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Immobilien: Alles fließt

Heiner H., Besitzer eines Dreifamilienhauses, hatte endgültig die Nase voll: Eines Abends ging er in den Keller und sperrte kurzerhand die Wasserzufuhr für Familie M.

Heiner H., Besitzer eines Dreifamilienhauses, hatte endgültig die Nase voll: Eines Abends ging er in den Keller und sperrte kurzerhand die Wasserzufuhr für Familie M., Mieter des oberen Stockwerkes seines Hauses.Und bevor die Bewohner ihre vermeintlichen Mietrückstände von inzwischen mehreren Hundert Mark nicht beglichen hätten, wollte er das Naß wieder sprudeln lassen.

Tatsächlich war das Mieterkonto von Familie M.zwar rechnerisch im Minus.Hintergrund war jedoch, daß sie sich weigerte, horrende Betriebskosten nachzuzahlen, die ihrer Ansicht nach nicht ordnungsgemäß abgerechnet waren.Zudem mußten sie seit etwa zwölf Monaten mit einem kaum mehr verschließbaren Küchenfenster leben, was Heizkosten verschlang.Alle Bitten auf Instandsetzung und Behebung dieses Wohnungsmangels fruchteten nicht, was dazu führte, daß die Familie die Miete angemessen minderte.

Solches Vorgehen wie das von Heiner H., um Mieter "zur Räson" zu bringen, trägt indes nicht zur Lösung von Konflikten bei, sondern verursacht weitere Probleme: Dem Vermieter nämlich steht eine Sperrung von Versorgungseinrichtungen nicht zu."Wer aus einem gegenseitigen Vertrage verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern", heißt es zwar im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 320).Und im § 273: "Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht)."

Allerdings steht dem die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung entgegen, heißt es beim Berliner Mieterverein, der in einem ähnlichen Fall argumentierte, es handele sich um eine nicht nachholbare Leistung, die ein Zurückbehaltungsrecht ausschließe.Der Vermieter sei mithin nicht berechtigt, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache ganz oder teilweise zu entziehen und ihn so in seinem Besitz zu stören.Dann nämlich liege eine verbotene Eigenmacht vor (§ 858 BGB).Zahlungsrückstände kann der Vermieter also nicht eintreiben, indem er Gas, Wasser oder Strom sperrt, die Heizung abstellt oder das Antennenkabel kappt.Kann der Mieter nicht mehr heizen, kochen oder Warmwasser zubereiten, verletze der Vermieter seine Hauptleistungspflicht zur Gebrauchsüberlassung, so der BMV.Das könne sogar als Nötigung ausgelegt werden, was eine Strafanzeige rechtfertigen würde.Heiner H.muß also den Rechtsweg beschreiten und sich dann die Prüfung gefallen lassen, ob er überhaupt Anspruch auf das Geld hat.

Anders sieht es demgegenüber aus, wenn Mieter bei Direktverträgen mit Energieversorgern ihre Gas-, Wasser- oder Stromrechnungen nicht bezahlen.Selbst dann, wenn das Unternehmen Monopolist ist und ein Leben ohne Strom oder Wasser nicht denkbar, kann der Lieferant die Versorgung einstellen und Strom beispielsweise sperren, entschied das Bundesverfassungsgericht schon vor geraumer Zeit (in: Neue Juristische Wochenschrift 1982, Seite 1511).Allerdings muß das Unternehmen den Zahlungsrückstand zunächst anmahnen und damit drohen, seine Leistung zu stoppen.

Ist hingegen nicht der Mieter, sondern der Vermieter Kunde des Versorgungsunternehmens, ist eine Einstellung der Versorung unzulässig, entschied in einem Fall das Amtsgericht Siegen: "Das Wasserversorgungsunternehmen begeht eine verbotene Eigenmacht gegenüber den Mietern eines Hauses, wenn es wegen Zahlungsrückstände des Kunden, der Vermieter ist, die Wasserzufuhr sperrt" (Az.7 C 2846 / 96).Andere urteilten ähnlich.

Allerdings wird diese Auffassung nunmehr torpediert: Zwar sei es überwiegend anerkannt, daß ein Vermieter bei Unterbrechung der Versorgung mit Wärme, Energie und Wasser gegenüber dem Mieter eine verbotene Eigenmacht begehe, weil dadurch von außen in die Nutzung der Räume eingegriffen werde, räumt das Landgericht Frankfurt / Main ein.Dies sei jedoch keineswegs zu vergleichen mit der Situation, in der ein Versorgungsunternehmen seinem Vertragspartner (dem Vermieter) die Lieferung versage, da es in keinerlei Vertragsbeziehungen zum Mieter stehe und damit auch keine Verpflichtung habe, ihm die volle Nutzung der Wohnung zu ermöglichen.Gegenüber dem Vermieter könne es somit seine Leistung (hier die Lieferung von Wasser) verweigern: "Die Zurückbehaltung der Wasserversorgung eines Mehrfamilienhauses durch ein Wasserversorgungsunternehmen wegen Zahlungsverzuges des Vermieters ist kein Eingriff in den geschützten Besitzbereich des Mieters.Ein Lieferanspruch oder Anspruch der Mieter des betroffenen Hauses auf Unterlassen der Liefersperre kann weder mit verbotener Eigenmacht noch mit deren Auswirkungen der Sperre auf die Mieter begründet werden."(Az.2 / 17 S 465 / 97).

Mehr noch: Die von der Wasserliefersperre betroffenen Mieter könnten nur dann den Abschluß von Einzelverträgen mit dem Versorgungsunternehmen verlangen, wenn die Bezahlung der Rückstände sichergestellt sei, so die Richter.Damit geraten die Mieter also in eine Falle, deren Ursache sie nicht zu verantworten haben.In die gleiche Kerbe schlug kurz zuvor das Landgericht Gera: "Trotz ihrer Wirkung auf die Mieter zur Bezahlung des künftigen Verbrauchs ist die Einstellung der Gasversorgung eine Mehrfamilienmietshauses wegen fehlender Zahlungsaussichten zulässig, wenn nicht auch die in der Vergangenheit aufgelaufenen Rückstände auszugleichen vereinbart und dadurch die Voraussetzung zur Weiterbelieferung geschaffen wird." (Az.5 T 168 / 98).

Kritiker dieser Ansichten bemängeln, daß die Richter offenbar die Stellung der Versorger als Monopolisten gründlich verkannt hätten.Zudem ist den Bewohnern von Mehrfamilienhäusern die Möglichkeit zum Abschluß eines Einzeltarifvertrages versagt, weil die Wohnungen vor allem bei Gas- und Wasseranschlüssen nicht dafür ausgelegt sind, allein versorgt zu werden, sondern nur Zugang haben zum Leitungssystem des gesamten Hauses.Also bietet sich nur die Möglichkeit, daß sich die Mieter zusammenschließen, um Rückstände von mitunter mehreren zehntausend Mark aufzubringen.Dies setzt allerdings Einigkeit voraus und schafft Probleme bei Mieterwechsel.Das Insolvenzrisiko wird somit vom Vertragspartner, dem Vermieter, auf die zu versorgenden Wohnungsmieter abgewälzt.Es sollte nicht Aufgabe der Mieter sein, in eine bürgenähnliche Haftung für Rückstände eines Vertragspartners eines Versorgungsunternehmens genommen zu werden.

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