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Immobilien: Niemand kann alles wissen

Wenn ein Sachverständiger auch rechtliche Ausssagen trifft, sollten Bauherren vorsichtig sein

WAS STEHT INS HAUS?

Wir beauftragten eine Baufirma, unser Haus zu bauen. Seit dem Beginn der Bauarbeiten berät uns ein Sachverständiger, den wir zur baubegleitenden Qualitätskontrolle beauftragt haben. Obwohl noch einige Restmängel bestehen, fordert die Baufirma die Abnahme. Der Sachverständige rät, das Haus nicht abzunehmen, weist aber darauf hin, bei einem Abnahmeverzug regresspflichtig gegenüber der Baufirma zu werden. Unser Anwalt ist anderer Auffassung und befürchtet eine fehlerhafte Rechtsberatung sowie eine Kompetenzüberschreitung des Sachverständigen.

WAS STEHT IM GESETZ?

Ein wesentlicher Grundsatz in der Sachverständigentätigkeit ist es, keine rechtlichen Würdigungen vorzunehmen. Einer rechtlichen Würdigung geht eine Rechtsberatung und einé gedankliche Auseinandersetzung mit Gesetzen und Rechtsprechungen voraus. Mit Inkrafttreten des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) im Jahre 2008 wurde dieser Grundsatz der Sachverständigentätigkeit relativiert. Nach diesem Gesetz ist die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in einem sehr begrenzten Umfang möglich und setzt im Sinne des Verbraucherschutzes rechtliches Fachwissen voraus. Da zum rechtlichen Fachwissen auch die stetige Weiterbildung und Kenntnisnahme aktueller Rechtsprechung gehört, dürfte es bereits wegen der Informationsflut für einen Nichtjuristen schwierig sein, sich rechtliches Detailwissen anzueignen und weiterzuentwickeln. Nach dem Gesetz handelt es sich nicht um eine Rechtsdienstleistung, wenn wissenschaftliche Gutachten erstattet werden, der Sachverständige als Schlichter und Schiedsrichter fungiert oder allgemeine Ausführungen zu Rechtsfragen vorträgt. Die Anwendung des Baugesetzes gehört jedoch in der Regel zum Grundwissen eines Architekten oder Bauingenieurs, so dass die darauf basierenden Beurteilungen auch vorgenommen werden dürfen. Für eine rechtssichere Beratung benötigt man aber auch für diese juristische Sparte aktuelles Wissen aus der Rechtsprechung.

UND WIE STEHEN SIE DAZU?

Zur förmlichen Abnahme kann ein Sachverständiger nur auf der Grundlage des Vertrages und der von ihm festgestellten Qualität eine Empfehlung aussprechen. Rechtliche Würdigungen oder Beratungen dazu können sehr leicht ins Auge gehen, weil ein juristisches Fachwissen und die Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung notwendig sind, um nicht in den sogenannten Abnahmeverzug zu geraten. Daher sollte sich die Rechtsberatung eines Sachverständigen auf die gesetzlichen Regeln seines Fachgebietes, wie etwa Honorarordnung (HOAI) und Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) beschränken. Um einen Rechtsweg aufzuzeigen, sollte man sich an einen Fachanwalt wenden, da man sich bei Zahnweh auch lieber in die Hände eines versierten Zahnarztes begibt und nicht mit diesem Anliegen beim Schustermeister vorstellig wird.

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