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Immobilien: Neuer Hai im Karpfenteich

Der Börsenguru George Soros hat in Berlin eine Immobilienfirma gegründet. Mancher sieht darin ein Zeichen für die Wende auf einem rezessionsgeplagten Markt. Doch weder die Zahlen noch die Stimmung sprechen für einen Aufschwung

Die Nachricht ließ aufmerken: George Soros, der 1992 erfolgreich mit einer Milliarde Dollar auf eine Abwertung des Pfunds spekulierte und sein Vermögen mehrte, steigt in den Berliner Immobilienmarkt ein. Was verspricht sich der Grandseigneur globalisierter Kapitalmärkte vom rezessionsgeplagten Berlin? Verheißt ein Engagement gerade hier gerade jetzt Erfolg, weil nur gewinnt, wer in der Baisse etwas wagt? Denn die Baisse hat, soviel zumindest ist gewiss, den Berliner Immobilienmarkt fest im Griff.

Denn der Markt leidet immer noch an dem in der Wendeeuphorie erzeugten Überangebot. Das Geschäft mit Berliner Wohn- und Gewerbehäusern kam erst nach dem Mauerfall so richtig in Schwung. Getragen von der Erwartung, dass die Hauptstadt rasch wachsen werde, spekulierten die Baulöwen auf große Nachfrage nach Wohnraum. Das stimmte auch, zunächst. Die Mieten stiegen Anfang der Neunziger Jahre rasch, und auf Grundlage dieser Einnahmen wurden hohe Kaufpreise für Grundstücke und Immobilien finanziert und ausgehandelt. Mit bösen Folgen. Denn die Wirtschaft wuchs nicht oder wenig, und die mangelnde Nachfrage trieb den Immobilienmarkt in die Krise. Nur wenige sahen darin eine Chance, in Erwartung besserer Zeiten heute billig einzukaufen.

Noch hat der aus Ungarn stammende Soros nichts erworben. Bisher hat er nur eine neue Gesellschaft gegründet. Zusammen mit dem Berliner Projektentwickler Ulrich Weber. Dieser hatte mit seiner Firma Bauconcept zwischen 1998 und 2002 in der Hauptstadt 25 Bauvorhaben realisiert und dabei 150 Millionen Euro investiert. Ein Mittelständler, der nach eigenen Verlautbarungen „ursprünglich auf Altbausanierung spezialisiert, den Fokus später auf Büro-Projekte in Berlin-Mitte verlegt hatte.“

Webers Firma bevorzugte Projekte in der Friedrich-Wilhelm-Stadt. Nördlich von Linden und Spree, einen Steinwurf von Reichstag und Regierungsbauten gelegen, ist das Quartier ein städtebauliches Kleinod: Klassizistische Altbauten säumen die Straße, und das Deutsche Theater liegt mittenmang. Direkt gegenüber errichtete Webers Firma das „Schumann’sche Palais“: Zehn Wohnungen und ein Penthouse, die größte Immobilie 350 Quadratmeter groß. Wer hier wohnen wollte, sollte 3500 bis 5500 Euro bezahlen. Je Quadratmeter. Wie am Potsdamer Platz.

Eine Milliarde liegt bereit

Ob die Rechnung aufging, ist unbekannt. Doch unternehmungslustige Entwickler in Berlin sind auch ohne unverkaufte Altlasten dieser Tage gut beraten, wenn sie kein Geld von Banken brauchen. Das sieht Weber auch so. Seine Allianz mit dem global tätigen Investor begründet er so: „Den meisten Entwicklern fehlt eine ausreichende Kapitalausstattung.“ Dieses Problem hat Webers neue Berliner Firma „apellas“ nun nicht mehr: Sie verfügt über ein potenzielles Kapital von einer Milliarde US-Dollar. Auf diese Summe beziffert eine Pressemeldung das Eigenkapital von Webers Partner, der Soros Real Estate Investors CV. Mit dieser gut gefüllten Kasse werde man „den Erwerb größerer gewerblich und wohnungswirtschaftlich genutzter Immobilienportfolios“ vorantreiben.

Das Joint-Venture ist nicht die erste Allianz zwischen lokal operierenden Immobilien-Entwicklern und weltweit nach renditestarken Investitionen suchenden Kapitalgesellschaften. Im Jahr 1999, als die HPE Hanseatische Wohnbau GmbH vor der Insolvenz stand, übernahm die in New York ansässige Peabody Global Real Estate Partners Teile der Gesellschaft. In Berlin hatte die Firma durch werbeträchtige Auftritte von Ex-Schulsenator Walter Rasch (FDP) Schlagzeilen gemacht. Spektakuläre Neubauten an der Spree und wiederholte Eingriffe in die Mitte der Neunziger Jahre tobende Berliner Architekturdebatte hatten der Firma zu einem guten Ruf verholfen. Allein, es half nichts, wirtschaftlich. Das Kapital des weltweit agierenden Immobilienarms der US-Investmentbank J.P.Morgan war erforderlich, um zumindest einige Firmenteile vor der Zwangsversteigerung zu retten. Diese firmieren heute als HPE Property Holding GmbH.

Auch dieser Einstieg eines global operierenen Konzerns ließ zunächst große Erwartungen aufkommen. Doch die neue HPE operierte in Berlin eher vorsichtig als kühn. In der Branche hieß es, die vom US-Gesellschafter erwarteten hohen Renditen seien mit den feilgebotenen Projekten und Grundstücken in Berlin nicht zu erwirtschaften. Daher erwarb die HPE Wohnungsbaubestände im Westen der Republik. Hier seien acht bis neun Prozent Rendite erzielbar, hieß es bei der HPE. Spekulation vorausgesetzt: Nach dem Erwerb der Immobilienpakete zum „Großhandelspreis“ verkauft der Händler die Wohnungen und Häuser einzeln weiter und macht dabei Profit. Bei HPE lautet das selbst gesteckte Ziel denn auch: Zehn Prozent des 6000 Wohnungen zählenden Bestandes werde man jährlich verkaufen.

Diese Strategie geht in Berlin nicht auf. Die Mieten sind billig. Daher zögern private Haushalte mit dem Erwerb eigener vier Wände. Und große Bestände wie das der landeseigenen GSW finden keine Käufer, zumindest nicht zu einem für US-Investoren akzeptablen Preis. Der mehrfach angekündigte Verkauf scheiterte. Nun will der Senat das Unternehmen selber sanieren. Für den Berliner Markt bedeutet diese Politik eine beschauliche Entwicklung der Preise. Für die Mieten, und für die Kaufpreise, da diese von den Mieten abhängen. Diese erfreuliche Perspektive für Mieter ist für Eigentümer ein Desaster. Zumindest wenn auf den Immobilien Bankschulden lasten. Und dies gilt für die Objekte der meisten Berliner Baulöwen.

Wer verkauft, verliert

Denn heute liegen die Preise unter dem Niveau von 1989. Wer also kurze Zeit nach der Wende ein Wohn- und Geschäftshaus erwarb oder errichtete, hat heute ein Problem: Er hat zuviel bezahlt. Die Folge: Wer nicht muss, verkauft die zu teuer erworbene Immobilie nicht. Einige müssen aber, weil sie die Immobilie mit Krediten erworben hatten. Da reicht der Verkaufserlös nicht, um die Schulden zu tilgen. Ergebnis: Die Bank bleibt auf ungedeckten Kredite sitzen.

Ähnlich wie die Krise auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist auch die schwierige Lage im gewerblichen Immobiliengeschäft in der Hauptstadt dem Übereifer von Entwicklern und Spekulanten nach der Wiedervereinigung zu Schulden. Viel zu viele neue Büros entstanden in der Stadt. Und es entstehen immer noch zu viele. Der Grund: Die heute und im kommenden Jahr fertig gestellten Gewerbeflächen, wurden geplant, als Internet und Neue Medien boomten und die Börsenkurse explodieren ließen. Das liegt zwar lange zurück, doch noch nicht so lange, dass die übliche Dauer zwischen Planung und Bau einer Immobilie verstrichen wäre: zwei bis drei Jahre. Deshalb drängen noch bis 2004 Neubauten auf den Markt, für die es durch den Zusammenbruch der Internet-Wirtschaft keinen Bedarf gibt.

Immer mehr Leerstand kostet Geld

Dabei stehen schon heute über 1,4 Millionen Quadratmeter Büroflächen in Berlin leer. Tendenz steigend. Dieser Überzeugung ist Thomas Beyerle, Marktforscher beim Initiator Offener Immobilienfonds degi. Ihm stimmen über achtzig Prozent der Branchenexperten zu, wie aus einer Umfrage des Maklerhauses DTZ hervorgeht.

Und die Lage spitzt sich weiter zu. Dem Maklerhaus Eureal zufolge suchen dieses Jahr noch weniger Firmen in Berlin ein Büro als 2002. Die Zahl neu vermieteter Flächen ging im ersten Quartal um die Hälfte zurück im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: 61500 Quadratmeter, gegenüber 142000 Quadratmetern. Und da sich immer weniger Mieter auf dem Markt tummeln, sinken die Preise weiter. Im Schnitt mussten gewerbliche Mieter 5,6 Prozent weniger bezahlen als 2002, berichtet die Firma Eureal.

Trotz des hohen Leerstandes, der geringen Nachfrage und des weiter wachsenden Angebots bleibt die Rendite für Berliner Bürohäuser stabil. Nach Angaben des Maklerhauses DTZ beträgt die Nettoanfangsrendite 5,7 Prozent, 0,2 Prozentpunkte weniger als vor zehn Jahren. Die Rendite gibt Auskunft über die Solidität eines Marktes. Einfach ausgedrückt: Je ungewisser die Aussichten einer Kapitalinvestition sind, desto mehr Rendite verlangt der Anleger für sein Geld. Im Vergleich mit anderen deutschen Städten liegt Berlin im Mittelfeld. Am höchsten sind die Renditen in Leipzig (6,61 Prozent) und Dresden (6,74 Prozent), wo der Bauboom infolge der Steuergeschenke (Sonder-afa) Mitte der Neunziger Jahre noch viel mehr leere Bürotürme als in Berlin hinterließ. Am niedrigsten sind die Renditen in München, wo die Wirtschaft auch in der Rezession noch verhältnismäßig stark ist und Firmen daher noch am ehesten neue Büros mieten.

„Die Märkte sind ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage“, sagt Frank Orten. Und der Chef von City-Report fügt hinzu: „Berlin ist in Lethargie verfallen.“ Gewiss, auch er habe von Soros Plänen gehört. „Ausländische Investoren tummeln sich hier sonst eigentlich nicht mehr“, so Orten. Die Renditen seien zu niedrig und auch jene, die sich mit Problemimmobilien herumgeschlagen hätten, seien enttäuscht. Eigentümer müssten sich damit abfinden, dass der Markt auf absehbare Zeit so bleibe, wie er ist: „Ein purer Überlebenskampf – die bessere Lage verdrängt die schlechtere und der billigere Anbieter den teureren“.

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