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Wirtschaft: Hasspredigt im Namen des Herrn

Ein schwedischer Pfarrer, der Schwulsein als Krebsgeschwür geißelt, bringt eine ganze Nation in Rage

An einem schönen Sonntag im Sommer 2003 erklomm Reverend Ake Green, ein Prediger der Pfingstbewegung, die Kanzel einer kleinen Kirche im südschwedischen Dorf Borgholm. Dort hielt der 63-jährige Kirchenmann eine flammende Rede gegen die Homosexualität. Sie sei „ein tiefes Krebsgeschwür, das die ganze Gesellschaft durchdrungen habe“, wetterte er – und verurteilte damit gleichzeitig den Plan der schwedischen Regierung, homosexuelle Partnerschaften zu legalisieren.

„Unser Land steht vor einem Desaster riesigen Ausmaßes“, warnte Green seine 75 Zuhörer. Sexuell fehlgeleitete Menschen würden Tiere vergewaltigen, Homosexuelle die Tür zu verbotenen Zonen wie der Unzucht mit Kindern aufstoßen.

Mit diesen Worten, die die örtliche Lokalzeitung abdruckte, hatte Green gegen die in Schweden sehr strenge Gesetzgebung gegen Hasspredigten verstoßen. Er wurde festgenommen, verurteilt und zu 30 Tagen Haft verurteilt. Weil er in die Berufung ging, musste er aber vorerst nicht ins Gefängnis.

Der Fall hat eine Debatte über die Auslegung der schwedischen Gesetze ausgelöst. Während viele Gruppen in dem Land, einschließlich Politikern und Schwulen, den Pfarrer als intoleranten Spinner beschimpfen, haben sich andere auf seine Seite geschlagen. Dazu gehören auch Mitglieder der Christdemokratischen Partei. Sie argumentieren, dass die gleiche Regierung, die die Rechte von Minderheiten sonst eifrig schützt, den Pfarrer jetzt verfolgt, nur weil er von seinem Recht auf freie Rede- und Religionsfreiheit Gebrauch gemacht habe.

Green hat auch Anhänger in den USA. Reverend Rob Schenck, Präsident des nationalen Kirchenrats, einem landesweiten Netzwerk aus 5000 konservativen christlichen Führern mit Sitz in Washington, sagte, der Fall sei für die christliche Rechte ein Präzedenzfall. „Ich habe die Sorge, dass wir in den USA in die gleiche Richtung steuern.“ Die Kriminalisierung einer solchen Meinungsäußerung in einem modernen Staat sei alarmierend.

Green – groß und schlank mit dünnem, weißem Haar – sagt, er sehe sich nun als Kämpfer für die Redefreiheit, obwohl dies nie seine Absicht gewesen sei. Falls das Berufungsgericht das Ersturteil bestätige, „wird das die Redefreiheit in Schweden einschränken. Es würde bedeuten, dass wir nicht lehren dürfen, was in der Bibel steht“, erklärte er einem Interview. „Sie werden noch weiter gehen und uns noch mehr Dinge zu sagen verbieten.“

Am vorvergangenen Mittwoch versammelten sich rund 200 Menschen vor dem Gerichtsgebäude der südschwedischen Stadt Jönköping, um während der ersten Anhörung für Green zu demonstrieren. Viele von ihnen waren Homosexuelle, die erklärten, nicht einverstanden zu sein mit dem, was er gesagt hatte. Aber sie wollten sein Recht verteidigen, es sagen zu dürfen.

Greens Fall hat die Aufmerksamkeit des Landes auf einen Regierungsbeschluss aus dem Jahr 2002 gelenkt. Danach soll das lange bestehende Gesetz gegen Hasspredigten ausgeweitet werden auf Aussagen gegen Schwule und Lesben. Kritiker des Entwurfs sagen, dass die Worte des Pastors zwar hasserfüllt und extremistisch gewesen sein mögen. Das Gesetz habe aber nie für das gelten sollen, was ein Prediger von der Kanzel herab sagt. Anders sehen das die Befürworter. Ihrer Meinung nach hält das Gesetz Leute davon ab, Intoleranz gegenüber Schwulen und Lesben zu verbreiten. „Green benutzt seine Religion nur, um schlecht über Schwule und Lesben zu sprechen“, meint Sören Andersson, Präsident der schwedischen Föderation für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen. „Wenn man sich seine Rede ansieht und statt des Wortes ,Schwule’ das Wort ,Juden’ einsetzt, gewinnt man ein anderes Bild. Ich denke nicht, dass es okay ist, solche Dinge über Juden zu sagen. Aber wenn es um Schwule und Lesben geht, soll es okay sein? Warum? Es geht um Menschen. Es geht um lebende Menschen, die ohnehin sehr schlecht behandelt werden.“

In dem Interview sagte Green, er habe persönlich nichts gegen Homosexuelle. „Ich predige nur die christliche Liebe. Ich spreche mit Gottes Worten. Als ein Prediger habe ich die Pflicht, zu sagen, was in der Bibel steht. Ich habe die Pflicht, darüber zu sprechen, wenn jemand nicht nach der Bibel lebt.“

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Citigroup), Maren Peters/Anselm Waldermann (Schweden), Matthias Petermann (Dienstleistungen), Christian Frobenius (Studiengebühren) und Tina Specht (Irakwahl).

Keith B. Richburg, Alan Cooperman[Stockholm]

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