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Immobilien: Ein betrügerischer Verbraucherschützer

Seit 17 Jahren unterstützt ein kleiner Verein in Bayern Opfer von Finanzjongleuren und Immobilienhaien. Vor zwei Jahren erlag einer der Aufrechten selbst der Versuchung. Er wollte schnelles Geld machen auf Kosten von Ratsuchenden. Nun sitzt er in Haft.

Er hatte sich viele Jahre in den Dienst der Schwachen und Betrogenen gestellt. Er hatte ihnen eine Stimme verliehen. Und er war gegen die perfiden Geschäftemacher am grauen Kapitalmarkt zu Felde gezogen. Nun sitzt der ehemalige Pressesprecher des Vereins für Existenzsicherung, Dietrich Weber (Name geändert), in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Betrug. Die Betroffenen: in wirtschaftliche Not geratene Menschen auf der Suche nach Unterstützung.

Der Schock sitzt tief beim Verein für Existenzsicherung (VfE). Präsident Johan Tillich hat keine Erklärung für den Absturz des Wirtschaftsjournalisten und früheren Sprecher seines Vereins: „Der hat sonst immer auf der richtigen Seite des Zauns gestanden.“ Seit 17 Jahren bekämpfen Tillich und die rührigen Verbraucherschützer aus dem bayerischen Karlsfeld windige Finanzjongleure und helfen deren Opfern, aus dubiosen Verträgen auszusteigen. Just dieses Renommee soll der ehemalige VfE-Sprecher missbraucht haben, um Kapital aus dem Unglück Rat suchender Schuldner zu schlagen. Zunächst soll Weber Menschen im Auftrag der „Invicta Leasing ILG“ geschädigt haben, später mit seinem eigenen „Europäischen Institut für Konsumentenschutz“. Der Schaden soll sich bei Opfern aus Deutschland, Österreich und Ungarn auf knapp 4,5 Millionen Euro belaufen.

Ein einfacher Trick

Der Trick der mutmaßlichen Betrüger war einfach: Sie versprachen in Geldnöte geratenen Menschen einen Kredit, verlangten dafür aber zunächst Geld von ihren künftigen Schuldnern. Das in Aussicht gestellte Darlehen zahlten sie nie. Das „Eigenkapital“, das ihnen die verhinderten Schuldner zuvor überwiesen hatten, bekamen die Betroffenen auch nicht zurück. Mahnungen der Geschädigten und ihrer Rechtsanwälte liefen ins Leere. Nun führt die Staatsanwaltschaft Berlin ein Strafverfahren gegen Weber und andere Verantwortliche der beteiligten Firmen „unter anderem wegen Betruges“.

Rudolf Maier (Name geändert) ist einer der Geschädigten. Auch er geriet aus der Not heraus an die Geschäftemacher. Er wollte sein Eigenheim umschulden: die alten Kreditverträge durch neue ersetzen. Ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Nur nicht für Maier. Denn fehlgeschlagene Börsenspekulationen und unbezahlte Rechnungen hatten ihm einen negativen Schufa-Eintrag eingebracht. Für Kreditnehmer ist das der Sündenfall: Wer keine weiße Schufa-Weste hat, wird aus jeder Schalterhalle vertrieben. Denn die Logik im gestrengen Bankengewerbe lautet: Wer ein Mal seine Verbindlichkeiten nicht mehr zahlen konnte, wird auch künftig kein zuverlässiger Kreditkunde mehr werden.

Maier wandte sich an den Verein für Existenzsicherung. Auf diesem Wege kam er mit Weber ins Gespräch. Der Journalist war damals noch Pressesprecher des Vereins. Doch zugleich vermittelte Weber auch schon „Leasing-Modelle“ für die Firma Invicta. Dieses Nebengeschäft seines Sprechers war VfE-Chef Tillich bekannt. Weber sei sogar entlassen worden, nachdem der VfE-Sprecher in der von ihm erstellten Vereins-Zeitung für eigene dunkle Geschäfte geworben hatte. Doch auch da sei noch nicht abzusehen gewesen, dass Weber geprellte Menschen hinterlassen würde: „Nicht jedes Leasing-Modell ist betrügerisch“, sagt Tillich.

Einen Vertrauensvorschuss genoss der damalige VfE-Sprecher nicht nur in dem gemeinnützigen Verein, sondern auch bei dem Vater des verhinderten Schuldners: Die beiden Männer kannten sich aus dem bayerischen Journalistenverband. Zusammen mit seinem Vater sei Maier dann auch zum ersten Treffen mit dem „Gebietsleiter von Invicta“ gereist. Der Vater habe auch die später unterzeichneten Verträge überprüft. An der dazu erforderlichen Fachkompetenz hätte wohl niemand gezweifelt: Maier Senior saß im Aufsichtsrat einer Bank. In Geld- und Finanzgeschäften sollte er sich auskennen.

Dass er dennoch Opfer der mutmaßlichen Betrüger wurde, lag wohl an dem schönen Schein rund um deren hässliches Geschäft. Das angebliche „Leasing-Modell“ umwehte ein Zauber wundersamer Geldvermehrung, der schon im Börsenboom der späten 90er Jahre die halbe Nation in den Bann gezogen hatte, bis die meisten Anleger auf dem Boden des glatten Parketts hart aufschlugen. Aus dem rhetorischen Fundus der Finanzjongleure an Kapital- und Immobilienmärkten bedienten sich auch die Männer der Invicta und strickten ihren Kunden daraus ein raffiniertes Finanzierungsmodell.

Demnach sollte der Kunde mit der Leasing-Firma einen Vertrag über die Gewährung eines Großkredits abschließen. Dieses Darlehen sollte in drei Teile aufgespalten werden. Ein Drittel des Geldes würde dem Schuldner ausgezahlt zur freien Verfügung. Das zweite Drittel des Darlehens wollten die Invicta-Manager in eine fondsgebundene Lebensversicherung investieren. Der dritte Teil der Summe sollte in Aktienfonds und spekulative Börsenpapiere fließen. Eine solche „Anlagestrategie“ nach dem Prinzip der Diversifizierung fände wohl auch die Zustimmung seriöser Berater – sofern das investierte Geld beispielsweise aus einer Erbschaft stammen würde. Doch die Invicta-Kunden hatten kein Geld, sie sollten nur das Kapital anlegen, das ihnen die Invicta bereitstellte.

Dieses Geld, so wurde Maier weiter erklärt, komme von Banken in Japan. Dort herrsche Deflation. Deshalb seien die Zinsen niedriger als hier zu Lande. Auch dieser Teil der Geschichte stimmt. Nur nicht der Folgende: Die niedrigen japanischen Zinsen, so führten die Invicta-Manager aus, würden von den Überschüssen bezahlt, die man aus der Spekulation auf die Wertpapiere erwirtschaften würde. Daher könne die Invicta Maier ein schönes Angebot machen: „Der Darlehensnehmer“, so steht es in dem Vertrag, „hat lediglich Zinsleistungen in Höhe von Euro 0,-- und keine Tilgungsleistungen für die Finanzierung zu leisten.“ Im Klartext: Maier sollte einen Kredit zum Nulltarif erhalten.

Spätestens hier, so sagen Finanzierungsexperten, hätten die Alarmglocken bei den Betroffenen läuten müssen. Alles, auch das Geld, hat im Kapitalismus seinen Preis. Warum also sollten international tätige Investoren dem mittellosen Maier im bayerischen Neusäß Geld zum Nulltarif überlassen? Bei näherer Betrachtung sei die angebliche „Zinssubventionsanlage“, wie es im Kreditvertrag heißt, darüber hinaus mit Währungsrisiken verbunden. Steige der Wert des Yens im Verhältnis zum Euro während der Kreditlaufzeit, dann schmelze der Zinsvorteil wie Schnee in der Sonne: Denn der Kredit müsse in Yen zurückgezahlt werden, wenn die japanische Währung dann aber im Wert gestiegen sei, komme die Tilgung europäischen Schuldnern teuer zu stehen .

Doch so genau, wollte es Maier wohl gar nicht wissen. Sein Vater offenbar auch nicht. Maier brauchte Geld. Ihm winkte ein Kredit in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Dafür war er sogar bereit, zuvor sein letztes Geld auf das Konto der Finanzjongleure zu überweisen, 50000 Euro. In Sicherheit wog sich Maier dabei auch deshalb, weil ihm die Invicta eine Grundschuld auf Immobilienvermögen als Sicherheiten für sein Geld angeboten hatte.

Das überzeugte: Ein Notar und Rechtsanwalt aus Berlin beglaubigte die Verträge und auf dessen Konto floss Maiers Geld. Im Gegenzug sollte der Notar zugunsten von Maier ein Grundstück im Eigentum der Leasing-Firma belasten. Sollte das Geschäft platzen, dieser Eindruck wurde vermittelt, würde Maier seine 50000 Euro schon zurückbekommen – Notfalls durch die Zwangsversteigerung des Invicta-Grundstückes. Was die heutigen Opfer nicht wussten: Das belastete Grundstück war mit über fünf Millionen Euro völlig überschuldet.

Das Gutachten über den Wert der Liegenschaft, angeblich durch einen Sachverständigen der Industrie- und Handelskammer erstellt, soll gefälscht gewesen sein: Der Gutachter soll vor Ort unbekannt sein.

Maier und sein Vater sind ihr Geld vorerst los. Die Firma Invicta Leasing ist insolvent. „Wir fürchten, dass das Geld in dunkle Kanäle abfließt“, sagt Rechtsanwalt Kai Sünkenberg. Daher habe er im Auftrag von Maier und weiteren fünf Geschädigten Strafanzeige wegen Betruges gegen die Verantwortlichen gestellt. Zudem versuche er das veruntreute Geld zivilrechtlich einzuklagen.

Laut Rechtsanwalt Sünkenberg ließen sich die meisten Opfer wie Maier auf das Leasing-Modell vor allem deshalb ein, weil sie keine andere Alternative hatten. Zu den Geschädigten zähle ein verschuldeter Eigenheim-Besitzer, der seine Arbeit verloren hatte und seiner Bank deshalb nicht mehr die fälligen Baugeld-Zinsen bezahlen konnte. Außerdem sei ein Schreiner betroffen, der mit den Leasing-Krediten auf seinen betrieblichen Grundstücken lastende Schulden tilgen wollte. Auch er war in wirtschaftliche Not und mit seiner Bank in Konflikt geraten.

Der Rechtsanwalt der Geschädigten glaubt, dass die an dem mutmaßlichen Betrug Beteiligten nie auch nur die Absicht gehabt hatten, den Geschädigten einen Kredit auszuzahlen. Man habe es lediglich auf das Geld der Düpierten abgesehen. „Da wurde mit der Not der Menschen gespielt“, sagt Sünkenberg, „um ihnen den letzten Euro aus der Tasche zu ziehen.“

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