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Wirtschaft: Gute Stimmung im Eiltempo

Gerhard Schröder düst drei Stunden lang über die Cebit/Interesse für die Künstler

Hannover. Es fängt vielversprechend an. Als erstes darf der Kanzler in ein Auto steigen. Anders als auf Automobilausstellungen, auf denen sich Gerhard Schröder wohl eher zu Hause fühlt, geht es hier aber nicht um das, was der Wagen unter der Motorhaube hat, sondern die Software, die IBM in den Wagen gepackt hat. Zum Beispiel den freundlichen Stauassistenten, mit dem er direkt aus dem Wagen heraus verbunden wird und der ihn auf dem schnellsten Weg von seinem Standort in Halle 1 des Messegeländes in Hannover ins Kanzleramt lotsen könnte. Der Kanzler aber hat andere Pläne für heute. Er will die gute Stimmung entdecken, die jetzt angeblich in den Hightech-Branchen wieder aufkeimt, er will die Innovationen sehen, die er sich von der Industrie wünscht.

Und weil Schröder auf der Hinfahrt im Stau stand, ist es jetzt schon 8.30 Uhr. Der Schröder-Tross hängt dem Zeitplan schon eine Viertel Stunde hinter her. Es ist Eröffnungstag, und während die Masse der Besucher noch in Richtung Cebit strebt und die Zufahrtswege verstopft, wird an den Ständen noch gesaugt, Tische werden herumgetragen. Die mehr als 50-köpfige Begleitung des Bundeskanzlers bringt die letzten hektischen Aufbauarbeiten durcheinander.

Gleich beim zweiten Stand begegnet Schröder das Thema Nummer drei auf diesem Rundgang nach Aufschwung und Innovation: Toll Collect. „Sie sind auch dabei“, fragt Schröder den Sun-Deutschlandchef überrascht. Sun-Server sollen künftig die Daten für die Lkw-Maut verarbeiten, erklärt der Manager. „Auf der nächsten Cebit stehen Sie mir Rede und Antwort“, droht der Kanzler gut gelaunt. Schröder besucht Sony, Debitel und Arcor. Bei SAP wird er neugierig, hier zeigt man ihm ein System zur elektronischen Aktenverwaltung. Ihn fasziniert ganz offensichtlich die Möglichkeit, sich den genauen Aufenthaltsort einer Akte als einen blauen Punkt auf einem Raumplan anzeigen zu lassen. Der Blaue Punkt und mit ihm die Akte in der Hand einer Mitarbeiterin bewegen sich auf den Kanzler zu – das ist ganz offensichtlich eine Anwendung, die ihm sehr nützlich vorkommt.

Etwa zehn Minuten hat Schröder jeweils für eine Station und den Weg zur nächsten. Zwischendurch bleibt Zeit für ein kurzes Statement: Im letzten Jahr sei die Stimmung auf der Cebit wesentlich schlechter gewesen, sagt er. Dabei kann es ihm bei dem Eiltempo kaum gelingen, die Stimmung zu erfassen. Am Stand der Deutschen Telekom in Halle 26 trifft Schröder auch seine Frau Doris Schröder-Köpf. Hier nimmt Schröder die neue Musikplattform der Telekom, mit der man Musik legal aus dem Internet herunterladen kann, in Betrieb. Doch er zeigt mehr Interesse an den anwesenden Künstlern wie etwa Sängerin Kate Ryan, als an dem Song aus dem Netz. Natürlich kommt er hier nicht weg, ohne ein Wort zur Maut zu sagen. „Das ist eine Frage der Ehre“, sagt er, dass die deutsche Industrie diese Herausforderung bewältigt. Dafür bekommt er Applaus.

Ein Geschenk von Siemens

Welche Herausforderung Siemens-Chef Heinrich von Pierer ihm mit auf den Weg gegeben hat, ahnt der Kanzler wohl noch nicht. Schröder, der immer zu Innovationen mahne, führe selbst Handys mit sich, die nicht auf dem Stand der Technik sind. „Das ärgert mich“, sagt von Pierer und drückt dem Kanzler ein neues Siemens-Handy in die Hand. Acht Stunden haben Testkunden gebraucht, um mit dem neuen Handy so schnell wie mit dem alten zu sein, verrät ein Siemens-Mitarbeiter hinterher.

Das einzig wirklich unbekannte Unternehmen, das Schröder während seines dreistündigen Rundgangs besucht, produziert 3D-Bildschirme und die dazugehörige Software. Hier bekommt er ein Produkt zu sehen, dass man tatsächlich schon kaufen kann, sagt X3D-Geschäftsführer Bernd Riemann. Mit einem verblüfften Hochziehen der Brauen reagiert der Kanzler: Die Tatsache, dass das sich auf dem Bildschirm überschlagende vierrädrige Motorrad aus dem Bildschirm auf ihn zuzufliegen scheint. Natürlich sei es sehr wichtig für die Firma aus Jena, dass der Kanzler sie besuchen kommt, sagt Riemann später. Aufmerksamkeit sei immer gut. Riemann hofft auf Geschäfte. Natürlich sei es spürbar, das die Stimmung in der Branche besser wird. „Durch die starke Nachfrage aus dem Ausland“, fügt Riemann allerdings hinzu. „In Deutschland ist nichts los, das können sie abhaken. Hier investiert keiner“, sagt Riemann. Doch da ist der Bundeskanzler schon weg.

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