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In Qingdao wurde während der Kolonialzeit von 1898 bis 1914 vom Reichsmarineamt eine Bodenwertsteuer eingesetzt.

© ullstein bild - Haeckel Archiv, Sammlung D. Löhr

Bodenwertsteuer: Spekulation den Boden entziehen

Grundstückseigentümer könnten durch Vorgaben zur Flächenbebauung mobilisiert werden.

In vielen Städten – so auch in Berlin – steigen die Grundstückspreise um bis zu 15 Prozent pro Jahr. Viele Investoren versuchen, Baugenehmigungen für ihre Grundstücke zu erhalten, um diese dann mit Gewinn weiterzuverkaufen. Oder sie warten einfach ab. Welche rechtlichen oder steuerlichen Vorgaben können die Spekulation mit Grund und Boden wirksam unterbinden? Das hat die Immobilienredaktion Dirk Löhr gefragt. Er ist Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier.

Die wichtigste Maßnahme wäre die Einführung einer Bodenwertsteuer. Im Zuge der anstehenden Grundsteuerreform bietet sich die Gelegenheit dazu. Spekulation zielt auf höhere Bodenwerte in der Zukunft ab; diese ergeben sich wiederum durch die Bodenerträge, die im Zuge der Niedrigzinsphase und der Zuzüge in die Ballungsräume dort in den letzten Jahren sehr stark gestiegen sind. Eine Bodenwertsteuer würde einen Teil dieser Bodenerträge von den privaten Taschen in die öffentlichen Haushalte umleiten.

Hierdurch wird ein Druck auf die Bodenwerte ausgeübt, was den Anreiz zur Spekulation reduziert. Die Grundstückseigentümer wären zudem einem Druck ausgesetzt, das Grundstück bestmöglich im Rahmen der planerischen Vorgaben zu nutzen. Macht ein Grundstückseigentümer dies nicht, muss er dennoch dasselbe bezahlen wie bei der bestmöglichen Nutzung des Grundstücks. Somit würden ungenutzte oder schlecht genutzte Grundstücke mobilisiert; ein Druck auf eine effizientere Nutzung würde erzeugt. Dies würde dem Mangel an verfügbarem Bauland, das der Grundstücksspekulation in die Hände spielt, entgegenwirken. Gleichzeitig würde verdichtetes Wohnen – im Vergleich zur heutigen Grundsteuer und anderen Reformoptionen – steuerlich entlastet (dafür ungenutzte Grundstücke massiv mehr belastet) – zumindest bei der derzeit diskutierten aufkommensneutralen Umstellung. Leider wurde diese Lösung, die vor allem von der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ propagiert wird, von den Länderfinanzministern bislang nicht ernsthaft berücksichtigt. Dies, obwohl die Initiative durch ein breites Spektrum von Verbänden (z.B. NABU, BUND, Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e.V./SRL, IW Köln, Deutscher Mieterbund) unterstützt wird.

In der deutschen Kolonie Qingdao in China gab es ein lehrreiches Experiment

Der Vorschlag einer Bodenwertsteuer stammt von Henry George, einem amerikanischen Bodenreformer, und wurde dementsprechend in einigen angelsächsischen Ländern, Dänemark und Estland (rudimentär) umgesetzt. Interessanter Weise gab es in der früheren deutschen Kolonie Qingdao (China) ein lehrreiches Experiment: Hier wurde während der Kolonialzeit von 1898 bis 1914 vom Reichsmarineamt eine Bodenwertsteuer eingesetzt, um spekulative Exzesse zu verhindern, wie man sie in anderen Kolonien beobachten konnte. Ohne hier den Kolonialismus preisen zu wollen, scheint dieses System vor über 100 Jahren (sic!) schon so gut funktioniert zu haben, dass Sun Yat-Sen (den beide Chinas als den Begründer des modernen China hochhalten) dieses System auf ganz China ausweiten wollte.

Wilhelm Schrameier, der deutsche Administrator in Qingdao, wurde damals persönlicher Berater von Sun Yat-Sen. Beide starben zwar zu früh, um ihre Pläne umsetzen zu können, aber die Spuren des Steuersystems von Qingdao sind noch im heutigen Taiwan zu finden. Alle „Tiger-Staaten“ verfolgten mit Blick auf den Boden im Übrigen eine ganz andere Politik, als sie in den ökonomischen Standardlehrbüchern empfohlen wird.

Andere in der Diskussion befindliche Vorschläge sind hingegen wenig zielführend, wie zum Beispiel die Bodenwertzuwachssteuer (diese kann zu einer noch geringeren Mobilisierung von Grundstücken führen) oder einer Revitalisierung der Baulandsteuer C (u.a. sehr streitbefangen). Ein sehr sinnvoller Vorschlag wäre – ergänzend zu einer Bodenwertsteuer – jedoch die Befristung der Vergabe von Baurechten.

Verstärkte Neubautätigkeit kann der Spekulation entgegenwirken

Auch wäre es grundsätzlich sinnvoll, wenn sich die Kommunen wieder stärker aktiv in Sachen Bodenvorratspolitik betätigen würden, was allerdings aufgrund der Haushaltslage gerade der kreisfreien Städte (in der sich spekulative Tendenzen verstärkt zeigen) nur beschränkt möglich ist. In diesem Kontext könnte auch an eine vermehrte Anwendung von kommunalen Erbbaurechten gedacht werden; allerdings ist die praktische Handhabung von Erbbaurechten durch die Kommunen derzeit größtenteils eine Katastrophe.

Grundsätzlich kann der Spekulation durch verstärkte Neubautätigkeit entgegengewirkt werden, die den Wohnungsmarkt entspannt. Dem hauptsächlichen Hemmnis des nicht verfügbaren Baulands kann durch die erwähnte Bodenwertsteuer begegnet werden.

Dieser Komplex berührt auch Optionen wie verkürzte Baugenehmigungsverfahren (und eine damit korrespondierende bessere personelle Ausstattung der Bauämter) sowie eine Überprüfung der Baustandards (energetische Erfordernisse, Brandschutz), die im Sinne einer Risiko-Nutzen-Abwägung hierzulande vielfach überzogen sein dürften und die Entstehung bezahlbaren Wohnraums blockieren.

Dirk Löhr

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