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Immobilien: Mit Holz lässt sich fast alles machen

Manche Möbel sind so wertvoll, dass ein Aufarbeiten oder ein Umbau lohnt

In der Werkstatt der Tischlerei Gegusch in Hermsdorf riecht es angenehm nach Holz, allerlei Beizen und Lacken. In einer Ecke des Arbeitsraumes steht ein runder Ausziehtisch, 1 Meter 20 im Durchmesser. Seine Oberfläche ist in zwei Platten unterteilt, die ein fein gemasertes Kirschbaum- und Eibenholzfurnier tragen. Vorsichtig drückt Tischlermeister Martin Witt die Teile auseinander, darunter kommen weitere, 45 Zentimeter breite Holzflächen zum Vorschein. Sie können zwischen die Halbkreise geklappt werden, wodurch gleichsam ein Oval entsteht. Nur leider sieht das Ergebnis nicht sehr repräsentativ aus, die zusätzlichen Hölzer passen optisch nicht so gut zu denen außen. Aber das soll sich ändern.

Auf Wunsch des Kunden werden Witt und seine Kollegen das Stück so umbauen, dass die Fläche weitere zehn Zentimeter gewinnt und von den seitlichen Bereichen nicht mehr zu unterscheiden ist. Selbst das umlaufende Randholz aus Kirschbaum, „Zarge“ sagt der Fachmann dazu, wird an den Außenseiten des neuen Mittelfelds ergänzt. Variabel ist er dann nicht mehr, aber sein Eigentümer wünscht sich halt einen „erwachsenen“ Tisch mit genau diesem Aussehen.

Lohnt sich dieser Aufwand überhaupt? „Durchaus“, entgegnet Witt, „jedenfalls für Menschen, die ihre Einrichtungsgegenstände früher sehr bewusst ausgewählt haben und sie auch nach Jahrzehnten noch mit Freude betrachten.“ Sie können sich von solchen Stücken nicht einfach trennen – auch wenn sich die Anforderungen daran etwa nach einer Umgestaltung der Räume ändern. Manche Möbel sind zu wertvoll, als dass man sie weggeben und ersetzen könnte – und damit ist nicht immer nur der pure Kaufpreis gemeint.

45 Euro pro Stunde berechnet die Firma für solche Arbeiten, für den Umbau des Tisches werden etwa 30 bis 35 Stunden veranschlagt. Dabei kommt eine beachtliche Summe zusammen – gut 1500 Euro. Aber einen neuen Tisch in dieser Qualität gibt es auch nicht gratis, und dann wäre es schließlich ein anderer.

Das Aufarbeiten durch den Fachmann lohnt sich zudem meist dann, wenn der Austausch zu kompliziert wäre, etwa wenn es sich um eine fest eingebaute Wandverkleidung oder gar um einzeln angefertigte Wandschränke handelt. Die Übergänge vom Reparieren zum Restaurieren sind fließend. Witt zeigt Fotos eines Büfett-Unterschrankes, der mit seinem Aufsatz vor vielleicht 150 Jahren zum ersten Mal das Speisezimmer eines gutbürgerlichen Haushaltes geziert haben dürfte.

Jenes Oberteil freilich war nun gar nicht mehr vorhanden, nur ein paar Türen hatten die Kriegs- und Nachkriegswirren überstanden. Sie und die Front des Unterschrankes wurden zum stilistischen Vorbild für einen passenden Neubau genommen, so, wie das Ensemble mit seinen gedrechselten Säulen an den Seiten früher wohl auch ausgesehen haben muss. Nicht jedermanns Geschmack, räumt Witt ein. Doch für ihn zählt das Ergebnis, das Nachvollziehen des Ursprungszustandes. Wenn er sagt: „Mit Holz lässt sich so gut wie alles machen“, dann spürt man, dass er selbst nach Jahrzehnten der Praxis ganz offensichtlich immer noch begeistert ist von den Eigenschaften des Werkstoffs.

Nicht nur bei solchen Gelegenheiten wird der Fachmann an die Zeit erinnert, da weite Teile Berlins und seiner Umgebung in Trümmer fielen. Was noch übrig blieb und jetzt aufgearbeitet wird, enthält bisweilen befremdliche Inhaltsstoffe: Bei Arbeiten unter anderem im Weinhaus Huth am Potsdamer Platz holten sie größere Mengen von Granatsplittern aus dem Holz.

Aufgaben aus dem Bereich des Denkmalschutzes machen zurzeit noch mehr als die Hälfte der Aufträge aus. Im Roten Rathaus haben die Mitarbeiter Paneele, Intarsientafeln, Einbauten, Fenster und Türen rekonstruiert und saniert. Die Hermsdorfer Tischler wurden vor einigen Jahren auch beauftragt, die Folgen eines Brandes zu beseitigen, der kurz zuvor Teile der Potsdamer Stiftskirche beschädigt hatte. Der Altar, die Kanzel, einige Bänke und das Taufbecken mussten restauriert werden. Und im Reichstagsgebäude sowie im Kanzleramt schufen sie moderne Konferenztische.

Und derzeit? Jetzt sind Stücke aus dem Bodemuseum in Arbeit, auch hierin fanden sie ungewöhnliche Altmetallreste aus Kriegszeiten. Nun warten zum Beispiel restaurierte Torflügel des Museums auf ihre Komplettierung. Das Streben nach originalgetreuer Wiederherstellung des früheren Bauzustandes ist für den Chef des 1887 gegründeten Familienunternehmens übrigens nicht auf die Holzarbeiten etwa an den Fenstern beschränkt. Als die Restaurierung der Kuppel des Bodemuseums diskutiert wurde, suchte Heinz Gegusch erfolgreich nach Sponsoren für die Rekonstruktion der vergoldeten Eisenkronen, die einst die sieben Dachgauben schmückten. Der inzwischen 82-Jährige konnte sich an den ursprünglichen Anblick noch gut erinnern.

In seiner Werkstatt werden allerdings auch so profane Dinge wie Türblätter aus Altbauten in Schuss gebracht, sofern die Substanz dazu noch taugt. Selbst wenn es nach größeren Modernisierungsarbeiten im Haus notwendig wird, die Band- und die Schlossseite der Tür zu tauschen – mit dem richtigen Werkzeug und der entsprechenden Fachkenntnis wird nach der Lackierung keine Spur des Umbaus zu sehen sein. Weiter auf der Liste der Arbeiten: Gaststätten erhalten auf Wunsch rustikale Einbauten, in Stand gesetzte Fensterrahmen können wieder der Witterung trotzen.

20 Mitarbeiter beschäftigt das Hermsdorfer Unternehmen, darunter fünf Lehrlinge. Die Berufschancen sind gut, sagt Witt, da haben selbst Hauptschüler eine Zukunft. Der Auszubildende muss die Grundrechenarten beherrschen, ein Verständnis für Flächen, Volumina sowie Proportionen besitzen. Auch die Bereitschaft, mit anderen zusammenzuarbeiten, darf nicht fehlen. Die Grundvoraussetzung für diesen Beruf kann man sowieso an keiner Schule lernen: Den Spaß am Umgang mit Holz.

Gideon heimann

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