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Wirtschaft: ICE-Projekt in Taiwan noch offen

BERLIN .Mit Jubelrufen hält sich Siemens noch zurück.

BERLIN .Mit Jubelrufen hält sich Siemens noch zurück.Obwohl aus Taiwan die Meldung durchgesickert ist, daß nun offenbar ein erster Vorvertrag für das milliardenschwere Hochgeschwindigkeitsprojekt mit dem Konsortium von Siemens und GEC Alsthom geschlossen werden soll, bleibt man in der Verkehrstechnik-Zentrale des Konzerns mit Kommentaren vorsichtig.Weder habe man eine konkrete Terminbestätigung aus Taipeh erhalten, noch sei damit schon eine endgültige Entscheidung für den Eurotrain, die Gemeinschaftsentwicklung von Siemens und Alsthom, gefallen, sagte Siemens-Sprecher Earnest Thompson.Im Gespräch sei derzeit nur der Vertrag über Bau und Betrieb der etwa 345 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke.Ob darauf dann der Eurotrain rollen wird und - wenn ja - in welcher Stückzahl, sei völlig offen.Dennoch: "Die Vorentscheidung für den Bau der Strecke wäre schon ein gutes Signal", räumte Thompson immerhin ein.

Die Vorsicht kommt nicht von ungefähr.Der Auftrag in Taiwan wäre der erste "echte" Exporterfolg für den ICE - sieht man von den sechs Zügen ab, die die niederländische Bahn im Rahmen des europäischen Hochgeschwindigkeitsprojektes Paris-Frankfurt (Main) für die Verbindung Amsterdam-Köln-Frankfurt geordert hat.Für das Projekt in Taiwan (siehe Kasten) hat sich Siemens auch erstmals mit dem ehemaligen "Erzrivalen", dem französischen TGV-Produzenten GEC Alsthom, verbündet.Gemeinsam entwickelten sie den Eurotrain, der mit Triebköpfen des ICE und Doppelstockwaggons des TGV ausgestattet ist und auch bei weiteren Projekten in Asien zum Einsatz kommen soll.In Taiwan geht es um viel Geld.Von dem auf 17 Mrd.Dollar veranschlagten Projekt entfallen etwa 4 Mrd.Dollar, rund 7,2 Mrd.DM, auf die europäischen Zughersteller."Wir sind schon zu lange in dem Geschäft, um nicht zu wissen, daß man erst jubelt, wenn der Vertrag unterschrieben ist", sagte Thompson.Dies könnte "noch in diesem Jahr" der Fall sein.

Siemens hat aus früheren Schlappen gelernt.Das Debakel in Südkorea 1994, wo der damalige Konkurrent GEC Alsthom mit dem TGV die Nase vorn behielt, ist nur zu gut in Erinnerung.Und auch beim heißumkämpften, rund 700-Mill.-Dollar-schweren Auftrag der US-Gesellschaft Amtrak für die Hochgeschwindigkeitsverbindung Washington-Boston mußte sich Siemens den Franzosen geschlagen geben, die sich für dieses Projekt mit dem kanadischen Waggonbauer - und nunmehrigen DWA-Eigner - Bombardier verbündet hatten.Etwas Pech war im Spiel: Der amerikanische Partner von Siemens hatte kurz zuvor Konkurs anmelden müssen.Aber auch GEC Alsthom - die demnächst unter dem Namen Alstom an die Börse gehen - hat in Südkorea nicht nur gute Erfahrungen gemacht: Das Projekt stand wegen der Fehlkalkulationen der südkoreanischen Partner mehrfach auf der Kippe.Das will man in Zukunft vermeiden: Bei den anstehenden Hochgeschwindigkeits-Projekten in Asien fahren Siemens und Alstom nun unter gemeinsamer Flagge.

Für das Projekt in Taiwan haben sie sich mit einer Gruppe taiwanesischer Unternehmen, vor allem Baukonzerne, zum Taiwan High Speed Rail Consortium (THSRC) zusammengeschlossen.Mit im Boot sind darüberhinaus auch die Deutsche Bahn AG und die französische SNCF, die die Strecke betreiben sollen - eine 35jährige Konzession ist Teil der Ausschreibung.Konkurrent ist ein japanisch-taiwanesisches Konsortium, das mit dem Shinkansen antritt.

Hat das Unglück von Eschede also doch keinen Einfluß gehabt? Thompson räumt ein, daß die Auftraggeber in Taiwan "Erkundigungen eingezogen haben und mit dem Eisenbahnbundesamt in Verbindung stehen".Die Gespräche seien aber nicht unterbrochen worden, zumal der Eurotrain auch eine andere Konstruktion aufweise.Auf dem Spiel steht aber nicht nur das Taiwan-Projekt.In China wird weiter über die Hochgeschwindigkeitsverbindung Peking-Shanghai diskutiert, und auch in Australien sind die Würfel für die Verbindung Sydney-Canberra noch nicht gefallen.

MARGARITA CHIARI

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