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Immobilien: Nicht nur Töpfchen und Stühlchen

Für Kinder zu bauen, stellt Architekten vor Herausforderungen. Die Wüstenrot-Stiftung hat besonders gute Ideen ausgezeichnet.

Die Krippenplatzdebatte konnte in der Wüstenrot-Stiftung vor gut zwei Jahren niemand vorhersehen. Trotzdem hat das Stiftungsteam mit seinem damals ausgeschriebenen Wettbewerb den Nerv der Zeit getroffen. „Bauen für Kinder“ hat bundesweit mehr als 400 Architekten motiviert, ihre Ideen einzusenden. Dabei ging es um Neu- oder Umbauten von Gebäuden für die Altersgruppe der Zwei- bis Sechsjährigen. Denn Kindertagesstätten, -museen, Vorschulen oder Therapiezimmer kindgerecht zu gestalten, ist mehr als ein Routinejob. Die Räume, in denen Kinder sich – oft viele Stunden am Tag – bewegen, prägen die Persönlichkeit; entscheiden mit über Kreativität, motorisches Geschick, Mut, Verantwortungsbewusstsein, ästhetisches Empfinden und nicht zuletzt über das Wohlbefinden.

Zwei der sieben Preise gingen nach Berlin. Die Kindertagesstätte Jerusalemer Straße von Volker Staab punktete deshalb bei der Jury, weil der Neubau gut in ein dichtes Innenstadtquartier integriert wurde. „Aus einer Großstadtkita darf kein Landkindergarten werden. Wir wollen für Kinder kein Disneyland, sondern ernsthafte Architektur, die auf ihre Bedürfnisse eingeht“, sagt Georg Adlbert, Geschäftsführer der Wüstenrot-Stiftung. Und das ist dem Architekten gelungen. Der markante dreigeschossige, quadratische Bau bietet, umzingelt von Wohnblocks, zahlreiche Gruppen- und Spielräume mit großen Fenstern und in verschiedenen Höhen. Besonders beliebt bei den Kindern sind die Erkervorbauten, die wie Kisten aus dem weinroten Gebäude ragen und als Kuschelecken und Spielhöhlen genutzt werden.

Das „Mach mit“- Kinder- und Jugendmuseum Prenzlauer-Berg erfreute die Jury mit der guten Idee, aus einem Sakralbau – der Eliaskirche – nicht etwa einen Club oder ein Hotel zu machen, sondern einen Spiel- und Lernort für Kinder. „Substanz und Würde wurden bewahrt und mit zeitgemäßen Akzenten architektonisch weiterentwickelt“, so das Urteil der Jury. Was etwas steif klingt, hat Architekt Klaus Block geschafft, indem er den Kindern Raum für eigene Ideen und eine Vielzahl von Bewegungsmöglichkeiten gab, wie die sogenannten Raumregale, auf denen sie klettern und spielen können und die untereinander mit Stegen verbunden sind (siehe Interview). Auf der Ebene der Empore hat er kleine Werkstätten zum Basteln, Bauen und Ausstellen eingerichtet.

Damit lag Block voll auf Linie der Stiftung, die alle zwei Jahre zu unterschiedlichen Bauthemen zum Wettbewerb aufruft. Denn zu den Kriterien gehörten nicht nur die Gestaltung des Gebäudes und seine Integration ins Umfeld, sondern auch, wie pädagogische Konzepte in die Architektur umgesetzt wurden. Gemäß Konfuzius, der sagt: „Lass es mich tun und ich verstehe“, sollen Kinder Objekte anfassen, entdecken und verändern können.

Doch Räume für Kinder sollten nicht nur funktional gut gemacht sein. „Die Schönheit darf nicht auf der Strecke bleiben“, fordert Adlbert. Es habe in der Jury zwar keinen Kanon der Ästhetik gegeben, aber bestimmte Trends erkennt man bei den ausgezeichneten Projekten wieder; hochwertige Materialien, klare Linien, viel Glas, etwas Strenge. Das ist Adlbert nur recht. „Architektur wirkt auf die Kinder ebenso ein wie Erzieher und Spielgefährten.“ Mit anspruchsvoller kindgerechter Architektur eröffne man auch dem Nachwuchs aus benachteiligten Familien die Chance, sich zu entwickeln, ein Gefühl für Weite, Raum und Schönheit zu bekommen.

Wie vielfältig und fantasievoll das umgesetzt werden kann, zeigen auch die anderen prämierten Projekte. Es sind oft die Details, die zeigen, dass Architekten aus der Kinderperspektive gedacht haben. Wie mit dem roten Würfel vor dem blauen Anmeldetresen einer Praxis für Krankengymnastik in Leichlingen. Dank der kleinen Stufe kann das Kind wie die Eltern auf Augenhöhe mit der Anmeldeschwester sein. „Hilf mir, es selbst zu tun“, ist eine Leitlinie des Kindergartens St. Leonhard in München-Pasing – des Erstplatzierten im Wettbewerb. Hier haben Archiekten gemeinsam mit Erzieherinnen den Umbau so geplant, dass das bestehende Gebäude kommunikativer, freundlicher und lebendiger wurde – unter anderem durch Waschtische, an denen sich die Kinder gegenüber stehen.

Adlbert hofft, dass der Wettbewerb etwas ins Rollen gebracht hat. Denn Deutschland liegt nicht nur mit der Zahl seiner Krippen- und Kitaplätzen weit unter dem europäischen Durchschnitt, auch die Gestaltung lasse oft zu wünschen übrig. „Da gibt es einen riesigen Nachholbedarf.“

Zum Wettbewerb ist das Buch „Bauen für Kinder“ erschienen. Zu bestellen in jeder Buchhandlung, ISBN 3-7828-1521-1. Weitere Infos unter www.wuestenrot-stiftung.de (Publikationen).

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