zum Hauptinhalt

Immobilien: Bankgebühr für Schicksals- wendungen

Es ist teuer, ein Darlehen vorzeitig abzulösen. Aber ein neues Gerichtsurteil macht Hoffnung

Wer ein Immobiliendarlehen abschließt, legt sich damit in der Regel auf viele Jahre fest. Allerdings tendiert das Leben dazu, nicht komplett vorhersehbar zu sein. Und wer mit dem Arbeitsplatz unverhofft den Wohnort wechselt, den Job verliert, sich scheiden lässt oder aus anderen Gründen Haus oder Wohnung verkaufen muss, der kennt das Problem: Für ein Immobiliendarlehen, das vorzeitig abgelöst wird, verlangen die Banken eine Art Abschlagszahlung für den ihnen entgangenen Gewinn.

Allerdings gibt es seit kurzem zumindest in bestimmten Fällen Hoffnung: Ein Urteil des Landgerichtes München stellt die Praxis der so genannten Vorfälligkeitsentschädigungen nun grundsätzlich in Frage – sehr zum Verdruss der Bankenwelt. Denn das Gericht entschied, dass eine Bank keine Entschädigung verlangen dürfen, wenn der neue Eigentümer den Kredit übernimmt und an seiner Bonität keine Zweifel bestehen.

Soweit ersichtlich, handle es sich bei dem Urteil um die bundesweit erste Entscheidung dieser Art, sagt der Tübinger Rechtsanwalt Andreas Tilp, der vor dem Münchner Gericht eine Klientin vertreten hat, die ein Grundstück verkaufen und anschließend ihre Restschuld von vier Millionen Euro bei der Münchner Commerzbank tilgen wollte. Von ihrer Bank wurde sie dafür mit 360 000 Euro Vorfälligkeit zur Kasse gebeten, obwohl der Käufer, ein solide geführtes Immobilienunternehmen, in die bestehenden Darlehen einsteigen wollte. Hätte das Institut das erlaubt, so argumentieren die Richter, wäre dem Institut überhaupt kein Schaden entstanden, weshalb es dieVorfälligkeitsentschädigung samt Zinsen wieder zurückzahlen müsse.

Zwar hat die Commerzbank Berufung gegen das Urteil eingelegt. Aber da die Europäische Union inzwischen auch eine europaweit einheitliche Regelung anstrebt, dürften das Ablösen von Darlehen in Deutschland aber auch so deutlich billiger werden. Denn im internationalen Vergleich sind die Vorfälligkeitsentschädigungen in der Bundesrepublik überdurchschnittlich hoch. Fünfstellige Summen kommen schnell zusammen.

Die konkrete Höhe einen solchen „Schadensersatzes“ ist schwer zu berechnen und hängt vor allem vom Zinssatz, von der Restschuld und der Restlaufzeit des Kredites ab. Wertvolle Informationen dazu liefert ein spezieller Vorfälligkeitsrechner, den dier Zeitschrift Finanztest im Internet anbietet (www.finanztest.de). Die Berliner Geldexperten raten Immobilienbesitzern, deren Bank sich weigert, den neuen Käufer in das alte Darlehen einsteigen zu lassen, in jedem Fall auf das Urteil aus München hinzuweisen (Aktenzeichen: 16 HK 22814/05) – obwohl dieses noch nicht rechtskräftig ist. Sollte die Bank trotzdem auf einer Vorfälligkeitsentschädigung bestehen, sollte man kenntlich machen, dass diese nur unter Vorbehalt bezahlt wird, um später leichter eine Erstattung durchsetzen zu können.

Für Verkäufer wie Käufer ist die Üb ernahme eines Darlehens häufig ein Geschäft zum beiderseitigen Vorteil: Gerade in Phasen, in denen die Zinsen tendenziell steigen, kann es sich für den neuen Eigentümer lohnen, in einen laufenden, zu günstigeren Konditionen abgeschlossenen Vertrag einzusteigen. Umgekehrt kann der Verkäufer leichter Zugeständnisse beim Preis machen, wenn er sich die teure Vorfälligkeit spart. Wichtig ist allerdings: Die Bonität des Käufers darf nicht schlechter sein als die des Verkäufers. Und: Bei Darlehen mit kurzen Restlaufzeiten ist Vorsicht angebracht: Falls die Zinsen weiter steigen, kann es für den Käufer unterm Strich günstiger sein, doch noch einmal neu abzuschließen und sich die gegenwärtigen Sätze für fünf oder zehn Jahre zu sichern.

Dass die Commerzbank im aktuellen Fall nicht mit sich reden ließ, hat nach Ansicht von Anwalt Tilp übrigens vor allem einen Grund – einen wirtschaftlichen: Durch den Abschluss eines neuen Darlehens, vermutet Tilp, hätte die Bank beim Erwerber des Grundstücks höhere Zinssätze durchsetzen können – und durch höheren Zins und Vorfälligkeitsentschädigung sogar doppelt profitiert.

Veronika Csizi

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false