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Das Haus als Kraftwerk. Hier soll doppelt so viel Energie produziert werden, wie von einer vierköpfigen Familie verbraucht wird.

© Ulrich Schwarz

Effizienzhaus: Von der Altbauwohnung ins High-Tech-Haus

Ende Februar zieht eine vierköpfige Familie aus Prenzlauer Berg in das neue Energieeffizienzhaus in Charlottenburg. Bis dahin kann der Prototyp noch besichtigt werden.

Die Zukunft der Energieerzeugung ist in Berlin-Charlottenburg zu besichtigen. In der Fasanenstraße 87a steht ein modernes Einfamilienhaus, dem als vermutlich erstem Gebäude seiner Art die Ehre zuteil wurde, von Bundeskanzlerin und Bundesbauminister eröffnet zu werden (der Tagesspiegel berichtete). Der Grund für die Aufmerksamkeit der Politiker: Das sogenannte Effizienzhaus Plus vollführt das Kunststück, mehr Energie zu erzeugen als zu verbrauchen.

Um dies zu erreichen, vereint das Haus fast alles, was derzeit technisch möglich ist: Es verfügt über eine hoch gedämmte Fassade, ist mit einer äußerst effizienten Gebäudetechnik ausgestattet und nutzt erneuerbare Energien zum Heizen und zum Erzeugen von Strom. Weil sich der so produzierte Strom zum Betrieb von Elektroautos verwenden lässt, unterstützt es auch gleich noch die Bestrebungen der Politik, die Elektromobilität populär zu machen.

Eine zentrale Rolle in diesem Konzept kommt der Nutzung der Sonnenenergie zu. Fast hundert Quadratmeter Dachfläche sind mit Fotovoltaikmodulen ausgestattet, und auch die Südfassade ist mit schwarzen Fotovoltaikelementen bestückt. Die rund 16 500 Kilowattstunden Strom, die dadurch jährlich erzeugt werden, können ins öffentliche Stromnetz eingeleitet, aber auch in einer Batterie zwischengespeichert werden. Diese Batterie wiederum speist die Elektroautos, die namhafte Hersteller für das Modellprojekt zur Verfügung stellen.

Geheizt wird dagegen nicht mit der Sonne, sondern mit einer Luft-Wasser- Wärmepumpe, welche die nötige Wärme für Heizung und Warmwasser aus der Außenluft gewinnt. Eine zusätzliche Heizung, etwa mit Fernwärme oder einem Ölbrenner, ist nicht erforderlich. Damit im Winter auch wirklich niemand frieren muss, haben die Planer zudem für eine „Minimierung der Wärmeverluste durch die Gebäudehülle“ gesorgt: Die Außenwände sind mit einer 36 Zentimeter dicken Zellulosedämmung versehen, während die Glasfassaden eine Dreifach-Isolierverglasung aufweisen. Damit das Gebäude so wenig Wärme wie möglich abgibt, wurde bei der Nordfassade auf Fenster verzichtet. Die Fotovoltaikfassade wiederum ist nach Süden ausgerichtet, um möglichst viele Sonnenstrahlen zu absorbieren. Abgerundet wird das Energiekonzept durch eine mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung.

Verantwortlich für die Planung ist der Stuttgarter Ingenieur Werner Sobek mit dem Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart; er setzte sich in einem vom Bundesbauministerium ausgelobten Wettbewerb durch. Sobek, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), beschränkt die Nachhaltigkeit in seinem Berliner Einfamilienhaus nicht auf Energieeffizienz. Vielmehr sollen sämtliche Bauteile wieder verwendbar oder rezyklierbar sein – was vor allem deshalb wichtig ist, weil das Gebäude als Modellprojekt mit einer Lebensdauer von nur zwei bis drei Jahren angelegt ist. Konstruiert ist es in Holztafelbauweise. Damit die Bauteile sauber voneinander getrennt werden können, sind sie nicht verklebt, sondern durch Schrauben oder Klemmvorrichtungen miteinander verbunden. Die kurze Lebensdauer des Gebäudes ist übrigens auch der Grund, weshalb die Planer auf die Nutzung von Geothermie verzichtet haben: Der Aufwand für den Rückbau der Erdsonden wäre unverhältnismäßig hoch gewesen.

„Ich will, dass dieses Haus kein Prototyp bleibt“, versichert Bundesbauminister Peter Ramsauer. 2011 startete er deshalb ein Förderprogramm, das die wissenschaftliche Entwicklung von Plusenergiehäusern mit 1,2 Millionen Euro fördert. Allerdings ist das Thema auch ohne den staatlichen Impuls schon längst in der Praxis angekommen – verschiedene Fertighaushersteller bieten nämlich ebenfalls Einfamilienhäuser an, die mehr Energie erzeugen als verbrauchen und teilweise gleichfalls auf die Kombination mit Elektromobilität setzen. Bien-Zenker etwa entwickelte die Hausserie Concept-M, die nach Herstellerangaben einen jährlichen Energieüberschuss von rund 6500 Kilowattstunden erzielt. Ähnlich groß ist der Energiegewinn den Berechnungen zufolge beim Effizienzhaus Plus in der Fasanenstraße. Dort allerdings wollen die Begleitforscher nicht nur herausfinden, ob sich die technischen Berechnungen in der Realität bestätigen, sondern auch, ob die Nutzer mit den Anforderungen des Gebäudes zurechtkommen. Deshalb wird im März eine vierköpfige Familie aus Prenzlauer Berg nach Charlottenburg umziehen und für 15 Monate unter Beobachtung der Wissenschaftler im 136 Quadratmeter großen Modellhaus wohnen. Zu hoffen ist, dass die vier gut mit Technik zurechtkommen; die Steuerung von Heizung, Licht und sonstiger Haustechnik erfolgt nämlich über Bildschirm und Smartphones. Zu hoffen ist auch, dass ihnen erspart bleibt, was die Pressevertreter bei der ersten Besichtigung des Hauses erlebten: Da ließ sich nämlich plötzlich die Haustür trotz hektischen Herumdrückens auf dem Display nicht mehr öffnen.

Bis die Familie einzieht, kann das Effizienzhaus Plus (Fasanenstraße 87a, Berlin-Charlottenburg) besichtigt werden (bis Ende Februar, dienstags bis sonntags kostenfrei von 11 bis 18 Uhr). Eine Führung gibt es an jedem Öffnungstag um 16 Uhr (Anmeldung nicht erforderlich). Hinweise zu Veranstaltungen im Effizienzhaus Plus finden sich unter www.zebau.de

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