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Nette Unterstützung.

© picture alliance / dpa

Wirtschaft: Helfende Hand

Der Beruf des Altenpflegers ist besser als sein Ruf. Wegen der großen Nachfrage gibt es auch mehr Geld: Das Einstiegsgehalt liegt heute bei etwa 2300 Euro.

Schichtdienst, hohe körperliche und psychische Belastung, kein besonders gutes Einkommen – seinem Image nach ist der Beruf des Altenpflegers wenig attraktiv.

Katarzyna Orlik hat sich dennoch dafür entschieden. Nach einem Praktikum absolvierte die gebürtige Polin zunächst einen Lehrgang zur Pflegeassistentin. Danach ließ sie sich vier Jahre berufsbegleitend zur Altenpflegerin ausbilden. Im Anschluss sattelte sie noch eine zweijährige Weiterbildung zur „leitenden Pflegefachkraft“ auf. Inzwischen ist sie als Pflegedienstleiterin in der Wohnanlage Katharinenhof verantwortlich für fast hundert Mitarbeiter und rund 125 Senioren.

Seit elf Jahren ist sie dabei – und arbeitet immer noch gern in der Branche. „Der Beruf ist sehr vielfältig und abwechslungsreich, man hat viel Kontakt zu Menschen“, sagt Orlik. An ihrem Job schätzt sie auch, dass er so viele Entwicklungschancen bietet. Und dass er relativ sicher ist.

Tatsächlich müssen sich Altenpfleger in der Regel keine Sorgen um einen Arbeitsplatz machen. In Berlin wie bundesweit herrscht Pflegenotstand. Derzeit gibt es in der Hauptstadt nach Angaben der Agentur für Arbeit 1120 offene Stellen im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen. Das sind 11,3 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Auch für Berufseinsteiger sieht die Lage gut aus. „Unsere Absolventen finden leicht einen Arbeitgeber. Oft haben sie sogar die Wahl zwischen mehreren“, berichtet Jörg Peter, stellvertretender Schulleiter der Berufsfachschule für Altenpflege IFAG.

Im Mittelpunkt des Berufsalltags steht die Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger alter Menschen. Altenpfleger unterstützen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, bei der Körperpflege, beim Essen oder Anziehen, und sind für die Planung der Pflege zuständig. Sie dokumentieren Medikamentenvergaben, informieren Angehörige über besondere Vorkommnisse und helfen bei der Tagesgestaltung. Sie organisieren Ausflüge, Bastelstunden und Singabende.

Während der dreijährigen Vollzeit-Ausbildung stehen 2500 Stunden Praxis in einer Pflegeeinrichtung auf dem Programm und rund 2100 Stunden theoretischer Unterricht. Die Teilnehmer lernen die medizinischen Aspekte der Pflege und psychologische Grundlagen etwa der Gesprächsführung. Auch der Umgang mit Sterben und Tod wird thematisiert. Ständig damit konfrontiert zu werden, kann auf Dauer sehr belastend sein. „Deshalb ist es wichtig, mit den Kollegen über seine Gefühle zu sprechen, auf sich selbst zu achten und sich stets zu fragen ‚Wie geht es mir dabei?’“, sagt Orlik. In ihrer Einrichtung setze sich das Team der Altenpfleger regelmäßig zusammen und versuche, gemeinsam diejenigen zu unterstützen, die an ihre Grenzen stoßen.

Auch die physischen Anforderung im Job sind hoch. Altenpfleger müssen Bedürftige heben und stützen. Das kann zulasten des Rückens und der Kniegelenke gehen. Während der Ausbildung lernen die Teilnehmer daher die richtige Hebetechnik und werden dafür sensibilisiert, auf ihre eigene Gesundheit zu achten.

Dennoch sollte jeder, der Altenpfleger werden will, vorher durch ein Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr in den Beruf hineinschnuppern, rät Beate Swoboda von der Berufsfachschule Sozialpädagogisches Institut Berlin. Nur so stelle man fest, ob man mit den Belastungen klar komme. „Der Beruf eignet sich auch für Quereinsteiger, etwa Frauen, die nach der Babypause eine neue Herausforderung suchen“, sagt Swoboda. Die älteste Absolventin ihrer Schule war 57 Jahre alt, als sie die Prüfung bestand.

Durch das große Stellenangebot hätten sich auch die Verdienstchancen leicht verbessert, sagt IFAG-Schulleiter Peter. Das Brutto-Einstiegsgehalt liege jetzt bei circa 2300 Euro. Früher seien es eher 2000 Euro gewesen. Auch eine Studie der Fachhochschule Münster kommt zu dem Schluss, dass das Einkommen in der Branche nicht so schlecht ist wie sein Ruf. Im Schnitt 2500 Euro Brutto erhielten Kranken- und Altenpfleger nach mehrjähriger Tätigkeit, ohne Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste – während Fachkräfte im Büro oder in Arztpraxen oft nur rund 2000 Euro verdienten.

Trotzdem ist es kein Geheimnis, dass es in der Pflegebranche an Geld mangelt und die Arbeitsbedingungen in vielen Heimen alles andere als gut sind. Oft ist die Zeit, die ein Pfleger pro Bewohner aufwenden kann, sehr knapp bemessen. „In der Regel wird nur die reine Pflegezeit berechnet. Zeit, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, bleibt da kaum“, sagt Jörg Peter von der IFAG-Schule.

Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Pflegeeinrichtungen. Um einen guten von einem schlechten Arbeitgeber zu unterscheiden, rät Orlik, dem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen: „Man merkt sofort, wenn man ein Heim betritt, ob sich die Bewohner dort wohlfühlen.“ Schon beim Bewerbungsgespräch sollte man auf die Atmosphäre achten. Gehen die Mitarbeiter freundlich und respektvoll mit den Senioren um? Sind die Räume sauber und ansprechend dekoriert? Wird das Essen frisch zubereitet? Auch eine hohe Mitarbeiterfluktuation weise darauf hin, dass ein Heim nicht gut funktioniere, sagt Schulleiter Peter. Eine weitere Orientierung auf der Suche nach einem guten Arbeitgeber sind die Bewertungen, die der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) jedes Jahr nach einer Qualitätsprüfung an Pflegeeinrichtungen vergibt.

Trotz aller Anstrengungen kann der Beruf sehr erfüllend sein. „Man bekommt viel von den Bewohnern zurück: Dankbarkeit und eine breite Lebenserfahrung, die man in keinem Buch nachlesen kann“, erzählt Orlik. Auch ältere Menschen hätten noch Träume. Ihre Aufgabe sieht sie darin, ihnen zu helfen, sie zu verwirklichen. Und sei es nur, indem sie eine gehbehinderte 85-jährige Dame in die Parfümabteilung des Kadewe begleitet, in der sie sich früher so gerne aufgehalten hat.

Sina Krambeck

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