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Wirtschaft: Herzog-Vorschläge spalten die Union

Konzept der Reformkommission beim Arbeitnehmerflügel umstritten/DGB spricht von „Rürup plus“

Berlin (alf/bib/pet). Die Vorschläge der HerzogKommission zur Reform der Sozialsysteme reißen in der Union die alten Gräben zwischen Sozial- und Wirtschaftsflügel wieder auf. Die Vertreter des Arbeitnehmerflügels in der Kommission sind insbesondere mit Vorschlägen für die Renten- und Gesundheitspolitik unzufrieden. Der Chef der Regierungskommission, Bert Rürup, bezweifelte die Finanzierbarkeit des Konzeptes für die Kranken-, Renten-, und Pflegeversicherung. „Eine fundierte Berechnung und ein nachhaltiges Finanzierungstableau fehlen “, sagte Rürup.

Als „Rürup plus“ bezeichnete die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer das Herzog-Papier. Der Abbau von Sozialleistungen werde forciert, „man fragt sich, was das Ganze soll“, sagte Engelen-Kefer dem Tagesspiegel. Die Vorschläge der Kommission würden aber einen Hinweis darauf geben, „wohin Teile der CDU offenbar gehen wollen, nämlich weg von den solidarischen Sozialversicherungssystemen in Richtung Privatisierung“.

Die Herzog-Kommission der CDU unter Vorsitz des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog spricht sich für tief greifende Einschnitte in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung aus. Ziel ist es, die Sozialabgaben, die zurzeit 42 Prozent des Bruttolohns ausmachen, dauerhaft unter 40 Prozent zu drücken. Dazu sollen etwa private Unfälle und Zahnbehandlungen künftig in Eigenvorsorge abgesichert und die von der Union eingeführte Pflegeversicherung in der jetzigen Form abgeschafft werden. In der Rentenversicherung sollen nur Versicherte, die 45 Jahre eingezahlt haben, eine abschlagsfreie Rente beziehen.

Arbeitgeber zurückhaltend

Mit den Vorschlägen geht die Herzog-Kommission weiter als die Rürup-Kommission. Von den Arbeitgebern gab es am Freitag keine Stellungnahme zu dem Herzog-Papier. Sowohl beim Bundesverband der deutschen Industrie als auch bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hieß es auf Anfrage, man müsse den Entwurf detaillierter studieren. In der Union könnten die Vorschläge zu neuem Streit führen. Die Differenzen liegen bei der Gesundheitspolitik auf dem Tisch. Während die Herzog-Kommission eine „Bürgerversicherung“ unter Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Krankenversicherung ablehnt, hat sich Fraktionsvize Horst Seehofer (CSU) für dieses Modell stark gemacht. Auch die CDU-Arbeitnehmerschaft CDA unterstützt den Kurs Seehofers, der in der CSU Vorsitzender der Schwesterorganisation CSA ist. Seehofer war, obwohl CSU-Mitglied, zu den Kommissionssitzungen eingeladen, aber zuletzt kaum noch erschienen. Die CDA war am Freitag nicht bereit, die Vorschläge der Herzog-Kommission zu kommentieren.

Der Ökonom Karl Lauterbach, Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), äußerte Zweifel an der Finanzierbarkeit der Herzog-Vorschläge. „Das ist der Versuch, das Gesundheitssystem durch die Kranken zu sanieren“, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel. Die Finanzprobleme könnten durch eine weitere Privatisierung von Kassenleistungen nicht gelöst werden. Außerdem sei nicht gewährleistet, dass jeder sich zu verkraftbaren Konditionen versichern könne. „Das ist unsolidarisch.“ Lauterbach: „Langfristig gibt es keine Alternative zur Bürgerversicherung.“

Altbundespräsident Herzog will die Ergebnisse der Kommission am Dienstag vorstellen. Die Konflikte dürften anschließend aufbrechen. So berät die CDU-Spitze am Montag über das Ergebnis, Anfang Dezember soll der CDU-Parteitag es beschließen.

Unklar ist auch noch, wie CDU und CSU mit den Ergebnissen der Herzog-Kommission umgehen. An einen Versuch, die Reformideen unmittelbar – etwa über Bundesratsinitiativen – in konkrete Gesetzentwürfe umzusetzen, ist nach Angaben aus Unionskreisen bisher nicht gedacht. Dabei wird darauf verwiesen, dass auch die Bundesregierung zu einer grundlegenden Reform des Gesundheitssystems bis zum Ende der Legislaturperiode nur Eckpunkte vorlegen will.

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