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Wirtschaft: Grüner Sprit

Der Bioethanol-Hersteller Crop Energies legt einen schwachen Börsenstart hin. Die Branche setzt aber weiter auf Expansion

Berlin - Jürgen Böttcher ist schon „unter dem Zuckerturm aufgewachsen“, wie er sagt. So gesehen ist der 45-Jährige nicht weit gekommen im Leben. Auf der anderen Seite der kleinen Straße wacht noch immer eine Zuckerfabrik, nur dass die statt in Nordgermersleben, ganz im Norden von Sachsen-Anhalt, nun weiter südlich in Zeitz steht. Aber in der Luft liegt nicht mehr der Geruch von Rübenschnitzeln, sondern das Röstaroma von Getreide, das zu Biosprit verarbeitet wird. Und Böttcher ist der Geschäftsführer der größten Bioethanol-Anlage Europas geworden. „Für mich ist das spannender als Zucker“, sagt er. Crop Energies heißt das dazugehörige Unternehmen, das genau wie die Zuckerfabrik gegenüber zum Südzucker-Konzern gehört.

Am Freitag ist der Biosprit-Hersteller, an dem Südzucker weiterhin 71 Prozent hält, an die Börse gegangen. Mit den Einnahmen von rund 200 Millionen Euro aus einer Kapitalerhöhung sollen weitere Produktionsanlagen finanziert werden, in Deutschland, Belgien, Frankreich und Ungarn. Zum Start auf dem Parkett wurde vor der Frankfurter Börse ein Weizenfeld samt Zapfsäule aufgebaut. Den Kurs beflügelte die Werbemaßnahme jedoch nicht. Die Aktien von Crop Energies wurden für acht Euro je Stück verkauft, doch im Handelsverlauf blieb der Kurs immer darunter. Vorstandschef Lutz Guderjahn sieht die Zukunft des Unternehmens zwar optimistisch, zeigte sich aber von der Kursentwicklung enttäuscht. „Wir hätten uns höhere Kurse gewünscht“, sagte er.

Der Markt für Biokraftstoffe wird trotzdem schnell größer. Crop Energies erwartet allein für Bioethanol, das aus Getreide oder Zuckerrüben hergestellt und dann ganz normalem Benzin beigemischt wird, bis 2010 jährliche Wachstumsraten von 30 bis 50 Prozent. Grund für den Optimismus ist eine Entscheidung der Europäischen Union, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, den Anteil von Biokraftstoffen am Kraftstoffverbrauch bis 2010 von jetzt einem auf 5,75 Prozent zu erhöhen. Das soll die Abhängigkeit von Rohölimporten und die CO2- Emissionen senken sowie den Landwirten neue Absatzwege erschließen. In Deutschland bleibt Bioethanol zudem bis auf Weiteres steuerfrei, außerdem plant die Bundesregierung ab 2007 einen Beimischungszwang für grünen Sprit. Das ist der Grund, warum die Unternehmen so erpicht darauf sind, an der Börse schnell Kapital für den Ausbau ihrer Anlagen einzusammeln.

„Das Umfeld ist positiv“, sagt Geschäftsführer Böttcher. „Der Börsengang bietet uns die Chance, unseren nationalen und internationalen Kapazitätsaufbau zu finanzieren und damit unser Ziel zu verwirklichen, im Wachstumsmarkt Bioethanol bis 2009 an der Spitze Europas zu stehen.“ Die Konkurrenten haben ähnliche Pläne. Am Montag hat BDI Diesel, ein Hersteller von Anlagen zur Produktion von Biodiesel, den Gang aufs Parkett gewagt, der Biokraftstoffproduzent Verbio will am 11. Oktober nachziehen – und so 200 bis 300 Millionen Euro einsammeln.

Derweil hat Nordzucker gerade in Klein Wansleben, nicht allzu weit von Zeitz, den ersten Spatenstich für ein neues Bioethanolwerk gesetzt. „Ich rechne damit, dass weitere Anfragen kommen“, sagte Reiner Haseloff, der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, dem Tagesspiegel. Dass die meisten Firmen in Mitteldeutschland entstehen, ist kein Zufall: Es ist das größte Anbaugebiet für Weizen und Zuckerrüben in Deutschland. Die Nähe zum Rohstoff senkt die Transportkosten. Auch von den 700 000 Tonnen Weizen, die Crop Energies im Jahr verarbeiten kann, kommen 80 Prozent aus Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Für die Rübenbauern, die noch immer die Mehrheit an Südzucker halten, kommt der Beimischungszwang gerade zur rechten Zeit. Weil die EU ihre Zuckermarktordnung reformiert hat, dürfen sie ihren überschüssigen Zucker künftig nicht mehr auf dem Weltmarkt verkaufen. Sie müssen sich nach Alternativen der Verarbeitung wie Biosprit umsehen, der dann überwiegend an die Mineralölindustrie weiterverkauft wird. „Der Biokraftstoffmarkt ist auf jeden Fall ein Wachstumsmarkt“, sagt Arndt Krakau, Analyst der HSH Nordbank, dem Tagesspiegel. „Die große Frage ist aber, wie sich die Nachfrage entwickelt und ob die Biokraftstoffe langfristig zu einem Kosten und Margen deckenden Preis abgesetzt werden können.“ Das hängt unter anderem von der Entwicklung des Rohölpreises ab, die schwer vorherzusagen ist. Die Unternehmensberatung Meó Consulting hat ausgerechnet, dass der grüne Treibstoff erst dann ohne Subventionen wettbewerbsfähig wird, wenn der Preis je Barrel Öl (159 Liter) über 90 Dollar steigt. Derzeit schwankt er zwischen 60 und 70 Dollar.

Crop Energies führt wiederum als Geschäftsrisiko in seinem Börsenprospekt die öffentliche Förderung von Bioethanol durch die Beimischungsverpflichtung sowie Importe aus Ländern auf, die Bioethanol günstiger herstellen können. Derzeit drohe aber keine Gefahr, heißt es. Gegen Importe der weltweit größten Bioethanolhersteller Brasilien oder USA sind die europäischen Hersteller durch Zölle geschützt. Crop Energies rechnet in den kommenden Jahren daher optimistisch mit deutlich zweistelligen Zuwächsen beim Umsatz und einem überdurchschnittlichen Gewinnwachstum.

Dabei hat vor allem die Mineralölindustrie ein Interesse daran, den Beimischungszwang zu verhindern. Die Benzinlobby sorgt sich um den Absatz und steigende Kosten durch die verordnete Beimischung. „Wir haben in Europa schon einen Überschuss an Benzin“, sagt Barbara Meyer-Bukow, die Sprecherin des Mineralölwirtschaftsverbandes.

Und dann kommt noch die Skepsis an der Börse. Doch Crop-Energies-Geschäftsführer Böttcher lässt sich trotzdem nicht nervös machen. An die Pinwand seines Büros hat er einen Chart mit zwei Linien gehängt, die steil nach oben zeigen. Die rote Kurve gibt vor, wie viel Biosprit er produzieren muss, die blaue zeigt, was er schon geschafft hat. „Das ist meine wichtigste Kurve“, sagt Böttcher. „Erst wenn die blaue Linie über der roten ist, bin ich mit meiner Arbeit zufrieden.“ Der Aktienkurs werde sich dann schon fügen, meint er.

Maren Peters

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