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Der Krausenblock in Mitte. Unter dem Namen Markgrafenkarree werden 380 Mietwohnungen an der Ecke Krausenstraße/Markgrafenstraße errichtet.

© Stefan Forster Architekten

Berliner Quartiere: Landgewinne im ehemaligen Grenzgebiet

Mitte und Kreuzberg rücken durch den Bau von neuen Wohnungen immer näher zusammen. Doch nicht nur in der Köpenicker Straße ist das ehemalige Grenzgebiet zwischen den beiden Bezirken ins Visier der Immobilienbranche geraten.

Wäre man noch nie in der Köpenicker Straße gewesen, so würde man sich kneifen und fragen: Kann das sein? Kann es sein, dass direkt gegenüber der Zentrale der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi seit Jahren eine Nachwendebauruine vor sich hinrottet? Kann es sein, dass ein riesiges Wassergrundstück mitten in der Innenstadt von einer Speditionsfirma genutzt wird? Und kann es sein, dass junge Menschen auf dem Dach der ehemaligen Eisfabrik – längst ein heißer Internettipp – den Blick über Berlin schweifen lassen, während unter ihnen Immigranten elendiglich in ruinösen Räumen hausen?

Man sieht es der Straße noch immer an, dass sie einst durch die Mauer in einen westlichen und in einen östlichen Teil getrennt war. Dabei gibt es schon lange Bemühungen, die unwirtliche Gegend aufzuwerten. Bereits in den 90er Jahren siedelte sich das Deutsche Architekturzentrum hier an, und vor zehn Jahren ließen die Grundstückseigentümer einen Masterplan erarbeiten, der für das Gelände zwischen Köpenicker Straße und Spree ein schickes Wohnquartier mit zwei eigens angelegten Kanälen vorsah.

Daraus ist nichts geworden – doch allmählich fassen allem Anschein nach Projektentwickler Vertrauen, dass sich die Köpenicker Straße doch zu einer attraktiven Wohngegend entwickeln könnte. Bestes Beispiel dafür ist die ehemalige Seifenfabrik, besser bekannt als Sitz des „Kater Holzig“. Ende des Jahres ist Schluss für den Club an diesem Standort – denn die malerische Fastruine soll in ein Wohngebäude umgewandelt werden.

Dabei führt das mit der Vermarktung der geplanten Eigentumswohnungen beauftragte Maklerbüro die rigide Türpolitik des „Kater Holzig“ mit anderen Mitteln fort: Die Bitte um Informationen zu den geplanten Wohnungen wird von einer Mitarbeiterin in einem Tonfall abgelehnt, als hätte man sie nach ihrer Kontonummer und dem Pin ihrer Geldkarte gefragt. Immerhin gibt das Maklerbüro in einschlägigen Immobilienportalen einige Details preis: Die beiden erhaltenen Backsteinbauten sollen um zwei Geschosse aufgestockt und durch zwei Neubauflügel ergänzt werden. Der stolze Preis für die so entstehenden Einheiten: knapp 500 000 Euro für eine 147 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung in der zweiten Etage, sogar fast eine Million Euro für eine 156 Quadratmeter große Vierzimmerwohnung in der fünften Etage.

Nicht ganz so teuer ist es auf der anderen, der Spree abgewandten Straßenseite, wo der Bauplatz für das auf den Namen „In the Heart of Berlin“ getaufte Projekt zu erkennen ist. „Kaufen statt Mieten“, heißt es auf dem Plakat am Informationscontainer, und von einem „sensationellen Quadratmeterpreis“ ist die Rede – der allerdings immerhin um die 3500 Euro pro Quadratmeter beträgt.

Mietwohnungen entstehen im Markgrafenkarree

Doch nicht nur in der Köpenicker Straße ist das ehemalige Grenzgebiet zwischen Mitte und Kreuzberg ins Visier der Immobilienbranche geraten. Besonders markant ist die Veränderung rund um den Spittelmarkt: Noch vor wenigen Jahren eine Einöde mitten in der Stadt, sind dort mittlerweile Hunderte von Wohnungen fertiggestellt, in Bau oder in Planung. Vorgestern feierte die Groth- Gruppe Richtfest für ihr Projekt „Wohnen an der Wallstraße“, das aus drei achtgeschossigen Häusern mit insgesamt 99 Eigentumswohnungen besteht.

Und in der Kommandantenstraße/Ecke Beuthstraße bereitet die Kölner Immobilienfirma Pandion die Realisierung ihres ersten Projekts in Berlin vor. „Das Umfeld ist sehr attraktiv geworden“, begründet Heinrich Falkenberg, Leiter Projektentwicklung bei der Pandion, die Standortentscheidung. Geplant sind 250 Eigentumswohnungen mit einer Durchschnittsgröße von etwa 80 Quadratmeter, die voraussichtlich Ende 2015 fertig sein sollen. Die Höhe der Wohnungspreise lässt sich laut Falkenberg noch nicht beziffern.

Nicht Eigentums-, sondern Mietwohnungen entstehen im Markgrafenkarree. Das ist der Block zwischen Markgrafen- und Krausenstraße, also ebenfalls in der Nähe des einstigen Grenzstreifens, den der Liegenschaftsfonds 2010 auf den Markt brachte. Jetzt will hier das Unternehmen Goldstein Real Estate aus Frankfurt am Main bis 2015 nicht weniger als 378 Mietwohnungen bauen. Diese werden zwischen anderthalb und vier Zimmer haben sowie zwischen 40 und 100 Quadratmeter groß sein. „Das ist eine gute Lage mit guter Infrastruktur“, schwärmt Goldstein-Geschäftsführer Erhard Ellenberger. Wie hoch die Miete sein wird, lässt er sich nicht entlocken – nur so viel: „Das wird der Markt zeigen.“

Und noch ein Projekt im Grenzgebiet zwischen Mitte und Kreuzberg: In der Alten Jakobstraße plant der Augsburger Immobilienkonzern Patrizia einen Neubau mit gut 100 Eigentumswohnungen. Baubeginn soll 2014, Fertigstellung 2016 sein. „Wir werden Zwei- bis Fünfzimmerwohnungen anbieten, wobei der Schwerpunkt auf Zwei- bis Dreizimmerwohnungen liegen wird“, sagt Ralf Beunink von der Patrizia. „Die Preise werden eine breite Zielgruppe ansprechen.“

Eine Ausnahme unter all diesen Investorenprojekten ist das Vorhaben Myrica in der Sebastianstraße. Bauherrin ist hier nämlich eine Genossenschaft, die Berolina eG, die auf dem ehemaligen Mauerstreifen 95 Wohnungen für ihre Mitglieder baut. „Insbesondere vor dem Hintergrund des derzeitigen Wohnungsmarktes in Berlin ist es uns als Genossenschaft wichtig, Mietwohnraum im Stadtzentrum – auch für Familien – zu schaffen“, sagte Berolina-Vorstandsmitglied Jörg Kneller bei der Grundsteinlegung.

In der Köpenicker Straße schlendern derweil Jugendliche zu ihrem Hostel, vorbei an Ruinen, Plattenbauten und Büropalästen. Ob sich die Gegend wirklich als Wohnlage durchsetzen wird? „Warum nicht?“, antwortet der erfahrene Makler Nikolaus Ziegert mit einer Gegenfrage. „Das Wasser ist nah und das Zentrum nicht weit. Man muss eine attraktive Mischung zwischen Wohnen, Gewerbe und alternativer Clubkultur hinbekommen. Gelingt das, ist das ein Gewinn für alle.“

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