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Immobilien: Berlin bittet Hauseigentümer zur Kasse

Grundeigentümer sollen auch für den Um- und Ausbau der maroden Berliner Straßen bezahlen. Ein entsprechendes Gesetz soll noch 2005 in Kraft treten. Rechnungen mit fünfstelligen Summen drohen

Hans-Jürgen Schmidt ist wütend. Dass die kleine Anwohnerstraße vor seiner Haustür mit einem Entwässerungssystem versehen werden soll, hält der 58-Jährige zwar grundsätzlich für sinnvoll. Dass er und die anderen Anlieger das alles aber zum größten Teil selbst bezahlen sollen, wenn das geplante Straßenausbaubeitragsgesetz (StrABG) in Kraft tritt, findet der Eigentümer eines kleinen Einfamilienhauses in Britz ungerecht: „In Berlin sind wir wegen der hohen Grundsteuer und der teuren Wasserpreise sowieso schon stärker belastet als anderswo.“ Noch mehr Geld für den Ausbau der Straße könne er nicht aufbringen, sagt der Inhaber eines Schreibwarengeschäfts. „Das Haus ist noch nicht abbezahlt – keine Bank gibt mir kurz vor der Rente einen weiteren Kredit.“

Der Gesetzentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht eine Beteiligung der Anwohner an den Straßenausbaukosten in Höhe von 25 bis 70 Prozent vor – je nach Art der Straße und der ausgeführten Arbeiten. Bei Hauptverkehrsstraßen ist der Kostenanteil der Anwohner niedriger – bei Anliegerstraßen höher. Voraussetzung ist, dass die Straße ausgebaut oder erneuert und nicht nur Instand gesetzt wird. Dafür kann sogar jeder, der schon einmal Erschließungskosten für eine Straße bezahlt hat, noch einmal zur Kasse gebeten werden. Die Kosten berechnen sich nach der Größe des Grundstücks und nach der möglichen Anzahl der Geschosse in der Straße.

Das geplante Gesetz soll möglichst noch in diesem Jahr verabschiedet werden, sagt Petra Roland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Damit werde „ein gerechter Ausgleich zwischen den Anliegern einer Straße und der Allgemeinheit geschaffen“, sagt Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Eigentümer, die sich wie Hans-Jürgen Schmidt in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, werden auf die vorgesehene Härtefallregelung verwiesen: So könnten Hartz IV-Empfängern oder auch Rentnern mit geringem Einkommen die Beiträge gestundet oder sogar ganz erlassen werden.

Wird eine Straße ausgebaut, dann müssen Eigentümer eines 500 Quadratmeter großen Grundstücks mit Beiträgen in Höhe von 20000 Euro rechnen, ermittelte Dieter Blümmel, Sprecher von Haus und Grund Berlin. Forderungen in dieser Höhe, die immerhin zehn Prozent des Verkehrswertes ausmachen, könnten im schlimmsten Fall dazu führen, „dass die Leute ihr Haus verlieren.“ Blümmel ist aber zuversichtlich, das geplante Gesetz noch verhindern zu können: „90 Prozent der Berliner sind Mieter, nur jeder Zehnte besitzt ein Haus oder ein Grundstück. Warum soll ausgerechnet die Minderheit eine Infrastruktur bezahlen, die von allen benutzt wird?“ Im Übrigen sei es vor einigen Jahren schon einmal gelungen, einen ähnlichen Gesetzentwurf zu kippen.

Zwar existiert in allen Bundesländern mit Ausnahme von Baden-Württemberg und Berlin die gesetzliche Möglichkeit, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Dennoch werden die Eigentümer nicht überall tatsächlich zur Kasse gebeten. Da es sich nur um Rahmengesetze der Länder handelt, müssen die einzelnen Gemeinden nämlich erst eine entsprechende Satzung aufstellen – worauf Frankfurt am Main zum Beispiel verzichtet hat. Wiesbaden hat zwar eine Satzung, verzichtet aber ebenfalls auf die Beiträge. Und in Hamburg, als Stadtstaat mit Berlin vergleichbar, müssen nur die Anwohner von Anliegerstraßen bezahlen – Grundeigentümer an Hauptverkehrsstraßen kommen ungeschoren davon.

Doch Berlin kämpft gegen den Haushaltsnotstand. Senatorin Junge-Reyer hält es deshalb für notwendig, dass das hoch verschuldete Berlin alle möglichen Einnahmequellen nutzt. Anderenfalls sei die anhängige Verfassungsklage des Landes, das eine besondere finanzielle Unterstützung von den anderen Bundesländern fordert, nicht zu rechtfertigen. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum Anwohner sich nicht an den Ausbaukosten beteiligen sollen, obwohl sie „durch Steigerung der Werthaltigkeit ihrer Grundstücke direkt profitieren“, so die Senatorin. Und sie versichert: „Überdimensionierten Straßenbau auf Kosten der Anwohner wird es nicht geben.". Auch werde kein Berliner für das Flicken von Schlaglöchern zahlen.

Doch gerade das befürchten nicht nur Grundbesitzervereine wie Haus und Grund, der Deutsche Siedlerbund und der Verband Deutscher Grundstücksnutzer, sondern auch die Industrie- und Handelskammer (IHK): Das Berliner Straßennetz sei in schlechtem Zustand, weil es jahrzehntelang vernachlässigt worden sei. Die so eingesparten Kosten dürften jetzt nicht einfach den Anliegern aufgebürdet werden, so die IHK. Auch seien bei der Höhe der Beiträge überdurchschnittliche Belastungen durch Wasserpreise und Grundsteuer zu berücksichtigen. CDU-Bauexperte Mario Czaja befürchtet eine Abwanderung nach Brandenburg, wo viele Grundstücke gerade neu erschlossen wurden. Streit gibt es außerdem um das Mitspracherecht der Beitragszahler. Während SPD-Bauexperte Ralf Hillenberg dies für „sehr weitgehend“ hält, meint Haus und Grund-Sprecher Blümmel: „Anders als in Brandenburg ist in Berlin lediglich eine reine Unterrichtung vorgesehen."

Dass er zu wenig mitentscheiden kann, sagt auch Hausbesitzer Schmidt. Seine Straße soll nämlich auch noch erheblich verbreitert werden, für den Busverkehr. Das kostet fast doppelt so viel wie die Herstellung des ursprünglichen Zustandes nach Einbau des Entwässerungssystems. Schmidt hofft nun, dass die Arbeiten abgeschlossen sind, bevor das neue Gesetz in Kraft tritt. Sollte er zahlen müssen, will er gegen den Gebührenbescheid Widerspruch erheben. „Und wenn das nicht hilft, klage ich vor dem Verwaltungsgericht“, sagt er.

Jutta Burmeister

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