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Opel-Treffen im Kanzleramt: Guttenberg kanzelt Amerikaner ab

Der Supergipfel entpuppt sich am Ende als Fehlschlag: Washington entsendet einen drittklassigen Vertreter, GM will plötzlich mehr Geld – für die deutsche Regierung absurdes Theater.

Am frühen Donnerstagmorgen um 4:35 Uhr treten Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zusammen mit Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) vor die Presse und verkünden – nichts. Nach einem gut elfstündigen Gesprächsmarathon, bei dem Bund, Länder sowie potenzielle Investoren und Vertreter der US-Regierung im Kanzleramt über die Zukunft von Opel diskutierten, konnten die drei kein Ergebnis vorweisen. Nun hofft man auf einen neuen Anlauf am kommenden Freitag.

"Ein gewagtes Spiel mit zu vielen Unbekannten", zog ein Verhandlungsteilnehmer schließlich das Fazit. Und auch Guttenberg bemerkte süffisant: „Wir haben eine bemerkenswerte Nacht hinter uns.“ Überrascht wurden alle von der Botschaft der US-Regierung, man könne dem von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro nun doch leider nicht zustimmen. Damit wurde auch das Treuhandmodell und damit die entscheidende Weichenstellung für die Übernahme Opels durch einen Investor Makulatur. Die Rettung des Autobauers liegt auf Eis, und die deutschen Politiker lassen keinen Zweifel, bei wem sie die Schuld sehen: beim Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) und beim amerikanischen Finanzministerium.

Dieses schickte einen Verhandlungsvertreter ohne wirkliche Vollmachten. Immer wieder musste die Sitzung unterbrochen werden, damit der Mann mit seinen Vorgesetzten in Washington Rücksprache halten konnte. Die Regierungsmitglieder glaubten sich in einem "absurden Theater". Ständig herrschte ein emsiges Kommen und Gehen in den Verhandlungszimmern, ohne dass sich über Stunden etwas zu bewegen schien. Viele hielten sich an Rotwein und belegten Brötchen, Fiat-Chef Sergio Marchionne trat immer wieder zum Rauchen vor das Portal des Kanzleramts. 

Merkel, Guttenberg und Steinbrück können sich bereits während der Debatten erste Anzeichen der Empörung und der Resignation nicht verkneifen. Und als die beiden Minister samt Koch vor die Presse treten, werden sie deutlich. Finanzminister Timothy Geithner hätte doch "etwas mehr Mühe auf die Auswahl seiner Vertreter" verwenden können, sagt Guttenberg. Auch Koch spricht von einer "nicht gerade sehr hilfreichen Verhandlungsweise der amerikanischen Seite". Am Ende half nur eine Videokonferenz direkt mit den Experten in Washington.

Überraschend kam eine neue Millionen-Forderung

Für weiteres Ungemach sorgten dann neue Forderungen aus Detroit: GM meldete völlig überraschend einen zusätzlichen Finanzbedarf von 300 Millionen Euro an - über die anvisierten 1,5 Milliarden Euro für den Überbrückungskredit hinaus. Doch die will der Bund keinesfalls auch noch übernehmen, wie die drei deutschen Unterhändler klarmachen. Für Steinbrück ist die Haltung der GM-Emissionäre schlichtweg "eine Zumutung". Und sein Ministerkollege Guttenberg wünscht sich "mehr Ernsthaftigkeit und mehr Entgegenkommen auch von der amerikanischen Seite".

Auch wenn sie in der Frage der Schuldigen einig sind, Union und SPD fochten auch während des Spitzentreffens ihren Streit über eine eventuelle Insolvenz von Opel unbeirrt fort. Im Morgengrauen sprach Guttenberg davon, dass dieser Weg immer noch möglich ist, sollten die Probleme nicht gelöst werden. Steinbrück, der neben seinem Kabinettskollegen stand, schnappte nach Lauft und sagte dann: "Man muss sich vordringlich am Gelingen einer Lösung orientieren, nicht schon vorher am Scheitern." Schon zuvor, am Tor des Kanzleramtes, hatte Arbeitsminister Olaf Scholz gejammert, es gebe da den einen oder anderen, "mindestens ein Ministerium", das die Pläne der Opel-Interessierten madig mache, der sie als nicht tragfähig abqualifiziere, was "schlicht falsch" sei.

Zumindest in puncto Investoren konnte die Runde eine Entscheidung fällen: Der US-Investor Ripplewood ist aus dem Rennen. Nun sollen Fiat und Magna ihre Konzepte nochmals nachjustieren. Bis zum Freitagmittag sollen sie ihre Pläne erneut vorlegen, dann will man zu einem neuen Gipfel zusammenkommen. "Wir wollen am Ende des Tages ein Konzept sehen, das trägt", sagte Guttenberg. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass die Überbrückungsbürgschaft weitgehend risikofrei sei für die Steuerzahler.

Bis "Freitag 14 Uhr unserer Ortszeit", sagte Koch, soll dann auch die US-Regierung alle offenen Fragen klären. "Wir haben die Amerikaner gebeten, das zu entwirren." Während Deutschland vor dem Eingehen finanzieller Verpflichtungen die offenen Fragen klären wolle, wolle die US-Seite erst eine Finanzierung und dann das Weitere klären. "Dieser Dissens ist das, was uns am meisten beschäftigt", sagte Koch. "Wenn man eine Brücke finanziert, ohne dass man weiß, dass sie ans andere Ende des Tals führt, dann landet sie im Abgrund." Dafür habe das US-Finanzministerium "kein rechtes Bewusstsein" erkennen lassen.

ZEIT ONLINE

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