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© dpa

Otto: Im Namen der Konkurrenz

Die EU wird dem Versandhaus Otto wohl die Nutzung der Marke Quelle untersagen. Damit könnte sie endgültig verschwinden

Düsseldorf - In der Zentrale des Otto-Konzerns in Hamburg-Bramfeld hatten sich die Marktstrategen im Herbst 2009 einen cleveren Plan zurechtgelegt: Das marode Deutschlandgeschäft des darbenden Konkurrenten Quelle wollte man nicht in die Hand nehmen, wohl aber dessen guten Namen. Der Traditionsname sollte möglichst schnell unter dem Dach von Otto weitergeführt und so den alteingesessenen Kunden der Eindruck vermittelt werden: Die gute, alte Quelle ist nie weg gewesen. Tatsächlich schnappten sich die Hamburger Anfang November die Markenrechte aus dem fränkischen Nachlass, dazu den exklusiven Zugriff auf die Adressen der Quelle-Kunden. Doch nun machen die Beamten der europäischen Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes dem Konzern einen Strich durch die Rechnung.

Bereits vor Weihnachten hatte Otto deren Zustimmung für das Geschäft fest eingeplant, bis heute ist aber nichts passiert. Am kommenden Dienstag ist es nun so weit: „Am 2. Februar fällt die Entscheidung“, erklärte der Sprecher der Brüsseler Wettbewerbsbehörde, Jonathan Todd, auf Anfrage. Die Zeichen für Otto stehen auf Sturm. Denn wenn die EU-Kommission nicht in den vergangenen Tagen ihre Meinung noch geändert hat, wird sie Otto wohl die Nutzung des Namens Quelle verwehren, um eine marktbeherrschende Stellung der Hamburger Versender zu verhindern. So jedenfalls lautete die Losung, der die Wettbewerbshüter dem Otto-Konzern zufolge in den bisherigen Verhandlungen folgten.

„Dem liegt eine rein theoretische Marktauffassung zugrunde“, kritisiert Otto-Sprecher Thomas Voigt. Die EU-Behörde betrachte nur den Versandhandel und ignoriere, dass traditionelle Versandhäuser wie Otto und Quelle längst eigene Shops betreiben und große Häuser wie C & A oder H & M im Gegenzug Waren über das Internet verkaufen. „Wir versuchen die Kommission von der Realität zu überzeugen“, berichtet Voigt. Dabei haben die Hamburger offenbar ein wenig übertrieben . Wie zu hören ist, sollen die Otto-Juristen in Brüssel sehr forsch aufgetreten sein. Inhaltlich plädieren jedoch auch Fachleute dafür, den Wettbewerb im gesamten Markt zu analysieren und nicht nur in einem Ausschnitt. „Die Unterscheidung zwischen stationärem Handel und Distanzhandel wird für den Verbraucher immer künstlicher“, sagt Hansjürgen Heinick von der Handelsberatung BBE Retail Experts. Die Realität sei heute schwer zu trennen.

Für den Otto-Konzern wäre die Absage höchst ärgerlich. Denn die Marke Quelle gilt nach wie vor als über Jahrzehnte etabliertes Gütesiegel – trotz Insolvenz und Abwicklung. „Der Name hat das Ende des Unternehmens unbeschadet überstanden“, erklärt der Markenfachmann Manfred Gotta, der unter anderen Namen wie Twingo oder Evonik erfunden hat. Zudem verfüge Quelle über einen enormen Bekanntheitsgrad.

Den Plan vom nahtlosen Übergang musste Otto bereits aufgeben. Seit Monaten hängen die ehemaligen Quelle-Kunden in der Luft. Der Internetauftritt liegt brach und fällt in den Suchmaschinen immer weiter zurück. Seit November prangt auf quelle.de lediglich das Versprechen: „Bald geht es weiter.“ Otto könnte zwar die Käufer der ehemaligen Konkurrenz anschreiben, die Nutzung der Adressdaten hängt nicht an der Zustimmung aus Brüssel. Aber ohne zu wissen, ob man die Marke überhaupt künftig nutzen kann, ist das kaum sinnvoll. „Je länger wir warten müssen, desto mehr leidet unsere geplante Expansion“, beklagt sich Voigt. Bisherige Quelle-Kunden würden nicht warten, bis die Marke reaktiviert sei, sondern sich etwas Neues suchen. Davon profitiert zwar das herkömmliche Otto-Geschäft, aber eben nur zum Teil.

Ausdrücklich nicht abhängig von der EU-Entscheidung ist dagegen die Übernahme der Quelle-Geschäfte in Russland. Dafür hat Otto nach eigenen Angaben bereits alle kartellrechtlichen Genehmigungen erhalten. Für 65 Millionen Euro bekam Otto im November 2009 den Zuschlag von Quelles Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg, für die russische Sparte und den Markennamen zusammen. Was davon wie viel wert war, wurde bisher nicht bekannt. „Es war in jedem Fall ein Schnäppchen“, erklärt Gotta. Noch ist das Geld nicht in Görgs klamme Kasse geflossen. Die Bezahlung liegt bis zur Entscheidung der Brüsseler Behörde auf Eis.

Doch auch bei einem Nein der EU könnte es sich für Otto lohnen, die Summe zu investieren. So würde man die Marke Quelle wenigstens blockieren, wenn man sie schon selbst nicht nutzen kann. Warum soll Otto sich selbst Konkurrenz machen, heißt es dazu in Branchenkreisen. Auch Manfred Gotta hält das für ein realistisches Szenario: „Für Otto kann der Name Quelle auch einen Mehrwert haben, indem man ihn nicht verwendet, aber ihn auch nicht der Konkurrenz überlässt.“ Der Hamburger Konzern selbst gibt sich bedeckt, aber deutet zumindest auch andere strategische Optionen an. „Wir wollen Quelle reaktivieren, deshalb wäre eine negative Entscheidung aus Brüssel schmerzlich, aber wir haben auch andere Möglichkeiten“, erklärt Thomas Voigt.

Damit könnte nach dem Aus des fränkischen Versandhauses, das die Gläubiger im November vergangenen Jahres besiegelten, auch der Name Quelle komplett vom Markt verschwinden – und damit der letzte Bestandteil des einstigen Symbols für das westdeutsche Wirtschaftswunder. Ein Comeback zu einem späteren Zeitpunkt gilt als problematisch. „Je länger ein Markenname nicht genutzt wird, desto schwieriger ist es, ihn neu zu beleben“, sagt BBE-Experte Heinick.

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