 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes mit mehr als 20 Mitarbeitern nach ihren Erfahrungen mit der Produktion im Ausland befragt. Betrachtet wurden dabei die Jahre 1995 bis 2006.

Den Trend zur Rückkehr könnte eine Entwicklung beschleunigen, die das Statistische Bundesamt am Dienstag skizzierte: Bei den Arbeitskosten wird die deutsche Wirtschaft im EU-Vergleich zunehmend wettbewerbsfähiger. Zwar bleibt Arbeit hierzulande weiterhin teuer – beim besonders wettbewerbsintensiven verarbeitenden Gewerbe belegt Deutschland hier den vierten Platz. Aber der Anstieg fiel mit 1,2 Prozent auf 33 Euro am schwächsten aus (siehe Grafik). Auch in der Privatwirtschaft verteuerte sich eine Arbeitsstunde nur um ein Prozent – auf im Schnitt 29,10 Euro. In den anderen EU-Staaten lag der Anstieg zwischen 1,2 Prozent in Malta und 30,4 Prozent in Rumänien.

Juliane Schäuble

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