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Wirtschaft: „Ich habe kein Unrecht begangen“

Ex-Infineon-Chef Ulrich Schumacher über die Schmiergeldaffäre, Aktiengeschäfte und seinen neuen Job als Finanzinvestor

Herr Schumacher, seit der vergangenen Woche wird in der Schmiergeldaffäre bei Infineon auch gegen Sie ermittelt. Holt Sie jetzt Infineon ein?

Nein. Ich kann beweisen, dass alle Vorwürfe gegen mich haltlos sind. Die Staatsanwaltschaft hat im Übrigen mitgeteilt, dass sie Vorwürfe überprüft, aber selber Vorbehalte hat.

Infineon hat dennoch die Auszahlung Ihrer Abfindung gestoppt. Dagegen müssten Sie sich doch eigentlich wehren…

Ja, das tue ich auch. Ich habe kein Unrecht begangen. Meine Anwälte haben deshalb den Infineon-Aufsichtsratschef aufgefordert, seiner Zahlungsverpflichtung – es geht dabei um die Restzahlung meiner Vertragsansprüche – nachzukommen. Andernfalls müssen wir leider klagen.

Es heißt, Sie hätten als Infineon-Chef von Ihrem damaligen Geschäftspartner BF Consulting Sportwagen unter Wert gekauft – im Gegenzug für Aufträge. Stimmt das?

Das ist falsch. Ich habe als Infineon-Vorstand niemals Autos von BF-Consulting-Chef Udo Schneider gekauft. Im Gegenteil: Ich habe ihm zwei Autos verkauft, und zwar zu einem Preis, der niedriger war als der, den ich bezahlt habe.

Beim Börsengang von Infineon sollen Sie über Treuhänder mehr Aktien bekommen haben, als Ihnen nach internen Vereinbarungen zugestanden hätten. Haben Sie persönlich oder über einen Treuhänder mehr Aktien gekauft – und später verkauft?

Ich habe in Absprache mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden, übrigens auch nach seiner ausdrücklichen Aufforderung, Infineon-Aktien gezeichnet. Und zwar so viele wie möglich, weil Siemens die Verbindung des Vorstands zum Unternehmen fördern wollte. Zwischenzeitlich war sogar in den Aufsichtsratsausschüssen diskutiert worden, den Vorstand zu verpflichten, ein Mindestkontingent von bis zu zwei Jahresgehältern abzunehmen.

Hat denn ein Treuhänder – die Rede ist von Ihrem damaligen Vorstandskollegen Peter Bauer – Aktien für Sie gekauft?

Es ist auch nach Meinung von Aktienrechtlern nicht angreifbar, dass Teilnehmer eines „Friends-and-Familiy“-Programms Aktien treuhänderisch für andere halten, wenn sie ihre eigene Quote nicht ausschöpfen. Die Frage, ob beim Verkauf der direkt oder treuhänderisch für mich gehaltenen Aktien Spekulationsgewinne entstanden sind, die ich nicht versteuert habe, stellt sich nicht. Die Aktien wurden nicht innerhalb der Spekulationsfrist verkauft. Ich habe alle Einnahmen beim Verkauf eigener Aktien korrekt versteuert. Gegen mich wird in dieser Frage – anders als interessierte Kreise fälschlich behaupten – nicht ermittelt. Jeden Kauf und Verkauf von Infineon-Aktien habe ich dem Aufsichtsratsvorsitzenden gemeldet. Alle von mir gekauften Infineon-Aktien waren dem Aufsichtsratschef bekannt.

Sie mussten Infineon vor anderthalb Jahren verlassen. Sind keine Wunden geblieben nach dem doch tiefen Sturz vom Dax-Vorstand zum No-Name?

Mit Verlaub, No-Name trifft es nicht ganz. Ich habe viele internationale Kontakte, die ich für meine neue Tätigkeit nutze. Und die macht mir sehr viel Spaß.

Hatten Sie keine Schwierigkeiten, wieder Fuß zu fassen? Immerhin waren Sie insgesamt 18 Jahre im Siemens-Konzern tätig.

Natürlich ist man unmittelbar nach dem Ende einer solchen Laufbahn unsicher, wie es weitergehen soll. Ich habe anfangs gedacht, ich brauche möglichst schnell wieder einen neuen Job. Aber diese Hektik ist völlig überflüssig. Man fängt irgendwann an nachzudenken: Will man mit der gleichen Belastung in Zukunft weiterarbeiten? Hat man sich genug um die eigenen Kinder gekümmert, um die eigene Familie? Ich arbeite heute vielleicht noch härter als damals – aber ich kann es besser mit meinem Privatleben vereinbaren.

Wer wollte nach dem Abgang bei Infineon mit Ihnen zusammenarbeiten?

Ich hatte eine Reihe von Angeboten aus dem Ausland, vor allem aus den USA. Dort hat man meinen Managementstil und meine positive Einstellung zu Wettbewerb und Effizienz offenbar geschätzt.

Anders in Deutschland. Hier haftete Ihnen der Ruf eines Marktradikalen an.

Die Reaktionen waren hier und dort, vorsichtig formuliert, bigott. Ich habe nach meinem Ausscheiden bei Infineon mit Leuten telefoniert, die mir gesagt haben: Wir würden gerne mit Ihnen zusammenarbeiten, wir teilen Ihre Auffassungen – aber wir müssen noch ein wenig warten.

Hat Ihnen Ihr schlechtes Image nie zu schaffen gemacht?

Nein. Es war auch nicht schlecht, ich war nur kein Konsens-Kasper – und bin es immer noch nicht. Ich bin sicher zu der ein oder anderen Veranstaltung nicht mehr eingeladen worden. Das ist erst mal irritierend. Aber wenn ich ehrlich bin, waren es, wie es sie oft gibt, meist Veranstaltungen, die eigentlich keinen Sinn machen und viel Zeit kosten.

Aber es macht doch einen Unterschied, ob man ein Unternehmen mit 30000 Mitarbeitern führt oder in einer Finanzfirma mit wenigen Partnern arbeitet, oder?

Sicher, der Unterschied ist sehr groß. Aber ich war ja nicht Vorstandschef, weil ich besonders viele Mitarbeiter haben wollte. Ein Konzern ist in der Tat ein komplexes Gebilde. Früher war ich einfach der Chef, der – trotz des großen Führungsapparates – die Entscheidung getroffen hat und treffen musste. Wir haben diskutiert, ich habe mir unterschiedliche Argumente angehört. Aber in der Regel hatte ich mich durchzusetzen. Das ist heute ganz anders.

Sind Sie kompromissbereiter, weil auch Ihr eigenes Geld in der Firma steckt, für die Sie jetzt arbeiten?

Die Logik ihrer Frage leuchtet mir nicht ein. Bei Verantwortung für Geld, fremdes oder eigenes, handelt es sich immer um eine große Verantwortung. Ich unterscheide da nicht.

Erfolgsorientierung, Effizienz, drakonisches Sparen – Sie haben sich bei Mitarbeitern und Gewerkschaften nicht beliebt gemacht. Wie bewerten Sie Ihren harten Kurs im Rückblick?

Einspruch: Auch heute noch halten viele ehemalige Mitarbeiter Kontakt zu mir. Es gab immer ein gutes Verhältnis zu den meisten. Aber eben nicht zu allen Funktionären. Die Menschen, die es ernst meinten, mit denen konnte und kann ich sehr gut arbeiten. Die Dinge ändern sich im Übrigen. Wenn heute ein Unternehmen zur 40-Stunden-Woche zurückkehrt und Zugeständnisse verlangt, dann werden die Manager als Retter des Standortes gefeiert. Als ich vor ein paar Jahren ähnliche Vorschläge gemacht habe, hielt man mich für einen autoritären Kapitalisten.

Seit Anfang des Jahres sind sie Partner von Francisco Partners, einer Heuschrecke. Auch kein besonders gutes Image…

Ich gebe zu, früher habe auch ich die Private-Equity-Branche mit Vorbehalten betrachtet. Mit Finanzjongleuren, dachte ich, willst du dich nicht beschäftigen. Aber Francisco Partners ist keine Heuschrecke. Wenn man wie wir in Technologiefirmen investiert, kann man nicht Geld aus dem Unternehmen ziehen, um die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals in Kürze zu vervielfachen. Da muss man wie ein Unternehmer investieren und mindestens fünf bis sechs Jahre bleiben.

Fünf bis sechs Jahre sind kein Zeitraum, in dem ein klassischer Unternehmer denkt.

Das ist falsch. In Deutschland glauben viele Unternehmer, sie müssten möglichst langfristig planen. Ich sage: Auf Sicht von fünf bis sechs Jahren muss die Rentabilität stimmen. Das heißt nicht, dass keine Forschung und Entwicklung mehr stattfindet. Im Gegenteil! Aber was nützt es einer Firma, wenn sie Technologien für eine Zukunft entwickelt, die sie selber nicht mehr erlebt. Der Gewinn muss so hoch sein, dass man sich die Technologie falls erforderlich kaufen kann.

Sie suchen in Europa und Asien nach Technologiefirmen. Noch haben Sie keinen Deal in Deutschland bekannt gegeben. Ist der Standort nicht attraktiv genug?

Im Gegenteil. Ich erwarte, dass rund die Hälfte aller europäischen Private-Equity- Investitionen im Technologiebereich in den kommenden Jahren in Deutschland getätigt werden. Der Standort ist sehr attraktiv. Das heißt aber nicht, dass ich unter Druck stehe. Jede Investition muss sehr gut vorbereitet werden.

Wie viel Geld können Sie investieren?

Unser aktueller Fonds hat ein gezeichnetes Volumen von insgesamt 2,5 Milliarden Dollar. 2006 schließen wir voraussichtlich einen zweiten Fonds in ähnlicher Größenordnung.

Bei Siemens und Infineon wird auch über die Abspaltung von Geschäftsbereichen nachgedacht, die interessant sein könnten. Ist vorstellbar, dass Sie dort zugreifen?

Soweit ich die Überlegungen bei Siemens verfolge, will der Konzern die IT-Sparte selber wieder fit machen. Infineon ist kein Thema.

Der Einfluss internationaler Finanzinvestoren wird kontrovers diskutiert. Für wie mächtig halten Sie die Fonds?

Ihr Einfluss wird wachsen, keine Frage. Der Kapitalmarkt wird die Mentalität deutscher Unternehmen ändern. Und es macht mir Freude, daran mitzuwirken. Dass auch Dax-Konzerne nicht mehr so weitermachen können wie bisher, zeigen viele Beispiele.

Stichwort Porsche: Fahren Sie noch Autorennen?

Ich fahre privat ein langweiliges Familienauto. Das ist sehr praktisch.

Und Sie haben keinen Porsche mehr?

Doch – hin und wieder muss auch etwas Zeit für Spaß sein.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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