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Immobilien: Kleine Wohnungen braucht die Hauptstadt In Berlin wohnen immer mehr Menschen allein. Apartments sind deshalb sehr begehrt

Singles haben in Berlin die absolute Mehrheit. 54,1 Prozent aller Haushalte in der Hauptstadt, so hat es das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg kürzlich mitgeteilt, bestehen aus nur einer Person.

Singles haben in Berlin die absolute Mehrheit. 54,1 Prozent aller Haushalte in der Hauptstadt, so hat es das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg kürzlich mitgeteilt, bestehen aus nur einer Person. Damit hat der Anteil der Einpersonen-Haushalte gegenüber dem Jahr 2005 noch einmal um 3,4 Prozentpunkte zugenommen. Zum Vergleich: In Brandenburg machen die Single-Haushalte lediglich 37,8 Prozent aller Haushalte aus.

Bevor jetzt das Wehklagen über die Bindungsunfähigkeit der Hauptstädter erklingt: In diesem Zusammenhang meint der Begriff Single nicht, dass jemand ohne Partner ist, sondern lediglich, dass er alleine wohnt. Bekanntlich gibt es Paare, die in einer festen Beziehung leben und trotzdem zwei Wohnungen haben, während umgekehrt nicht wenige partnerlose Menschen, also Singles im beziehungspsychologischen Sinn, in einer Wohngemeinschaft leben. Nach den in dieser Woche veröffentlichten Angaben des Statistischen Bundesamtes liegt Berlin mit einer Alleinlebenden-Quote von 31 Prozent bundesweit an der Spitze.

Ob jemand glücklich verliebt ist oder nicht, spielt für die Anbieter von Wohnraum also keine Rolle – sehr wohl aber, wie groß die Haushalte sind. Dass die Zahl der Single-Haushalte seit Jahren zunimmt, sagt Tobias Lücke, Leiter Baufinanzierung bei der Comdirect-Bank, „hat Folgen für den Immobilienmarkt, gerade in den größeren Städten“. Seine Erfahrung: „Kleinere Single-Wohnungen sind zunehmend gefragt.“

Das bestätigen Vertreter der Wohnungswirtschaft. Beim Verband Berlin- Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der die Interessen hauptsächlich von großen Wohnungsbaugesellschaften und von Wohnungsgenossenschaften vertritt, weiß man von Genossenschaften, die für Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen bereits eine Warteliste führen. Auch beim landeseigenen Wohnungsunternehmen Degewo ist die Nachfrage nach kleinen Wohnungen groß: Während der Leerstand bei den Fünf-Zimmer-Wohnungen der Degewo 4,1 Prozent und bei den Vier-Zimmer-Wohnungen 3,3 Prozent beträgt, stehen lediglich 1,6 Prozent der Ein- und sogar nur 1,5 Prozent der Zwei-Zimmer- Apartments leer.

Damit ist die Degewo keine Ausnahme. Als der BBU 2010 von seinen Mitgliedsunternehmen wissen wollte, welche Wohnungsgrößen besonders häufig nachgefragt würden, ergab sich ein klares Bild: Zwei Drittel der potenziellen Neumieter wünschten sich eine Wohnung mit höchstens zwei Zimmern, während nur gut sechs Prozent eine Wohnung mit mindestens vier Zimmern anmieten wollten. Noch am größten war die Nachfrage nach familiengerechten Wohnungen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo sich immerhin 23 Prozent der Interessenten eine Wohnung mit mindestens vier Zimmern wünschten. Auf der anderen Seite steht der vor allem bei jungen Menschen beliebte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wo 93 Prozent aller Bewerber in ein Ein- oder Zwei-Zimmer-Apartment einziehen wollten.

Allerdings stehen die BBU-Mitgliedsunternehmen, die hauptsächlich Mieter mit geringem und mittlerem Einkommen zu ihren Kunden zählen, nicht repräsentativ für den gesamten Markt – denn natürlich gibt es auch Alleinwohnende mit prall gefülltem Portemonnaie, die nur zu gern drei oder vier Zimmer beanspruchen. Darunter sind viele ältere Menschen, wie Carsten Rieckhoff, Leiter Research beim Maklerunternehmen Engel & Völkers, feststellt: „Häufig rechnet sich für sie der Umzug in eine kleinere Wohnung nicht, da sie dort mehr Miete zahlen müssten.“ Der Grund dafür liegt darin, dass bei langjährigen Mietverträgen oft die Miete nicht regelmäßig angehoben wird.

Anders stellt sich dies bei jungen Leuten dar. Auf die Nachfrage seitens dieser Gruppe reagieren immer mehr Projektentwickler, indem sie Neubauprojekte speziell für Studierende realisieren. So hat zum Beispiel die Youniq AG, nach eigenen Angaben die führende Anbieterin hochwertiger Studentenapartments in Deutschland, Berlin zum Schwerpunkt ihrer Tätigkeit erklärt. Angesichts der hohen Attraktivität der Stadt für Studierende, erklärt Youniq-Vorstand Rainer Nonnengässer, „wächst natürlich auch die Nachfrage nach geeignetem studentischem Wohnraum“. Das sieht die International Campus AG ähnlich: Sie hat soeben bekannt gegeben, in Zusammenarbeit mit dem Berliner Immobilienunternehmen Gädeke & Sons 220 Studentenapartments in Berlin-Mitte errichten zu wollen, die im Durchschnitt lediglich 21 Quadratmeter groß sein werden.

Trotzdem ist nicht damit zu rechnen, dass Investoren ab sofort nur noch Kleinwohnungen errichten werden. Denn nach den Zahlen des Statistischen Amtes ist das Verhältnis zwischen Wohnungs- und Haushaltsgrößen in Berlin einigermaßen ausgeglichen: 51 Prozent aller Berliner Wohnungen weisen zwischen einem und drei Räume auf und sind somit singlegerecht. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Statistiker die Küche als Wohnraum mitzählen; eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Definition der Statistiker entspricht also im allgemeinen Sprachgebrauch einer Zwei-Zimmer-Wohnung.

Zu Ende ist der Prozess der Singularisierung nach Einschätzung von Carsten Rieckhoff von Engel & Völkers indes noch lange nicht. Eine ganze Reihe von Faktoren trägt dazu bei, dass die Zahl der Ein-Personen-Haushalte vor allem in den großen Städten weiter ansteigen wird: Junge Leute ziehen teilweise früher von zu Hause aus und gründen einen eigenen Haushalt, Ehen werden häufiger geschieden als früher, und der Zwang zur beruflichen Mobilität erhöht die Zahl der Zweitwohnsitze. Irgendeinmal aber, da ist sich Rieckhoff sicher, wird diese Entwicklung zu einem Ende kommen, „denn eine Gesellschaft, die nur aus Ein-Personen-Haushalten besteht, gibt es nicht“.

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