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Kreditverkäufe: Schutz fürs Heim – das "große Fressen" ist gebremst

Der Gesetzgeber hat – reichlich spät – reagiert und mit dem sogenannten Risikobegrenzungsgesetz die schlimmsten Auswüchse unterbunden. Der Bundesgerichtshof setzt enge Grenzen beim Verkauf von notleidenden Darlehensverträgen.

Das ist die Urangst aller Haus- oder Wohnungskäufer: Einmal Pech im Job, Kündigung oder Kurzarbeit, schon reicht es nicht mehr für die Hypothek. Wird es dann finanziell eng, kann die Immobilie im Handumdrehen verloren sein – insbesondere, wenn die Bank das notleidende Darlehen weiterverkauft. Dann bleiben oft nur Schulden zurück.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt mit einem Urteil zu den Kreditverkäufen an sogenannte Heuschrecken (Wagnisfinanzierungsgesellschaften) eine neue Leitlinie aufgestellt, die Hausbesitzern in Not vor allem mehr Zeit verschaffen wird, die Dinge vernünftig zu regeln. Das Urteil zwingt die „Heuschrecken“, sich an die selben Rechte und Pflichten zu halten wie die Hausbanken auch. Die Entscheidung, sagte Ulrich Wiechers, Vorsitzender des 11. Senats, nicht ohne Stolz zum Urteil des BGH, zeige Wege auf, wie „Schuldner bei Darlehensverkäufen geschützt werden können“ (AZ: XI ZR 200/09).

Wer auf einer kritisch geworden Hausfinanzierung sitzt, sollte sich jetzt sofort von seinem Finanzinstitut offenlegen lassen, was es mit dem Darlehen vorhat, rät der Immobilienspezialist und Rechtsanwalt Marcus Treiber aus Rangsdorf (Kreis Teltow-Fläming). Geklärt werden muss, ob die Bank den Kredit schon weiterverkauft hat – und an wen.

Darum geht es: Bei allgemein üblichen Immobilienfinanzierungen gibt es, vereinfacht gesagt, drei wesentliche Elemente: Zunächst den Darlehensvertrag, der die Bereitstellung der Kreditsumme und die Rückzahlung in Zinsen und Tilgung beschreibt. Außerdem gibt es den Grundschuldvertrag, durch den das Kreditinstitut seine Geldforderungen absichert. In den allermeisten Fällen muss sich der Kreditnehmer hier einer sofortigen Zwangsvollstreckung in den Immobilienbesitz oder sogar in sein gesamtes Vermögen unterwerfen, wenn die Raten nicht bezahlt werden. Und drittens gibt es einen Sicherungsvertrag, der unter dem besonderen Treuhandverhältnis zwischen Bank und Kunde abgeschlossen wird und die strenge Unterwerfung in die Zwangsvollstreckung abmildert: mit Vereinbarungen über Stundungen im Notfall oder dem Zugeständnis, umschulden zu dürfen. Ohne eine großzügige Sicherungsvereinbarung sollte also kein vernünftiger Mensch seine Immobilienfinanzierung angehen.

Dieser Sicherungsvertrag ist auch Dreh- und Angelpunkt bei der jüngsten Entscheidung des BGH. Ein Gläubiger könnte – ohne die Bindungen durch den Sicherungsvertrag – schon bei einem recht geringen Zahlungsverzug von zwei, drei Monatsraten im Handumdrehen alles verwerten, was als Grundschuld für den Kredit eingetragen ist. Doch dank der Regelungen des Sicherungsvertrages bleibt Haus- oder Wohnungskäufern häufig genug Zeit und Luft, um mit Stundungen, Umschuldungen oder mit anderen Kunstgriffen eine vorübergehende finanzielle Notlage auszugleichen.

Ganz anders sah es bisher aus, wenn die Bank selbst die Reißleine gezogen und den notleidenden Kredit an Geschäftemacher außerhalb des Bankensektors weiterverkauft hatte – an eine „Heuschrecke“. Zu dieser Lösung, mit der man riskante Darlehen schnell aus der Bilanz verschwinden lassen kann, hatten Geldinstitute übrigens schon gegriffen, lange bevor die Finanzkrise ruchbar wurde.

Angriffsziel der Aufkäufer von Immobilienkrediten sind in erster Linie Hausbesitzer und Mittelstandsunternehmen. Die Kredithändler übernahmen bisher oft nur die Darlehens- und Grundschuldverträge, nicht aber die Sicherungsverträge – und damit waren die Hausbesitzer plötzlich ohne Schutz: Bei Zahlungsverzug können Darlehen und Grundschuld fristlos gekündigt werden.

Der Gesetzgeber hat – reichlich spät – reagiert und mit dem sogenannten Risikobegrenzungsgesetz die schlimmsten Auswüchse unterbunden. Banken können zwar weiterhin notleidende Darlehensverträge weiterverkaufen, doch nicht mehr hinter dem Rücken der Kreditnehmer. Und: Die Kreditinstitute müssen schon bei Vertragsabschluss darauf hinweisen, dass sie sich diese Hintertür offenhalten. Die Kündigung des Darlehens kann seit der Gesetzesnovelle erst erfolgen, wenn der Bankkunde mit zwei Raten nacheinander im Rückstand ist und der Zahlungsverzug 2,5 Prozent des Kredit- Nennbetrages ausmacht. Bei Darlehen, wie sie üblicherweise abgeschlossen werden, bedeutet das fünf bis sechs Monate Zeitgewinn für den Schuldner. Danach ist der Kreditgeber berechtigt, die Grundschuld zu kündigen – doch nicht mehr fristlos, sondern mit sechs Monaten Frist. In dieser Zeit sollte ein Immobilienkäufer seine Notlage ausgeglichen haben.

Unschön an diesem Gesetz ist jedoch vor allem eines: Es gilt nur für Immobilienkredite, die nach dem Inkrafttreten der Novelle abgeschlossen wurden – das ist exakt der 19. August 2008.

Die bessere Hilfe kommt aus Karlsruhe: Dank der BGH-Entscheidung sind auch alle Altverträge aus den Jahren vor 2008 sicherer geworden. Dabei hatten die Karlsruher Richter an der Praxis, Immobilienkredite weiterzuverkaufen, im Grunde nichts auszusetzen. Aber der 11. Senat schob den Ruckzuck-Zwangsvollstreckungen einen wirksamen Riegel vor. Die Kreditaufkäufer müssen jetzt auch die Sicherungsverträge voll und ganz übernehmen – und von Amts wegen muss ein Notar oder Rechtspfleger dies überprüfen, bevor eine Zwangsversteigerung eingeleitet werden kann.

Wenn alles nicht mehr zusammenpasst, dann rät Rechtsanwalt Marcus Treiber, die Immobilie zu vermieten, damit Geld hereinkommt für die Darlehensraten. Oder man sollte in Eigenregie verkaufen.

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