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Wirtschaft: "Ich bin dem DGB nicht verpflichtet"

BERLIN .Der "Neue" heißt Jürgen Kromphardt, ist 65 Jahre alt und unterrichtet Makroökonomie an der Technischen Universität Berlin.

BERLIN .Der "Neue" heißt Jürgen Kromphardt, ist 65 Jahre alt und unterrichtet Makroökonomie an der Technischen Universität Berlin.Soviel ist inzwischen allgemein bekannt.Das Interesse, das seiner Person plötzlich zuteil wird, weil er am 1.März Einzug halten wird in den Sachverständigenrat ("Fünf Weise") ist dem Volkswirt noch etwas unheimlich.Daß Personalien so wichtig sind! Schließlich steht jedes Jahr ein Platz im Sachverständigenrat zur Diskussion.Und glaubt man der vorherrschenden Meinung unter Deutschlands Ökonomen, finden die Ratschläge der "Fünf Weisen" in der Politik sowieso nur dann Gehör, wenn sie ins Weltbild passen.

Doch dieses Jahr verlief die Prozedur zur Besetzung des erlauchten Kreises nicht wie gewohnt.Das Ausscheiden des Arbeitsmarktforschers Wolfgang Franz, dessen Mandat nicht verlängert wird, schlug hohe Wellen.Denn der von Kollegen hochgeschätzte Ökonom wäre gern noch geblieben, doch dem Deutschen Gewerkschaftsbund, auf dessen Empfehlung hin er berufen worden war, paßte die wirtschaftspolitische Ausrichtung des Ökonomen nicht länger.Nun also Jürgen Kromphardt.Es wäre ihm lieber, mit Franz gemeinsam im Rat zu sitzen, sagt er, denn seiner Meinung nach vertreten die beiden sehr ähnliche Positionen.Natürlich könne es sein, daß seine Empfehlungen im konkreten Fall anders ausfallen als die des Kollegen Franz, doch zumindest gingen sie mit derselben Intention an die Arbeit.

Verpflichtet fühlt sich Kromphardt dem DGB trotz allem nicht.Allerdings steht er den Vorstellungen der Gewerkschaften in vielen Punkten, wie in Fragen der produktivitätsorientierten Lohnpolitik, nahe und will ihre Position in die Diskussionen des Gremiums einbringen.Wie Franz liegt auch Kromphardt die Lösung der Arbeitsmarktprobleme besonders am Herzen.Nach Meinung des Berliners gibt es hier einiges zu tun.

Unternehmen sollten expandieren, sich neue Geschäftsfelder erschließen statt über Entlassungen ihre Bilanzen zu polieren.Der richtige Ort, um hier zu einem Konsens zu kommen, sei das "Bündnis für Arbeit".Dabei könne es hilfreich sein, den Bereich der Lohnentwicklung bei den Gesprächen nicht außen vor zu lassen sondern sich über die mittelfristige Orientierung zu einigen.Möglicherweise könnten die Gewerkschaften den Arbeitgebern Zugeständnisse machen, indem sie versprechen, Unternehmen, die ausbauen und damit neue Jobs schaffen, anschließend nicht mit hohen Lohnforderungen unter Druck zu setzen.Ob der DGB das gern hört?

Handlungsmöglichkeiten sieht Kromphardt auch bei der Verteilung der Einkommen.Den Ansatz, mehr Geld für Familien - etwa über ein höheres Kindergeld - bereitzustellen, hält er für richtig, denn die konsumieren viel und kurbeln so die Wirtschaft an.Wenn man das finanzieren müsse, so Kromphardt, dann über Steuererhöhungen bei den hohen Einkommen,die ruhig noch mehr zahlen könnten.

Zum dritten müsse man Teilzeitarbeit als Form der Arbeitszeitverkürzung verstärkt fördern - auch bei den Männern, sagt der neue Wirtschaftsweise.Warum nicht Beamte ausschließlich auf Zweidrittel-Stellen setzen? Dann könne man mehr Menschen im Öffentlichen Dienst beschäftigen, und zugleich beuge man der Vergreisung des Staatsapparates vor.

Auch wenn man, wie Kromphardt sagt, aus Erfahrung lernt und er heute eine Globalsteuerung für unrealistisch hält: Nachfragepolitik kommt nach Ansicht des Makroökonomen nie aus der Mode.Nur die Politik wechselt, und das Einsatzgebiet wird immer größer.

SUSANN SCHMIDTKE

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