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Immobilien: Das Haus des Kaisers wird zur Stadt

In der vierzehnten Folge unserer Serie erinnert an das frühere Schloß gerade noch eine U-Bahn-Haltestelle mit Namen "Schloßplatz".Das Berliner Architektenquartett Eckert, Negwer, Sommer, Suselbeek will den Ort, der nicht mehr des Kaiser ist, dem Volk zurückgeben.

In der vierzehnten Folge unserer Serie erinnert an das frühere Schloß gerade noch eine U-Bahn-Haltestelle mit Namen "Schloßplatz".Das Berliner Architektenquartett Eckert, Negwer, Sommer, Suselbeek will den Ort, der nicht mehr des Kaiser ist, dem Volk zurückgeben.Das Apartmenthaus, das sie an Stelle und in den Dimensionen des Schlosser pülanen, sieht einer Bastille ähnlich.Doch die wird nicht von außen, sondern allenfalls von innen zu stürmen sein - von denen, die darin wohnen.MZDIETER ECKERT, HUBERTUS NEGWER, DETLEF SOMMER, WOUTER SUSELBEEK ÜBER IHRE SCHLOSSPLATZ-VISIONDie Architekten Dieter Eckert, Hubertus Negwer, Detlef Sommer und Wouter Suselbeek Wir wollen das Schloß nicht wieder aufbauen, wir wollen das Schloß im Gedächtnis bewahren.Unser Vorschlag zeigt ein Objekt: Das Schloß, in unserer Vorstellung in eine Stadt transformiert.Mit unserem Bebauungsvorschlag, in den räumlichen Konturen des ehemaligen Stadtschlosses, "gedenken" wir seiner und des Ortes städtebaulicher und historischer Bedeutung, nicht jedoch der Architektur des Schlosses.Der italienische Architekt Aldo Rossi führte den Begriff der Permanenz in die städtebauliche Diskussion ein.Die Permanenz der Stadt, schrieb er, werde durch die Baudenkmäler, den sichtbaren Zeichen der Vergangenheit, aber auch an Straßenführungen und am Stadtplan erfahrbar.In Wirklichkeit blieben auch Phänomene für uns von Bedeutung, deren Funktion längst erloschen ist."Diese Bedeutung beruht ausschließlich auf ihrer Gestalt, die ein kostbarer Bestandteil der gesamten Stadtgestalt ist."Als faszinierendes Beispiel nennt er die Stadt Split, die innerhalb der Mauern des Diokletian-Palastes entstand und die für dessen unabänderliche Formen eine neue Nutzung fand.So versteht sich auch unser Vorschlag zum "Schloß": Häuser, die Bausteine einer Stadt, bilden die Form und das Volumen des ehemaligen Stadtschlosses.Dieses Stadtquartier hat eine eigene öffentliche Mitte und wird durch seine formale Geschlossenheit als "Stadt in der Stadt" erlebt."Das Schloß lag nicht in Berlin, Berlin war das Schloß": Dieser Satz, der einem Aufsatz von Wolf Jobst Siedler entstammt, einem Befürworter des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses, macht die Bedeutung des Schlosses für den Stadtorganismus deutlich.Der Autor beschreibt das Verhältnis zwischen Schloß und Stadt: Ein Verhältnis, das - über die Jahrhunderte betrachtet - einer Symbiose zweier Organismen gleichkommt, die dauernd zusammenleben und sich gegenseitig beeinflussen.Drei Beispiele dieser Wechselwirkung seien hier genannt: Zum einen wurden Vorder- und Rückseite, Ost- und Westseite des Schlosses ausgetauscht, als sich die Bedeutung des anschließenden Stadtraumes im Lauf der Geschichte wandelte.Zum anderen wurde der "Block" des Schlosses, das Wohnen um einen Hof, zum zentralen Thema für die Typologie der Häuser in der gesamten Stadt.Drittens: Das Schloß, zuerst als Wohnsitz und Burg gedacht, wuchs zur Hofapotheke, Hofbibliothek und Hofkunstkammer heran, bis diese Funktionen in eigenständigen Bautypen ausgelagert wurden und somit zu neuen Bausteinen der Stadt wurden."Aber alles, die engbrüstigen Häuser der Handwerker und die bescheidenen Palais des Adels, war auf das Schloß bezogen, das sie alle überragte.Kam man vom Tiergarten her durch das Brandenburger Tor, so ragte seine dunkle Masse in der Ferne und gab den ÔLindenÕ Halt".(Zitat W.J.Siedler).Wenn wir über eine Bebauung des Schloßplatzes nachdenken, stellt sich die Frage nach den beiden "Organismen" Stadt und Schloß.Nicht nur das Stadtschloß ist zerstört, auch die Dichte der "engbrüstigen Häuser" und die "bescheidenen Palais" sind Vergangenheit.Die reine bauhistorische Rekonstruktion des Baukörpers hilft nicht weiter - Visionen und Pläne sind gefragt.Als Abbild der Stadt wird unser "Schloß" aus Häusern gebaut, und als Vorbild für die Stadt gehorcht es dem Gesetz von Dichte und Masse: Das Volumen des Schlosses wird verdoppelt - die oberirdischen Häuser werden durch einen unterirdischen Sockelkranz gleicher Höhe zusammengehalten: Dichte als Konzept gegen die von vielen beschworene Leere in der Mitte Berlins.Der Ort, der nicht mehr des Kaisers ist, kann nur des Volkes sein: Unser Entwurf handelt nach diesem Zitat von Wolfgang Pehnt.Die Mitte von Berlin, ein "Wohnzimmer", in dem sich die Bewohner des Hauses Berlin treffen.Dies kann kein Gebäude sein, diese Rolle muß ein öffentlicher Raum übernehmen.Es muß ein besonderer Raum sein: Einer, der sich abgrenzt, um sich räumlich gegenüber der Offenheit des Lustgartens und den seitlichen Ufern der Spree zu behaupten.Er muß sich auch gegen den Verkehr abgrenzen.Dennoch sollte die Abgrenzung duchlässig sein, um die Menschen anzuziehen, wie einst die Tore des Schlosses, die in den Schlüterhof mündeten.Darüber hinaus sollte der Raum eine ganz eigene Qualität besitzen.Uns erscheint nichts eindrücklicher am zentralsten Ort einer Vier-Millionen-Stadt, als ein städtischer Garten.Durch die Vertiefung und den Kranz der Häuser grenzt er sich von den umgebenden Stadträumen ab.Der Garten lebt von den entstandenen Gegensätzen; einerseits der Hauptstadtverkehr auf der Achse "Unter den Linden", andererseits die Stille des tief gelegenen Ortes: Im Sommer ein Garten mit rahmenden Cafés, im Winter verwandelt in eine Eisfläche mit Zuschauern auf den umlaufenden Galerien, und über allem ein Ausschnitt des Himmels über Berlin.Von Beginn an orientierten wir uns an einem Leitbild zur Vorstellung dieses Raumes: an dem Hof des "Palais Royal" in Paris.Dieser umbaute Raum, mitten in Paris, ist heute eine Insel der Ruhe und Entspannung.Einst war es eines der geschäftigsten Zentren.Eine lebendige Mitte kann nur dort existieren, wo auch gewohnt wird.Da wir für Wohnungen am Rand der Stadt erst mühsam und kostenaufwendig eine Infrastruktur aufbauen müssen, liegt es auf der Hand, die vorhandenen innerstädtischen Freiflächen mit Wohnhäusern zu bebauen.Dieser Standort "Schloßplatz" verlangt nach einer besonderen Wohnform, man sollte hier nur exklusives Wohnen in Betracht ziehen.Das Apartmenthaus ist Ausdruck einer Haustypologie und Wohnform, wie sie heute in Berlin nicht existiert.In anderen europäischen und nordamerikanischen Großstädten ist das Apartmenthaus fester Bestandteil städtischer Haustypen, die aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse und Lebensweisheiten erforderlich sind.Die Wohnhäuser werden von den "Gassen" dazwischen erschlossen; damit wird eine direkte Konfrontation von profanen Hauseingängen und dem Gegenüber, z.B.dem Alten Museum, vermieden.Eine zweigeschossige großzügige Lobby bildet das Entree des jeweiligen Hauses.Über Aufzüge erreicht man auf jedem der acht Obergeschosse eine Halle, die analog zu dem von Häusern umstellten Hof den gemeinsamen Zugangsraum zu sechs Wohnungen bildet.Der Kommerz dient als Basis mit Tradition: 1827 entwarf K.F.Schinkel das Kaufhaus Unter den Linden, auch sein Entwurf geht zurück auf das Palais Royal.Mit Handel in Form von exklusiven Einzelhandelsgeschäften sollen der gesamte untere Sockelkranz und die beiden untersten Geschosse der Wohnhäuser genutzt werden.Die Ladengeschosse sollen nach dem "Modell der Passage" organisiert sein.Da sich gleichzeitig ein unbegrenztes Warenangebot und ein öffentlicher Raum präsentieren, läßt sich ungestört flanieren.Man kann auf den zum Hof hin offenen Galerien die Waren betrachten, sich zeigen.Es ist ein Sehen und Gesehen werden, ein Gefühl des Dabeiseins, ein kollektives Gefühl.Um die Qualität dieser Insel im Strom des Hauptstadtverkehrs zu erkennen, müssen wir sie gut erreichen können.Ein Grund, warum nur Metropolen diese Form des städtischen Lebens kultiviert haben.Wir schlagen eine Haltestelle "Schloßplatz" der geplanten U 5 vor.Die Zugänge der Linie sollten am tief gelegenen "Schloßplatz" unter freiem Himmel einmünden, wodurch die direkte Verkehrsanbindung der "Passage" gegeben wäre.Wir wissen, daß wir mit dem Modell der Passage eine Organisationsform anbieten, deren baulich architekonische Höhepunkte nicht in diesem Jahrhundert angesiedelt sind.J.F.Geist schreibt dazu: "Es ist klar, daß das Ende der Raumidee Passage zusammenfällt mit der Aufgabe des räumlichen Systems der Stadt als eines von öffentlichen Räumen durchschnittenen Ganzen.Das einzelne Gebäude verselbständigt sich, tritt aus der dienenden Rolle heraus.Die Stadt als ein System von Räumen wird ersetzt durch ein System von Körpern." Für uns gibt es an diesem Ort kein Entweder-Oder, es gilt beides zu erreichen: einen beeindruckenden Baukörper, ein Objekt, wie es das Schloß gewesen ist, und einen öffentlichen Raum für die Stadt und ihre Bewohner, eine Passage.Nur die Historie beschwören und rekonstruieren, ohne eine inhaltliche, zukunftsweisende Programmatik anzubieten, ist nicht der Schlüssel des Problems.Andererseits geht es auch nicht um spektakuläre Erfindungen von Figuren und Programmen für eine Stadt, die lediglich der weiterschreitenden Individualisierung der Gesellschaft Ausdruck verleihen.Für uns ist die Wiederherstellung, das heißt die Permanenz des Stadtraums an der Stelle des ehemaligen Berliner Stadtschlosses, die Erfüllung der Sehnsucht nach städtischen Orten; eine Sehnsucht, der in den zurückliegenden Stadtdiskussionen wenig bis keine Rechnung getragen wurde.

DIETER ECKERT[WOU], HUBERTUS NEGWER[WOU], DETLEF SOMMER[WOU]

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