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Immobilien: Kein Geld mehr für Bauträger

Banken begründen Rückzug vom Finanzierungsgeschäft mit Marktsättigung und hohen Risiken/Der Mittelstand ist am stärksten betroffen

Für gewerbliche Bauunternehmer wird es Zeit, den Beruf zu wechseln. Wer nämlich für die Zwischenfinanzierung seiner Objekte ein Bankdarlehen braucht – und wer setzt dafür schon ausschließlich Eigenkapital ein? – , muss Bettelbriefe schreiben oder gleich seine Bank wechseln. Der Grund: Fast alle großen Kreditinstitute haben sich stillschweigend seit dem Jahreswechsel aus der Bauträgerfinanzierung zurückgezogen. Wer diesen Schritt noch nicht vollzogen hat, arbeitet kräftig daran.

Im Geschäft mit dem Wohnraum bleibt von den Großen nur noch die aus den Immobilienbereichen von Dresdner, Deutsche und Commerzbank fusionierte EuroHypo AG, allerdings erst ab einem Kreditvolumen von 2,5 Millionen Euro. Kleineren Bauträgern mit nur vier Reihenhäusern im Jahr stehen allein noch regionale Sparkassen und genossenschaftliche Institute zur Seite. Und die finanzieren meist nur Objekte in ihrem eigenen Einzugsgebiet mit guten Vermarktungschancen und deren Trägergesellschaft eine erstklassige Bonität genießt. Doch diese Bedingungen erfüllen die wenigsten.

Seit über 30 Jahren hat der süddeutsche Bauunternehmer Ralf Eichinger seine Privat- und Geschäftskonten bei der früheren Hypo-Bank, heute HypoVereinsbank AG. Stets war ihm die Bank bei der Finanzierung seiner Objekte behilflich und verdiente an dem Geschäft ihres Kunden gutes Geld. Damit ist es seit dem 7.Januar vorbei. Entsetzt vernahm der Bauunternehmer die Nachricht, dass die HVB ab sofort jegliches Neugeschäft mit Bauträgern ablehne. Das betreffe auch ein Bauvorhaben, für das ihm noch wenige Wochen vorher eine Finanzierungszusage erteilt worden sei. Selbst die Eröffnung eines Bauherrenkontos, das ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden sollte, wurde ihm verweigert. Die Begründung: Das Bauträgergeschäft verursache gegenüber anderen Unternehmensbereichen erhöhte Betreuungskosten.

Mittelständler, nein danke

Zwar hatte die HVB bereits im Oktober 2002 den „strategischen Schritt“ angekündigt, ihre Immobilienfinanzierungsaktivitäten in einer neu zu gründenden Gesellschaft namens HVB Real Estate zu bündeln. Ende Januar kündigte die Bank an, mit der Real Estate in der zweiten Jahreshälfte 2003 aktiv werden zu wollen. Insider vermuten aber, dass die Real Estate überhaupt nicht an den Start geht, allenfalls gemeinsam mit starken Partnern, da die von der HVB dort einzubringenden Risiken untragbar hoch seien. Und wenn sie denn doch käme, werde die Gesellschaft nur große Bauvorhaben ab 10 Millionen Euro finanzieren. Bauunternehmer Eichinger, dem es „nur“ um ein kleineres Objekt mit wenigen Wohneinheiten geht, schaute folglich in die Röhre.

So wie Eichinger wird es künftig den meisten mittelständischen Bauunternehmern gehen, denn auch die anderen Großbanken haben sich aus dem Geschäftsfeld Bauträgerfinanzierung zurückgezogen. Schon Anfang 2002 haben Deutsche, Dresdner und Commerzbank ihre Segmente Immobilienfinanzierung in die Eurohypo AG, die fünftgrößte private Bank in Deutschland, ausgelagert. Während Deutsche und Commerzbank ihre Kunden seither erleichtert auf den spezialisierten Ableger verweisen, beobachtet die Dresdner Bank nach den Worten ihres Sprechers Eberhard Seitz „derzeit differenziert die Neuordnung des Marktes der gewerblichen Immobilienfinanzierung.“ In diesem Zusammenhang werde „risikoadjustiert die Positionierung der Bank geprüft“.

Dasselbe, aber unverblümter sagt Joachim Goldbecker von der Allgemeinen Hypothekenbank (AHB) in Frankfurt: „Wir prüfen. Aber es spricht einiges dafür, dass wir uns aus diesem Markt verabschieden.“ Selbst das Münchner Bankhaus Reuschel meidet das riskante Bauträgergewerbe auf einmal wie der Teufel das Weihwasser. „Das Neugeschäft rechnet sich nicht mehr,“ erklärt Marketingleiter Stefan Ramstetter. „Zum einen können die erforderlichen Margen nicht erzielt werden, zum anderen ist der Arbeitsaufwand zu hoch.“

Eher mit der Fristigkeit des Engagements argumentiert Detlef Untermann von der Berliner Hypothekenbank die Abwehrstrategie. Im Gegensatz zu anderen Teilinstituten der Bankgesellschaft Berlin kümmere sich die Berlin-Hyp um das langfristige Investorengeschäft mit Erstrangsicherungen. „Normalerweise ist das Bauträgerschäft kurzfristig und mit Nachrangsicherheiten angelegt. Das machen wir nicht.“

Tapfer bei der Brechstange, aber deutlich sensibler für die Risiken, bleiben noch die Regionalinstitute und, als einzige Privatgröße, die Eurohypo AG. Entgegen dem klaren Trend schlage man keinen restriktiven Kurs im Neugeschäft ein, versichert Matthias Katholing, Leiter Firmenkunden Deutschland Zentrale. Ab einem Mindestvolumen von 2,5 Millionen Euro pro Objekt – „das ist zumindest unsere Zielgröße“ – dürfen auch gewerbliche Bauherren der Bank mit Kreditwünschen kommen. Trotzdem schlägt Katholing einen warnenden Ton an: „Wir werden auch künftig erhöhte Anforderungen an die Qualität der Objekte sowie die Bonität und Leistungsfähigkeit der Kunden stellen.“ Frei interpretiert: Im schlimmsten Fall müssen Darlehensanträge in voller Höhe mit Eigenkapital gesichert werden. Wer auf Kredit angewiesen ist, hat künftig das Nachsehen. Zum Beispiel die rund 3,4 Millionen Beschäftigten, die nach Schätzungen des Rates der Immobilienweisen direkt und indirekt dem Immobiliensektor Deutschlands zuzurechnen und die Leidtragenden der Bankenrestriktion sind.

„Das ist doch heute schon der Stand der Dinge“, höhnt Stefan Schlocker, Bauträger aus dem Rhein-Main-Gebiet und Verbandsfunktionär. „Wenn Sie 250000 Euro Barliquidität haben, bekommen Sie einen Kredit von 250000 Euro. Sonst nicht.“ Die Banken bereiteten sich auf die Ratingregularien von Basel II vor. „Die Institute müssen 2007, mit dem Inkrafttreten des Abkommens nachweisen, dass sie schon Erfahrungen mit der Einstufung von Kunden und Risiken haben. Folglich beginnen auch die letzten Banken damit, vermeintlich schlechte Risiken abzubauen.“ Darunter müsse die Bauwirtschaft paradoxerweise nun leiden, obwohl der Bedarf an Wohnraum weiter steige. Schlocker hält die Argumente Marktsättigung und Risiko für vorgeschoben. In Wahrheit säßen den Banken die selbst mitverschuldeten Kreditausfälle im Großfinanzierungsbereich im Nacken, und nun müssten das die gewerblichen Bauunternehmer und mittelfristig die Immobilienkäufer ausbaden. Nur die Sparkassen und die Volks- und Raiffeisenbanken zeigten nach seiner Meinung noch eine „relative Bereitschaft“, Bauträger zu finanzieren. „Noch“, setzt er resignierend hinzu.

„Mittelständler gehen pleite“

In Berlin und Brandenburg hat die Kreditwirtschaft vielen Bauträgern schon längst den Geldhahn abgedreht. Noch mehr frei stehende Immobilien als anderswo, noch höhere Verluste als anderswo, noch weniger Wettbewerb in der Bankenszene als anderswo. „Die Banken stellen Kredite sofort fällig, wenn sie mitbekommen, dass eine Firma in einer schwierigen Situation steckt,“ klagt Christa Flur, Sprecherin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, „das geht querbeet über alle Banken" Das sei ein „sehr großes Problem“, sagt auch Walter Rasch. Und der geschäftsführende Gesellschafter des Bauträgers hpe sagt: „Das lässt sich mit dem hohen Wertberichtigungsbedarf der Banken in der Vergangenheit und mit der Vorwegnahme von Basel II erklären.“ Und landesweit beobachtet Rasch, ehrenamtlich als Vorsitzender des Landesverbandes freier Wohnungsunternehmen tätig: „Die Banken machen dicht, und Mittelständler, die drei bis fünf Reihenhäuser im Jahr bauen, gehen Pleite.“

„Die Banken bewerten etwa ein Drittel aller Kunden schlechter, als sie es in Wahrheit verdienen“, behauptet Oliver Everding, auf Ratingfragen spezialisierter Bank- und Unternehmensberater. Wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in den kommenden Jahren die Ratingpraxis der Banken abnimmt, werden die riskanten Geschäfte längst aus den Büchern getilgt worden sein. Das, so Everding, sei der wahre Hintergrund für die Verweigerung der Institute.

Bauunternehmer Eichinger jedenfalls hat seinem Zorn in einem geharnischten Brief an Dieter Rampl, dem Vorstandvorsitzenden der HypoVereinsbank AG, Luft gemacht. „Die Art und Weise, wie Banken mit Klein- und Mittelständlern umgehen, ist ein Bankenskandal schlechthin. Die Herren Bankvorstände stellen uns vor das Nichts!“ Die Bank möge ihre Entscheidung noch einmal überdenken. Eine Antwort steht noch aus. Aber der Bauunternehmer ahnt schon, dass die Bank bei ihrem strikten Nein bleiben wird. Schließlich hat der gelernte Bankkaufmann vor seiner Selbstständigkeit zehn Jahre lang im Bereich Baufinanzierung gearbeitet.

Christine Demmer

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