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Immobilien: Die Metallgewerkschafter zieht es zurück nach Frankfurt

Die Industriegewerkschaft (IG) Metall zieht es zurück an ihren alten Standort - das Frankfurter Bahnhofsviertel.Dort hatte die weltweit größte Einzelgewerkschaft bis 1992 schon einmal ihren Hauptsitz.

Die Industriegewerkschaft (IG) Metall zieht es zurück an ihren alten Standort - das Frankfurter Bahnhofsviertel.Dort hatte die weltweit größte Einzelgewerkschaft bis 1992 schon einmal ihren Hauptsitz.Als sich herausstellte, daß am alten, asbestverseuchten Gebäude die notwendige Komplettsanierung zu teuer würde, riß die Gewerkschaft ihre Zentrale kurzerhand ab.Auch der Plan für einen Neubau auf einem gewerkschaftseigenen Grundstück an der Theodor-Heuss-Allee scheiterte.So erwarb die Gewerkschaft die ehemaligen Nixdorf-Zwillingstürme in der Frankfurter Bürostadt Niederrad und zog um.Jetzt aber soll es nach dem Willen der Gewerkschaftsfunktionäre "back to the roots" gehen.

Mitte Oktober 1998 reichten sie den Bauantrag für ein neues Hochhaus am alten Standort in der Wilhelm-Leuschner Straße 79 bis 89 bei der Stadtverwaltung ein.Baubeginn soll noch im Frühjahr sein.Der genaue Termin steht noch nicht fest.Die erste Teilbaugenehmigung für das Objekt liegt mittlerweile allerdings vor.

Die neue IG Metall-Zentrale wird insgesamt 22 Stockwerke und eine Fläche von knapp 28 000 Quadratmetern haben.Neben Büroflächen sind auch 66 Wohnungen geplant - alle mit Blick auf den Main - mit einer gesamten Wohnfläche von 4030 Quadratmetern.Hier reicht das Angebot vom Ein-Zimmer-Appartement mit etwa 50 Quadratmetern bis zur Drei-Zimmer-Maisonette mit 120 Quadratmetern.Sie sollen frei vermietet werden.Den Eingang ins Gebäude prägt ein Atrium mit Restaurant, Café und kleinen Läden.Denn nach dem Willen der Gewerkschaft sollen Frankfurter in der neuen Zentrale nicht nur arbeiten und wohnen, sondern auch einkaufen und schlemmern können.Wer die einzelnen Handelsflächen mieten soll, dazu gibt es nach Auskunft von IG-Metall-Sprecher Jörg Barczynski noch keine konkreten Überlegungen.

Die Gewerkschaft will sich mit ihrem Neubau, der mit rund 80 Metern ein hohes Haus, aber kein typisches Hochhaus sein soll, von den unweit stehenden Bankentürmen unterscheiden."Das neue IG-Metall-Haus ist so konzipiert, daß es für die Frankfurter offen ist", sagt Architekt Helmut Kleine-Kraneburg.Gemeinsam mit seinem Partner Martin Gruber entwarf er die Pläne, die bei einem Architekten-Wettbewerb vor drei Jahren das Rennen machten.Als "Fenster zur Stadt", also hell und transparent, verstehen die beiden Architekten den IG-Neubau.

Auch bei der technischen Ausstattung des Hochhauses zeigt sich die IG Metall innovativ und umweltfreundlich.Die Techniker verzichteten auf energieintensive Kühlanlagen.Sie wählten ein sogenanntes Bauteilkühlsystem: Für wohlige Temperaturen sorgt im Winter Fernwärme, für Kälte im Sommer das Wasser aus dem in der Nähe vorbeifließenden Main.Das je nach Wetterlage kalte oder warme Wasser zirkuliert dabei durch Boden und Decken: "Wir nutzen die riesige Baumasse als Klimakörper", sagt Martin Gruber.Und wenn der Main im Sommer 24 Grad warm ist, dann pumpt die Klimatechnik das im Winter gespeicherte Wasser in den Kreislauf: Das hat eine Temperatur von 5 Grad Celsius und lagert in Betonpfeilern, die 50 Meter im kühlen Erdboden eingelassen sind.

Die Herstellungskosten für das ausgeklügelte Heiz- und Kühlsystem sind Kleine-Kraneburg zufolge geringer als die einer konventionellen "Vollklimatisierung".Auch im Vergleich zu den üblichen Kühldecken schließe die innovative Technik gut ab: Die Betriebskosten seien aufgrund der geringen geförderten Luftmengen und den relativ hohen Systemtemperaturen geringer.

Rund die Hälfte der Büroflächen wird die Gewerkschaft voraussichtlich selbst nutzen.Eine endgültige Entscheidung steht allerdings noch aus.Sicher ist, daß mindestens die Hälfte fremde Mieter finden soll.So jedenfalls bekundet die Gewerkschaft immer wieder ihre Absicht.Ganz ausschließen will sie aber auch nicht, daß sie den gesamten Neubau vermietet oder sogar verkauft - und doch in Niederrad bleibt.Der Grund für so viel Unwägbarkeiten kurz vor Baubeginn: Bevor die Gewerkschaft ihr neues Domizil beziehen kann, muß das bisherige Gebäude einen neuen Nutzer finden.

Doch der Verkauf könnte schwierig werden.Den seinerzeit gezahlten Kaufpreis von 210 Mill.DM wird die Gewerkschaft wohl nicht annähernd wieder hereinholen können.Zum einem sind die Immobilienpreise seit dieser Zeit auf breiter Front gefallen, zum anderen will das Gerücht nicht verstummen, die IG Metall habe damals einen viel zu hohen Kaufpreis für ihr Domizil gezahlt.Statt der 210 Mill.DM hätten die ehemaligen Nixdorf-Türme eigentlich nur 130 Mill.DM kosten dürfen, sagen Immobilien-Experten.

Die undurchsichtigen Umstände beim Erwerb des Niederräder Gebäudes hatten die Gewerkschaft im Herbst 1992 in eine Immobilienaffäre gestürzt.Sie führte zum Rücktritt des damaligen Vorsitzenden Franz Steinkühler und des Hauptkassierers Werner Schreiber.Seinen Hut mußte auch der ehemalige Präsident des Frankfurter Oberlandesgerichts Horst Henrichs nehmen.Er hatte für die IG Metall ein Gutachten zur Aufklärung der Hintergründe erstellt - zum Preis von 1,34 Mill.DM.

Mit dem Bezug des Neubaus soll diese Affäre nach dem Willen der Gewerkschaft nun endlich zu den Akten gelegt werden.Bleibt nur zu hoffen, daß die IG-Metall-Funktionäre diesmal wirklich ein glücklicheres Händchen bei ihren Immobiliengeschäften haben.Ein neuer Skandal würde sich gewiß nicht positiv auf die ohnedies schon schwindende Mitgliederzahl auswirken.

CORNELIA HEER

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