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Hospitanz: Praktikant Verheugen schnuppert Metallbau-Luft

62 Jahre alt, Vizepräsident der EU-Kommission - und Praktikant: Günter Verheugen ist mit Blaumann und Stempelkarte in den Metallbau gegangen, um "Unternehmenserfahrung" zu sammeln. Auch seine Kollegen sollen künftig ein Betriebspraktikum absolvieren.

Brandenburg/Havel - Drei Tage vor der Ankunft des berühmten Praktikanten wurde die Werkshalle noch einmal gründlich geputzt: Die Metallbau Windeck GmbH in Brandenburg an der Havel hat sich auf den Besuch von Günter Verheugen, den Vizepräsidenten der EU-Kommission, vorbereitet. "Selbst die Größe für Schutzkleidung und die Schuhe stimmen", sagte Geschäftsführer Klaus Windeck mit erfreuter Stimme. Am Montag trat der Sozialdemokrat aus Brüssel seine zweitägige Hospitanz in dem Metallbau-Unternehmen an und griff dabei auch selbst zu Fräse und Bohrer.

Er sei sich nicht zu fein für solche Arbeiten, sagte der 62-Jährige. Ziel des Praktikums sei es, "Unternehmenserfahrung" zu sammeln. Außerdem wolle er viele Gespräche über die Praxis der europäischen Verordnungen und Gesetze führen. Auch seine Kollegen sollen künftig Praxisluft schnuppern: bis 2009 müssen rund 350 Mitarbeiter der Generaldirektion Unternehmen und Industrie ein einwöchiges Praktikum in kleinen und mittleren Betrieben absolvieren.

"Wo sind die Ohrstöpsel?"

Mit Blaumann, Plastikschuhen und Stempelkarte ausgerüstet, zeigte sich Verheugen in der 2200 Quadratmeter großen Werkshalle stets interessiert: "Die gelben Ohrstöpsel, gibt es noch mehr davon?" Beim Scannen am Computer begrüßte er sich selbst freudig mit einem rheinisch gefärbten "Herzlich willkommen bei der Arbeit". Die rund 100 Mitarbeiter gaben sich bei Verheugens Ankunft professionell. "Wir sind sehr stolz", hieß es. Nur wenige monierten, dass zwei Tage, "doch ein wenig kurz" wären für ein Praktikum.

Seit mehr als 110 Jahren fertigt der Familienbetrieb in Brandenburg an der Havel Schaufenster, Türen und Wintergärten. Geschäftsführer Windeck beklagte, dass zu viele Restriktionen und Gesetze dem Mittelstand große Probleme bereiten. "Das europäische Gleichstellungsgesetz ist in einem Metallbetrieb nicht praktikabel", sagte der 65-Jährige. Nach dem Gesetz müsste er Frauen und Behinderte bevorzugt einstellen. Auch die Ausschreibungen, die ab einer bestimmten Größe, europaweit angeboten würden, seien ein Hemmnis. "Es dauert einfach zu lange, bis ein portugiesisches Unternehmen verstanden hat, was wir wollen", ergänzte sein Sohn Oliver Windeck, der bald die Leitung des Betriebes übernehmen soll. Außerdem sei das billigste Angebot nicht immer das Beste.

"Mut machen" mit Planspielen

"Ich weiß, wo kleinen Unternehmen der Schuh drückt", beruhigte Verheugen. Der studierte Politologe und Historiker hat schon viele Betriebe besichtigt. Für die Zukunft will sich Verheugen, der in Brüssel für Unternehmens- und Industriepolitik zuständig ist, für einfachere Gesetze stark machen. "Ich möchte, dass es Existenzgründer in Zukunft deutlich bequemer haben." Außerdem sollen schon Jungen und Mädchen zu Unternehmern erzogen werden. Mit Planspielen im Unterricht will er ihnen "Mut machen". (Von Stephanie Höppner, dpa)

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