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Immobilien: Auf Oberkante genäht – reicher Wohnen in Berlin An der Spree gibt es einen Nachholbedarf bei Edel-Immobilien, so glauben die Investoren

An Wohnungen dieser Art denkt mancher erst nach einem Lotto-Sechser mit Zusatzzahl – an die Edel-Immobilien. Doch es gibt anscheinend genug Magnaten und Millionäre, die auch in Berlin noch etwas Passendes suchen.

An Wohnungen dieser Art denkt mancher erst nach einem Lotto-Sechser mit Zusatzzahl – an die Edel-Immobilien. Doch es gibt anscheinend genug Magnaten und Millionäre, die auch in Berlin noch etwas Passendes suchen. Das Marktsegment der schönen und teuren Wohnungen ist unübersichtlich und umschmeichelt wie kein anderes in der Hauptstadt. Der Tagesspiegel gönnt sich zum Abschluss seiner vierteiligen Reihe über den Berliner Grundstücksmarktbericht 2009/2010 einen Blick in die obersten Etagen.

Das elegante Zwei-Zimmer-Appartement in Mitte ist immer noch zu haben. Obwohl es eigentlich alles hat, was man sich wünscht: Die exklusive Lage, um die Ecke zum Gendarmenmarkt. Einen extravaganten Grundriss für seine 120 qm, den handlichen Preis von 475 000 Euro. Käufer solcher Immobilien leben in einer eigenen Umlaufbahn um unseren Krisenplaneten. Sollte man meinen.

Das stimmt nicht mehr, wenn man sich in den Bericht über den Berliner Grundstücksmarkt 2009/2010 vertieft hat: Edelwohnungen für 4000 Euro und mehr je qm gingen von Mitte 2006 bis Anfang 2008 noch ganz gut in Berlin. Im Jahr eins nach Lehmann Brothers zog der Berliner Luxuskäufer eine ganze Etage tiefer ein: allenfalls noch 3000 Euro pro qm durfte das Premium-Wohnen kosten, nur in wenigen Fällen wurde mehr gezahlt. Die Krisen-Delle hat wohl auch den reichen Leuten einige Sorgen gemacht.

Mit Luxus-Eigenheimen der Marke Loft oder Penthouse tun sich auch Statistiker schwer. „Als Loft“, so heißt es in dem jüngsten Marktbericht ganz bedeutsam, werden „nicht nur zu Wohn- oder Büroraum bzw. zu Atelierzwecken umgebaute ehemalige Fabrikräume bezeichnet, sondern z.B. auch großräumige Einheiten in neu errichteten Gebäuden oder durch Entkernung zusammengelegte Wohnräume.“ Und weiter: „Ein eigenes Preisbild für dieses äußerst inhomogene Marktsegement lässt sich daher nicht zuverlässig ableiten.“

Projektentwickler und Makler sind da weit weniger zurückhaltend. Gegenwärtig testen sie mit frischem Mut, was der Markt für Luxuswohnungen im kommenden Jahr so hergeben könnte: Knapp 800 000 Euro für 191 qm im Grunewald etwa, die Dienerwohnung eingeschlossen? Oder ein „Dachbungalow“ für gut und gerne 520 000 Euro? Das wären noch halbwegs moderate 3500 Euro je qm. Sprachlich verlegen waren Immobilienverkäufer noch nie. Und kein bisschen bescheiden: Es sieht so also, also wollte man in Berlin die 5000-Euro-Marke antesten. Für „Villen-Wohnungen“.

Die Oberkante des Berliner Immobilienmarktes liegt allerdings um einiges höher: bei 10 000 Euro. Dafür gäbe es 300 qm im „One Level Penthouse“ mit Blick auf die Spree, den Reichstag und Angela M.'s Arbeitsplatz. Wer rechnen kann, der weiß, der Bauträger will drei Millionen Euro sehen, bevor er loslegt. Der Garagenplatz kommt extra. Soviel zu den Konjunkturerwartungen der Berliner Bauwirtschaft, die der Gegenwart schon einen weiten Schritt voraus sind. Berlin hat in den Augen der XXL-Investoren, verglichen mit anderen Metropolen, einen ungeheuren Nachholbedarf bei glamourösen Wohnformen.

Ob das Geld gut angelegt ist, das ist eine Frage, die sich den autochthonen Berlinern nur selten stellt. Drei Viertel der Luxus-Wohnungen zum Beispiel in den „Fellini Residences“ (Ecke Oranienburger Straße und Friedrichstraße) seien an Ausländer gegangen, bekannte kürzlich vor den Medien Orco-Vorstandschef Rainer Bormann: „Aus London und Los Angeles.“ Es sind Migranten mit schon ganz speziellen Anpassungsproblemen – der eher schnörkellose Berliner mag demonstrativen Luxus nicht wirklich leiden.

Ausländische Käufer lockt der vergleichsweise günstige Einstiegspreis in Berlin, Renditen werden erst später berechnet. Der Berliner kalkuliert und kauft gewöhnlich anders. Wohlhabend wohnen buchstabiert sich hier wie „Grunewald“ oder „Dahlem“, chic und angesagt lebt man in ständig wechselnden Kiezen von Kreuzberg, Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder Pankow. Ein geschlossenes und damit auf immer wertgesichertes Millionärsquartier wie etwa Paris-4 oder die legendäre Upper East Side von Manhattan gibt es an der Spree noch nicht einmal im Ansatz. Schon der Versuch, Luxusbauten in den Prenzlauer Berg einzurenken, wird mit Misstrauen verfolgt. Und auf den Kreuzberger Straßen beginnt der Hader mit der Nachbarschaft schon weit unter Porsche-Niveau.

Dabei hat Berlin Spezialitäten ganz eigener Art zu bieten – und auch die Gutachter des Berliner Grundstücksmarktberichts haben ein Herz und ein Näschen für diesen Trend. Sie haben eine eigene Rubrik dafür aufgemacht: Bauten des sozialistischen Klassizismus. Ein Teil der Gebäude im „Zuckerbäckerstil“ an der Karl-Marx-Allee und an der Frankfurter Allee wurde seit 1991 saniert und in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Die Preise steigen – von durchschnittlich 1480 Euro je qm (2008) auf 1660 Euro je qm im vergangenen Jahr, ein sattes Plus von 12,2 Prozent. Da tut sich was am Straußberger Platz – erst recht, wenn der Boulevard im anstehenden Generationenwechsel seiner Bewohnerschaft neue Entdecker findet.

Der Bericht über den Berliner Grundstücksmarkt listet Preise und Trends auf. Die Internetpräsenz www.Gutachterausschuss-Berlin.de bietet Übersichten an, Einzelabfragen kosten drei Euro (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, III E 29, Fehrbelliner Platz 1, 10707 Berlin).

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