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Immobilien: Eine kalte Dusche

Erst Jahre nach ihrem Einzug wurden die Mieter der Hüttenwegsiedlung zur Kasse gebeten. Und wunderten sich. Bis zu 7500 Euro insgesamt mussten sie für warmes Wasser und Energie nachzahlen. Nun beschäftigt der Fall die Gerichte

Bis Anfang des Jahres war André Stolze mit seiner Wohnung in der Hüttenwegsiedlung rundum zufrieden. Die frühere Alliierten-Immobilie war ihren Mietpreis wert, zumal man in dieser Lage im Südwesten der Stadt ruhig und grün wohnt. Doch seitdem Stolze einen Brief vom Bundesvermögensamt, dem Eigentümer der Liegenschaften erhalten hat, ist es mit der Idylle vorüber: Der Unternehmensberater soll für die Überlassung der Wohnung ein kleines Vermögen nachzahlen, 4175 Euro Betriebskosten. So hoch sei der Unterschied zwischen den in den vergangenen Jahren bezahlten monatlichen Pauschalen und den tatsächlich angefallenen Kosten für das warme Wasser und die Heizungsenergie. Hätte er mit auch nur annähernd so hohen Kosten rechnen müssen, so sagt Stolze, wäre er wohl nie in diese Wohnung gezogen. Doch nun ist es zu spät.

Der Preis der so genannten zweiten Miete steigt seit Jahren unaufhörlich. Zuletzt sorgten die überhöhten Preise für die Müllabfuhr der landeseigenen Berliner Stadtreinigung für Aufregung unter Grundeigentümern. Verärgert nahmen sie auch die Anhebung der Grunderwerbsteuer zur Kenntnis. Doch der Preisauftrieb bei den Nebenkosten belastet nicht nur Immobilieneigentümer. Wer seine Wohnung vermietet, gibt diese Aufwendungen an den Mieter weiter. Das Ergebnis: Mieter- und Grundeigentümervereine zählen die Abrechnung der Nebenkosten zu den häufigsten Streitfällen. Zwar ist gesetzlich klar geregelt (siehe Kasten), dass nur die tatsächlich bei einer konkreten Immobilie anfallenden Kosten vom Eigentümer auf den Nutzer des Objektes abgewälzt werden dürfen. Dennoch weiß auch der Mieterverein von einer Vielzahl von Fällen, in denen falsch oder ungenau abgerechnet wird.

Dieter Blümel, Sprecher des Eigentümerverbandes Haus und Grund, nennt die Abrechnung von Nebenkosten ein „zentrales Problem“. Ihm ist ein Fall bekannt, wo der Streit über die Abrechnung von sieben Euro durch drei Instanzen bis zum Bundesgerichtshof ausgetragen wurde. Die Zahl der Urteile zu Nebenkosten sei groß. Deshalb veröffentlicht Blümel in seiner Publikation „Grundeigentum“ regelmäßig Tabellen mit Urteilen, die nach Amtsgerichten geordnet werden. Denn: Nicht einmal in Berlin kämen die verschiedenen Richter in vergleichbaren Fällen zum selben Ergebnis.

Beheizung der Regenrinne berechnet

Zu den häufigsten Streitfällen der jüngeren Vergangenheit zähle, wie viel von den Aufwendungen für den Hauswart, neudeutsch: „Doorman“, als Nebenkosten abgerechnet werden dürfen. Das ist ein neues Problem, seitdem der Hauswart in Wohnanlagen auch Liefer- und Sicherheitsdienste übernimmt. Eher unter der Rubrik Absonderlichkeiten mutet der Streit darüber an, ob die Stromkosten für die Beheizung einer Regenrinne auf den Mieter umgelegt werden dürfen. Wichtig dagegen: Besitzer eines Eigenheimes dürfen die Wasserwerke nicht mehr die Gebühren für das abgeleitete Regenwasser berechnen, sofern dieser Anteil mehr als 15 Prozent der Gesamtkosten der Abwasserrechnung betragen. Hintergrund: Bei Eigenheimen versickert das Regenwasser meistens auf dem Grundstück, fließt also gar nicht zu den Wasserwerken.

Besondere Probleme entstehen bei großen Anlagen wie der Hüttenwegsiedlung. Rund 380 Wohnungen gibt es auf dem früheren Alliierten-Standort. Nach dem Abzug der Militärs Anfang der 90er Jahre hatte der Bund die Immobilien übernommen. Zunächst sollten die Wohnungen Beamten und Angestellten angeboten werden, die im Rahmen des Regierungsumzugs von Bonn nach Berlin zogen. Daher hatte die Regierung die Immobilien der seinerzeit der bundeseigenen Frankfurter Siedlungsgesellschaft zur Verwaltung und zwischenzeitlichen Nutzung überlassen. Doch diese wurde 2002 privatisiert, und die Verwaltung der Hüttenwegsiedlung fiel dem Bundesvermögensamt zu. Dort passierte dann erst einmal gar nichts. „Wir haben fünf Jahre auf die Abrechnungen gewartet“, sagt Stolze, „und jetzt müssen wir für eine 100-Quadratmeter-Wohnung bis zu 4000 Euro im Jahr für Wasser und Wärme bezahlen. Das ist bundesweit einmalig.“

Der Sprecher vom Bundesvermögensamt wiegelt ab: „Die Mieter haben in dieser Zeit profitiert, weil sie nur kleine Pauschalen für Heizung und warmes Wasser bezahlen mussten“, sagt Helmut John, „jetzt müssen sie das eingesparte Geld eben nachzahlen.“ Dass die Abrechnung der Aufwendungen so spät kam, sei auf Versäumnisse der Frankfurter Siedlungsgesellschaft zurückzuführen. Diese sei vertraglich verpflichtet gewesen, die Kosten mit den Mietern abzurechnen. Dem sei sie jedoch nicht nachgekommen. Nachdem die Gesellschaft verkauft war, hätte seine Behörde auch nicht mehr genügend Druck auf den früheren Auftragnehmer ausüben können, die Unterlagen vollständig zu übergeben. So habe das Bundesvermögensamt zunächst Daten sammeln müssen, um das Versäumte nachholen zu können.

Michael Häberle, Rechtsberater beim Berliner Mieterverein, sagt, die so viele Jahre herausgezögerte Abrechnung der Kosten sei umstritten. „Außerdem ist es natürlich nicht schön, alle Abrechnungen seit 1996 auf einen Schlag zu bekommen und dann auf die Schnelle bis zu 7553 Euro nachzahlen zu müssen“, sagt er. Inzwischen sei ein derart lachser Umgang mit Mietern nicht mehr möglich. Denn seit dem 1. September 2001 gelte die so genannte Jahresausschlussfrist. Seit diesem Datum müssten alle Vermieter spätestens ein Jahr nach Abschluss einer Abrechnungsperiode dem Mieter gegenüber Rechenschaft abgelegt haben. Geschehe dies nicht, dann könne der Eigentümer keine Nachzahlungen mehr fordern. Hat der Mieter dagegen zu viel bezahlt, kann er dieses Geld auch nach der Frist von dem Eigentümer zurück verlangen.

„Falsche Abrechnung“

Etwa 25 Mieter der Hüttenwegsiedlung vertritt der Berliner Mieterverein nach Angaben von Häberle. Dem Rechtsanwalt zufolge enthalten die Abrechnungen mehrere Fehler. So seien alle Bauten der Siedlung zu einer „unzulässigen Wirtschaftseinheit“ zusammengefasst worden. Denn der Lieferungsvertrag für die Siedlung umfasse neben den Wohnungen auch Schulen und Schwimmbäder. Der Verbrauch sei zwar getrennt abgerechnet, ein Pauschalpreis dagegen bei der Anschlussleistung angesetzt worden. Die Anschlussleistung sei mit der Grundgebühr bei Telefonanschlüssen vergleichbar. Und für die Wohnungen sei die pauschale Anschlussleistung überhöht. Durch die unzulässige Wirtschaftseinheit müssten für die Wohnungen der höhere „Tarif“ bezahlt werdden, der nur durch die für die Schwimmbäder und Schulen auf dem Gelände erforderliche höhere Leistung zustande komme.

Ein weiterer Grund für die überzogenen Anschlusskosten ist die nach Auffassung des Rechtsanwaltes falsch bezifferte Nutzfläche des Areals in den Lieferverträgen: Diese betrage 170000 Quadratmeter. Das Areal umfasse aber nur 143000 Quadratmeter nutzbarer Fläche. Da der Preis für die Anschlusskosten mit der größeren Fläche steige, sei auch hier zu viel Geld verlangt worden.

Helmuth John, Sprecher des Bundesvermögensamtes, bestreitet dies: „Die Anschlusskosten haben wir überprüft“, sagt er, „die sind normal.“ Auffälligkeiten gebe es bei den Warmwasser-Kosten. Dies werde überprüft. „Im Übrigen werden wir keine Existenzen vernichten“, sagt er, „zumal auch unsere eigenen Leute, Bundesbedienstete, in den Häusern wohnen.“ Wer die hohen Nachzahlungen nicht auf einen Schlag zahlen könne, dem würden Ratenzahlungen angeboten.

Unaufhaltsam mahlen die Mühlräder der Behörden allerdings, wenn die Mieter nicht zahlen. Nach einigen Mahnungen erhalten sie einen gerichtlichen Mahnbescheid. Wer auch diese, um Amtsgebühren erhöhte Forderung nicht begleicht, trifft vor Gericht auf die Rechtsanwälte der Bundesbehörde. Bei einer ersten Klage gegen zahlungsunwillige Mieter der Siedlung zog das Bundesvermögensamt den Kürzeren. Der Amtsrichter wies die Klage zurück. Dies bestätigt auch John. „Doch wir gehen in die zweite Instanz“, sagt er und versichert, dass ein anderes Verfahren gegen Mieter der Hüttenwegsiedlung von der Behörde gewonnen worden sei.

Auch André Stolze wird die Nachzahlungen für Strom und Wärme nicht begleichen. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt seine Anwaltskosten. Und der Unternehmensberater will auch andere Mieter mobilisieren, um eine „faire Abrechnung“ der Nebenkosten durchzusetzen. Dafür hat er sogar eine Website ins Internet ( www.huettenwegsiedlung-berlin-dahlem.net ) gestellt.

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