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Immobilien: Die Grenzen der Lebensgestaltung

Der eine feiert seine Badepartys am liebsten nachts um drei, der andere streicht seine Wohnung extravagant.Mitunter jedoch fühlt sich der Nachbar gestört, oder der Vermieter glaubt seinen Besitz ruiniert.

Der eine feiert seine Badepartys am liebsten nachts um drei, der andere streicht seine Wohnung extravagant.Mitunter jedoch fühlt sich der Nachbar gestört, oder der Vermieter glaubt seinen Besitz ruiniert.Wer das Recht auf individuelle Lebensgestaltung für sich beansprucht, stößt nicht immer und allerorts auf Zustimmung.So vermutete beispielsweise ein Berliner Bezirksamt die Zweckentfremdung einer 2-Zimmer-Wohnung und unterstellte dem Mieter, er würde sie als Lagerraum mißbrauchen.Von dieser Behauptung machten sich die Richter des Verwaltungsgerichts ein eigenes Bild.Und tatsächlich: Sie fanden in sämtlichen Räumen einschließlich Küche und Toilettenraum in Regalen deckenhoch gelagert Joghurtbecher, Milchtüten, Gurkengläser, Bier- und Cola-Dosen - allerdings sämtlich leer.Dabei war dem Mieter augenscheinlich nicht etwa der Weg zur nächsten gelben Tonne zu aufwendig, präsentierte er doch die Exemplare seiner Kollektion säuberlich ausgewaschen.Ein Blick in den Kühlschrank schließlich ergab, daß immerhin der gefüllt war "mit Lebensmitteln des täglichen Bedarfs".Da der Mieter sich zudem "im Jahresdurchschnitt mehr als die Hälfte der Tage" in der Wohnung aufhielt und dort schlief, mußten sich die Vertreter des Bezirksamtes vorhalten lassen, den Spielraum individueller Lebensgestaltung zu verkennen.Das private Sammeln bestimmter Gegenstände möge im Extremfall zwar "bauaufsichtsrechtlich von Bedeutung sein, ist jedoch ebenso wie das Ansammeln größerer Mengen von Büchern für den Privatgebrauch" hinsichtlich des Vorwurfes einer Zweckentfremdung der Wohnung "unschädlich" (Az.VG 10 A 46.96).

Im Hinblick auf das Mietverhältnis ebenfalls unschädlich dürfte in der Regel nächtliches Baden und Duschen sein - seit jeher eine sprudelnde Quelle der Unsicherheit und des Streits.So wurde einem Mieter fristlos gekündigt, weil er, so die Begründung des Vermieters, durch Baden und damit verbundene nächtliche Wassergeräusche seine Mitbewohner gestört habe, obwohl die dem Mietvertrag beiliegende Hausordnung ausdrücklich vorschreibe, daß in der Zeit von 22 Uhr bis vier Uhr nicht gebadet werden dürfe.Das Landgericht Köln stand dem Mieter bei.Eine derartige Klausel, auf die sich der Vermieter hier berief, beinhalte eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Mieters, beschieden die Richter.Schließlich erstrecke sich der Mietgebrauch auf alle Teile der Wohnung.Ein- und ablaufenden Wasser zähle zu den normalen Wohngeräuschen, die von allen Mitbewohnern hingenommen werden müßten.Der Kündigungsversuch blieb erfolglos, die Klausel in der Hausordnung, so das weiterreichende Ergebnis, verstößt als Allgemeine Geschäftsbedingung gegen das AGB-Gesetz (Az.1 S 304 / 96).

Demgegenüber schränkte das Oberlandesgericht in einem früheren Bade-Urteil ein, daß nächtliches Baden und Duschen in einem Mehrfamilienhaus grundsätzlich nur dann hingenommen werden müsse, wenn es die Dauer von 30 Minuten nicht überschreite.Dauerduschen - drei Stunden lang - hielten die Richter für unzulässig (Az.5 Ss Owi 411 / 90 - Owi 181 / 90 I).

Spätestens beim Auszug muß mit Ärger rechnen, wer Türen und Rahmen in der Wohnung per Pinselstrich seiner individuellen Lebensgestaltung anpassen möchte."Das Gebrauchsrecht des Mieters schließt eine farbliche Umgestaltung, die das äußerliche Erscheinungsbild der Wohnung wesentlich verändert, nicht ein", urteilte das Landgericht Aachen.In vorliegendem Fall hatte der Mieter die mit Klarlack behandelten Rahmen der Naturholztür grau lackiert, was die Richter als Eingriff in die Wohnungssubstanz werteten.Dazu sei der Mieter nicht berechtigt gewesen und hätte beim Auszug wieder den Ursprungszustand herstellen müssen."Ein derartiger Eingriff in das Eigentum des Vermieters wird nach Auffassung der Kammer nicht von dem Gebrauchsrecht des Mieters umfaßt", heißt es in der Begründung.Der Mieter wurde zu Schadensersatz verpflichtet.

Weniger Sorgen müssen sich Mieter machen, die das Chaos lieben oder es schlechterdings nicht in den Griff bekommen: Den Vermieter geht es grundsätzlich nichts an, ob der Mieter Ordnung hält oder nicht.Sowohl das Amtsgericht Wiesbaden als auch das AG Frankfurt wiesen fristlose Kündigungen seitens der Vermieter wegen vermeintlicher Verwahrlosung der Wohnung ab (Az.92 C 5387 / 96-13 und Az.33 C 2515 / 97-67).Das "zentimeterhohe Herumliegen von Zeitungen, Computerteilen und Kleidungsstücken auf dem Boden" jedenfalls, selbst ein "schlecht dekorierter Zustand infolge unterlassener Schönheitsreparaturen", führe nicht zu einer Substanzgefährdung der Räume.Durch bloße Unordnung droht der Wohnung also kein Schaden.In diesem Punkt hat jeder seinen ganz persönlichen Gestaltungsspielraum.

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