zum Hauptinhalt
Bewährungsprobe. Vattenfalls Biomasse-Experte Stefan Dusan will mit dunklen Holzpellets das Energiegeschäft revolutionieren.

© dpa

Neuer Brennstoff: Holz, als Kohle verkleidet

Mit einem neu entwickelten Brennstoff will Vattenfall das Klima retten – und sich selbst. Ein erster Test in Berlin verlief erfolgreich.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Zwei Dessertschälchen. Was darin liegt, sieht aus wie das Kraftfutter aus dem Kaninchenkäfig: Braune, zylinderförmige Stückchen, etwa zwei Zentimeter lang und sechs Millimeter dick. In der linken Schale sind sie dunkler als in der rechten. Stefan Dusan, Projektleiter Biomasse bei Vattenfall, kippt Wasser dazu. Nach 15 Minuten ist der Inhalt der rechten Schale ein einziger Brei – die dunkleren Stückchen jedoch scheinen unverändert. Dusan strahlt. Was banal aussieht, könnte für den Vattenfall-Konzern große Tragweite haben.

Veredelte Holzpellets, so bezeichnet man bei Vattenfall die dunklen Holzstückchen, eröffnen in der Produktion regenerativer Energien nämlich ganz neue Möglichkeiten. Durch Pressung hergestellt, weisen die dunkleren Pellets eine deutlich höhere Energiedichte auf. Sie sind deshalb nicht nur nahezu wasserfest, was das Lagern erleichtert. „Auch in ihren Transport- und Verbrennungseigenschaften kommen sie der Steinkohle sehr nah“, sagt Hans Dieter Hermes, Leiter der Biomasse-Entwicklung bei Vattenfall. Deshalb, so die Theorie, können die neuen Pellets in den Steinkohlekraftwerken des Unternehmens als klimafreundlicher Brennstoff mitverbrannt werden.

Der Innovationsdruck ist groß: Bis 2020 will die Bundesregierung den Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent erhöhen. Bislang gilt Vattenfall da als wenig vorbildlich, vielmehr als konservativer Verfechter der Kohleverbrennung. In einer Vereinbarung mit dem Berliner Senat hat sich das Unternehmen aber darauf festgelegt, seinen CO2-Ausstoß bis 2020 deutlich zu reduzieren. Europaweit lautet das Unternehmens-Ziel: Statt 90 Millionen Tonnen CO2 im Jahr nur noch 65 Millionen Tonnen Emissionen. Zehn Millionen Tonnen soll durch Biomasse eingespart werden.

Auf dem Lagerplatz vor dem Kraftwerk Moabit türmen sich neben polnischer Steinkohle deshalb schon seit 2010 auch Holzhackschnitzel aus Berlin. Sie werden regulär mitverbrannt, zwölf Prozent macht ihr Anteil aus. Allerdings funktioniert das nicht überall so einfach: Andere Anlagen können nicht einmal die herkömmlichen Pellets verarbeiten – die groben Holzfasern verstopfen die Mühlen. Wollte man die Hackschnitzel im großen Stil einsetzen, ergäbe sich ohnehin ein anderes Problem: „Langfristig müssten wir zur Vermeidung einer Nutzungskonkurrenz Holz aus dem Ausland beziehen“, erklärt Experte Dusan. „Da bräuchten wir aufgrund der Verbrennungseigenschaften für ein Schiff Kohle zehn Schiffe Holzhackschnitzel.“

Kein Wunder also, dass Vattenfall große Hoffnungen in die neu entwickelten Pellets legt, die man direkt dort, wo Holz abfällt, anfertigen lassen will, und von denen man statt zehn gerademal anderthalb Schiffe bräuchte. In der Leitwarte des Kraftwerks Reuter-West, wo Dusan seine Pellets präsentiert und der Test durchgeführt wird, beobachten die Mitarbeiter auf ihren Bildschirmen darum genau, was sich durch deren Zugabe verändert. „Nahezu nichts“ fasst eine Gutachterin zusammen. 20 Prozent der Steinkohle könnten problemlos durch Holzpellets ersetzt werden.

Pro Woche sind das immerhin 120 Megawattstunden nahezu klimaneutraler „grüner“ Strom, das reicht an die Leistung eines Offshore Windparks heran. „Theoretisch könnten wir den Anteil sogar ausweiten“, sagt Dusan. „Würde man in allen bundesdeutschen fossilen Kraftwerken zehn Prozent der Energie über einen solchen regenerativen Brennstoff erzeugen, ließen sich jährlich 28 Millionen Tonnen CO2 vermeiden.“

„Tatsächlich scheint das ein guter Weg zu sein – sofern er richtig beschritten wird“, sagt Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen. Entscheidend sei, wo die Biomasse herkommt: „Die Erzeugung muss nachhaltig sein. Weder Natur noch Mensch dürfen ausgebeutet werden.“ In der Kritik steht Vattenfall zur Zeit, weil der Konzern auch Holz aus Liberia bezieht – zu Lasten der Stromversorgung des Landes, wie insbesondere die Grünen befürchten. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, will Vattenfall auch vor Ort ein Biomasseheizkraftwerk errichten. „Bloß: Wer soll kontrollieren, ob dort nachhaltig gearbeitet wird?“, fragt Fell.

Bernd Geisen vom Bundesverband für Bioenergie (BBE) betrachtet die Pläne auch aus einem anderen Grund skeptisch: „Bisher werden nur hundertprozentige Bioenergieanlagen vom Staat gefördert. Sollte die Regierung dazu übergehen, auch Mischkalkulationen finanziell zu unterstützen, gerät die reine Bioenergie preislich ins Hintertreffen.“ Die Mitverbrennung in den herkömmlichen Kraftwerken der großen Konzerne dürfe nicht auf Kosten der umweltfreundlicheren Bioenergie kleinerer Betreiber gehen. „Wir haben mit unserem Test gezeigt, dass man mithilfe der energieverdichteten Holzpellets ohne großen Aufwand erhebliche Mengen CO2 einsparen kann“, hält Vattenfall-Sprecher Hönemann dagegen. „Jetzt ist die Politik gefragt.“

Noch ist der Einsatz für das Klima für Vattenfall lediglich ein Imagegewinn. Um 0,4 Cent teurer müsste man den Strom pro Kilowattstunde anbieten, sagt Vattenfall-Bioenergiechef Hermes, wenn seine Vision von flächendeckend zehn Prozent Biomasseanteil Wirklichkeit wird. Ab 2013 aber tun sich dem Konzern andere Möglichkeiten auf: Dann kann mit den eingesparten Treibhausgasen Emissionshandel betrieben werden.

Positioniert hat sich die Regierung zu einer eventuellen Förderung der Mischkalkulation noch nicht. In Berlin zumindest profitieren die Bezirksämter bereits von der Idee: Die Holzhackschnitzel, die in Moabit auf ihre Verbrennung warten, sind zu großen Teilen ihre Abfälle – angefallen bei Arbeiten des Gartenamts.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false