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Immobilien: Der Kaminkehrer kommt bald im Blaumann

Am Jahresende fällt das Schornsteinfeger-Monopol. Auf Hausbesitzer kommen dann neue Pflichten zu.

Wenn Uwe Heybert mit dem Kehrbesen auf die Dächer von Berlin-Neukölln steigt, überblickt der Schornsteinfeger sein Reich: Kehrbezirk 0813, die Hufeisensiedlung, ein Schlüsselwerk modernen Städtebaus und deshalb Weltkulturerbe. Seit zehn Jahren ist Heybert dort für das Kehren und Messen an Schloten und Heizungen zuständig – zu festen Gebühren und ohne Konkurrenz, ein krisenfester Arbeitsplatz.

Doch beim Gang über die Dächer der bunt getünchten Reihenhäuser könnte der Schornsteinfeger schon in wenigen Monaten anderen Kaminkehrern begegnen. Denn zum Jahreswechsel fällt nach mehr als 70 Jahren das Schornsteinfeger-Monopol, Preise ersetzen viele Gebühren. Hausbesitzer können sich dann ihren Kaminkehrer aussuchen – und darauf hoffen, Geld zu sparen. Es dürfte aber Jahre dauern, bis der Wettbewerb in Schwung kommt.

Losgetreten hatte den Umsturz im Jahr 2003 die Europäische Kommission mit ihrer bekannten Abneigung gegen Monopole aller Art. Dass es hierzulande als Kaminkehrer ausschließlich hoheitlich tätige Handwerksmeister gibt, ohne jeden Wettbewerb im Kehrbezirk, allerdings unter dem Verbot von Nebentätigkeiten aller Art – das durfte nicht sein. Inzwischen sind alle Gesetze an EU-Normen angepasst, zum Jahresende läuft die letzte Übergangsfrist aus. Können Eigentümer schon jetzt Kaminkehrer aus dem EU-Ausland beauftragen – was wegen der Fahrtkosten jedoch nur selten infrage kommt –, haben Hausbesitzer nun auch im Bundesgebiet freie Hand.

Die Kehrseite der neuen Freiheit: Bisher kam der Schornsteinfeger automatisch, jetzt müssen sich Hausbesitzer selbst darum kümmern, dass die Kamine und Feuerungsanlagen fristgerecht gekehrt und geprüft werden; die meisten ahnen noch nichts von ihrer neuen Aufgabe. Es heißt aufzupassen wie beim Tüv-Termin für das Auto, sonst droht Ärger mit den Behörden.

Es gibt zwar für Hausbesitzer die Chance, im nächsten Jahr den einen oder anderen Euro zu sparen. Sehr groß wird diese Chance allerdings nicht sein, prognostiziert Gerold Happ, beim Eigentümerverband Haus&Grund Geschäftsführer für Immobilien und Umwelt. „Es haben sich noch keine Preise auf dem Markt gebildet“, sagt er. Happ erwartet, dass die Ex-Bezirksschornsteinfegermeister ihre Dienstleistungen zu den bisherigen Konditionen anbieten werden, mit einem Unterschied: „Aus Gebühren werden Preise.“ Bei Einfamilienhäusern geht es um Kosten von 50 bis 70 Euro im Jahr. „Die Mitbewerber werden mit ihren Offerten wohl etwas darunterbleiben.“

Von Januar 2013 an sieht das Prozedere folgendermaßen aus: Der Bezirksschornsteinfegermeister wird als künftiger Bezirksbevollmächtigter im Kehrbezirk weiterhin das offizielle Kehrbuch für jedes Gebäude mit einer Feuerungsanlage führen. Und er wird zwei Mal in sieben Jahren, also etwa alle drei Jahre, eine gesetzlich vorgeschriebene Feuerstättenschau absolvieren. Außerdem stellt der Chef im Kehrbezirk den Feuerstättenbescheid aus, der die Kehr- und Kontrolltermine festlegt. Das ist von den hoheitlichen Aufgaben geblieben.

Der Feuerstättenbescheid ist das entscheidende Dokument für den Hausbesitzer - darin sind alle Prüf- und Kehrarbeiten der folgenden Jahre festgelegt. Wer noch keinen Bescheid erhalten hat, sollte ihn bei seinem Bezirksschornsteinfegermeister anfordern; er kostet eine Gebühr von etwa 15 Euro.

Wie oft gekehrt werden muss, hängt von der Feuerungsanlage ab. Die Vorschriften reichen von ein- bis viermal im Jahr, je nach Brennstoffeinsatz und Verwendung. Im Dauerbetrieb mit Feststoffen wie Kohle oder Holz befeuerte Anlagen sind aufwendig, Öl-Heizungen hingegen sind schon deutlich wartungsfreundlicher. Die Abluftwege gasbetriebener Heizungsanlagen müssen nicht gekehrt werden. Weiter vorgeschrieben bleiben die Messungen, mit denen die Einhaltung der engen Grenzen bei der Schadstoffemission und der Energiesparvorschriften dokumentiert werden.

Wer vom kommenden Jahr an kehren darf, ist ebenfalls festgelegt: Die Kaminkehrer müssen entsprechend den Vorgaben des Schornsteinfeger-Handwerkergesetzes qualifiziert sein – das melden die zuständigen Landesbehörden und Handwerkskammern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Schon jetzt führt das Bafa auf seiner Website eine Datenbank mit allen Handwerkern und Betrieben, die prüfen, messen und kehren dürfen. Für Berlin sind aktuell 426 Schornsteinfeger eingetragen, für Potsdam gerade einmal sieben Handwerker mit Kehrbefugnis. Außer der Bafa-Auswahl dürfen sich auch Handwerker und Betriebe um Aufträge bemühen, die ihre Qualifikation gegenüber einer Handwerkskammer nachgewiesen haben; diese Bescheinigungen können auch an Handwerker aus dem EU-Ausland vergeben werden.

Vor allem haben die Hausbesitzer oder Verwalter darauf zu achten, den Schornsteinfeger rechtzeitig zu rufen – die Fristen dafür in den Feuerstättenbescheiden sind mit üblicherweise vier Wochen recht knapp gesetzt. Anschließend muss der beauftragte Betrieb den Vollzug der Kehrarbeiten auf einem vorgeschriebenen Formular an den Bezirksbevollmächtigten im Kehrbezirk melden. Wird der Termin überzogen, soll der Nachfahre des Bezirksschornsteinfegers „unverzüglich“, wie es heißt, die Behörden einschalten. Dann droht ein Zweitbescheid, der mit Kosten verbunden ist.

Noch etwas wird sich mit der Abschaffung des Kehrmonopols zum 1. Januar 2013 ändern: Kehrbezirke werden künftig nur noch auf sieben Jahre ausgeschrieben. Die Schornsteinfeger fürchten indes nicht, dass die neue Konkurrenz ihnen beim Angebotspreis das Wasser reichen kann. „Wer zu einzelnen Kunden fährt, hat viel höhere Anfahrtskosten als wir, die wir von Haus zu Haus gehen“, sagt Andreas Kramer, Sprecher des Zentralverbands Deutscher Schornsteinfeger.

Auch Uwe Heybert bleibt gelassen. In seinem Kehrbezirk in Neukölln hat er sich umgehört: „90 Prozent bleiben beim alten Schornsteinfeger.“ (mit dpa)

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