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Zukunft von Opel: GM lässt die Bundesregierung zappeln

Die Entscheidung über den Verkauf von Opel ist vertagt. Der GM-Verwaltungsrat konnte sich auf keins der beiden Konzepte einigen. Aus Berlin hieß es nur: "Kein Kommentar"

Die Zukunft von Opel bleibt ungewiss: Der Verwaltungsrat des einstigen Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM) legte sich am Freitagabend in seiner Sitzung nicht auf einen Bieter fest. Das Gremium habe zwar über die Zukunftsoptionen für den Rüsselsheimer Autobauer beraten, sagte eine Sprecherin, doch man sah sich nicht in der Lage, eine Entscheidung zu fällen. "Es sind einfach noch zu viele Fragen offen." Der Bieterkampf zwischen dem österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna und dem belgischen Finanzinvestor RHJI geht somit in die nächste Runde.

Grund für die neuerliche Verzögerung ist offenbar, dass GM weitere Informationen von der Bundesregierung über die Finanzierung der Opel-Übernahme erbeten hat. Dabei gehe es insbesondere um das Angebot von RHJI, für das die Bundesregierung bislang keinen Finanzierungsvorschlag bereitgestellt hat. Bereits Anfang kommender Woche könnten die Gespräche darüber fortgesetzt werden. Eine mit der Sache vertraute Person gab sich aber zuversichtlich: "Die offenen Punkte können sicherlich geklärt werden".

Aus Berlin gab es zu den Neuigkeiten aus Detroit keinen Kommentar. Aus Regierungskreisen hieß es lediglich, die erneute Verzögerung sei "bedauerlich". Insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg hatten noch am Freitag auf eine rasche Entscheidung gedrängt und sich dabei nochmals klar für das Konsortium um den Autozulieferer Magna ausgesprochen. Um GM zu einer Entscheidung pro Magna zu drängen, hatten sich Bund und Länder sogar dazu bereit erklärt, die Staatsgarantien für Kredite in Höhe von 4,5 Milliarden Euro an Opel zunächst allein, also ohne Unterstützung anderer europäischer Opel-Staaten, zu stemmen.

Doch zwecklos, der GM-Verwaltungsrat spielt auf Zeit – und ist zerstritten. Besorgnis herrscht in dem Gremium über die langfristigen Folgen der Entscheidung. Dabei geht es um Patente, Technologien, Märkte und um viel Geld.

Sollten die Amerikaner etwa Magna den Zuschlag erteilen, so behielten sie nur einen Minderheitsanteil an Opel und verlören den Einfluss auf Modellpolitik, Produktionsverfahren und Vertrieb. Doch darauf ist Detroit dringend angewiesen. Ohne die Patentrechte aus Rüsselsheim und das Know-how der deutschen Ingenieure dürfte es GM sehr schwer haben, sich auf den immer härter umkämpften Märkten durchzusetzen. Sorgen bereitet so manchem GM-Manager auch die Kooperation Magnas mit der russischen Sberbank. Befürchtet wird ein unkontrollierter Technologieabfluss durch die Weitergabe von Nutzungsrechten auf GM-Patente an russische Autohersteller.

So ist es kein Wunder, dass der Finanzinvestor Ripplewood mit seinem belgischen Tochterunternemen RHJI als Favorit für GM gilt. Vizechef John Smith bezeichnete RHJI denn auch freimütig als den "unkomplizierteren Vertragspartner". Dessen Angebot sei sehr attraktiv und einfacher umzusetzen als jenes von Magna. Doch diese Lösung würde den Autokonzern sehr viel Geld kosten, da die Milliarden aus Berlin nur dann fließen, wenn nicht RHJI, sondern Magna der neue Besitzer von Opel wird. Das haben sowohl die Spitzen der Regierung in Berlin als auch die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Opel-Standorten immer betont.

Wegen der monatelangen Hinhaltetaktik kommt als dritte Lösung auch wieder eine Insolvenz ins Spiel. Dann wäre GM alle Verbindlichkeiten von Opel los und müsste sich nicht mit der Bundesregierung einigen. Allerdings müsste der Konzern den Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro zurückzahlen.

Unter Autoexperten sind die beiden Angebote im Übernahmepoker um Opel umstritten. "Es ist nicht entscheidend, ob Magna oder RHJI den Zuschlag bekommt», sagte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft. Entscheidend für Opel werde sein, ob man weiter technologisch mit GM zusammenarbeiten könne. "Denn Opel ist alleine zu klein, um zu überleben, egal, ob mit Magna oder RHJ International - beides wird nicht gut gehen." Der Autoexperte Stefan Bratzel sagte, er halte beide Kandidaten langfristig nur für Übergangslösungen. Am Ende müsse ein größerer Autohersteller eng mit Opel kooperieren oder gar einsteigen.

Die Enttäuschung ob der Verzögerung ist auch bei den 25.000 deutschen Opel-Arbeitern groß. Der Ex-Mutterkonzern müsse seine Verantwortung endlich übernehmen, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz. Nur so könne die Zukunft für Opel und die rund 54.000 Beschäftigten in Europa gesichert werden. "Mit der Unentschiedenheit von GM ist die Geduld der Beschäftigten am Ende". Wie die Bundesregierung hat sich auch der Opel-Betriebsrat stets für Magna als zukünftigen Opel-Besitzer stark gemacht, auch weil der Autozulieferer weit weniger Arbeitsplätze abbauen will als RHJI.

Das letzte Wort beim Opel-Verkauf hat aber nicht der angeschlagene Autoriese aus Detroit, sondern die Opel-Treuhand. Sie überwacht den Verkauf des Autobauers und muss ihn letztlich auch absegnen. Von fünf Mitgliedern des Gremiums stellen Bund und Länder jeweils eines; zwei kommen von GM, der Vorsitzende Fred Irwin gilt als unabhängig. Trotz der Unentschiedenheit des GM-Verwaltungsrats bereiten sich die Opel-Treuhänder auf eine Sitzung in der kommenden Woche vor.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters 22.8.2009

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