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Immobilien: Städtische Wohnungen im Ausverkauf

Das Land und der Bund verkaufen ihre Wohnungsbestände. Käufer sind US-Fonds. Sie wollen Kapital schlagen aus den Immobilien. Die Mieter will man nicht verschrecken – sondern als Käufer gewinnen

In diesem Jahr sind mit dem Verkauf der zwei Wohnungsunternehmen GSW und Gagfah mehr als 150000 kommunale Wohnungen von privaten Finanzinvestoren übernommen worden, 95000 davon in Berlin. In beiden Fällen machten große amerikanische Investmentfonds das Rennen um die Immobilienpakete. Experten sagen voraus, dass es nicht lange dauern wird, bis auch der dritte, bisher leer ausgegangene Fonds im Bunde zuschlagen wird: Apellas, der deutsche Arm von Finanzmarktguru Georges Soros.

Die große Sorge von Mieterverbänden und Politikern, die Investoren werden die Firmen zerschlagen und die Mieten erhöhen, erwies sich bisher als unbegründet. Die Käufer – Cerberus übernahm mit Goldman Sachs die GSW und der Fortress-Fonds die Gagfah – machten weit reichende Zugeständnisse im Mieterschutz, die über die gesetzlichen Vorschriften hinaus reichen. Damit wurde deutschen Immobilien-Investoren der Wind aus den Segeln genommen, die den Mieterschutz stets als das größte Hindernis für Investitionen in den Markt für Wohnimmobilien geißeln. Doch der eigentliche Grund für die Einkaufstour: Der deutsche Immobilienmarkt steckt in der Krise, und US-Fonds spekulieren auf steigende Preise, wenn die Konjunktur anzieht.

Die US-Fonds erwarten von ihrem Einstieg in den deutschen Wohnungsmarkt zweistellige Renditen für das Kapital ihrer Anleger. Die Strategie: Man will ein Bündnis mit den Mietern schließen, die Häuser sanieren und ihnen die Wohnungen anschließend zum Kauf anbieten.

„Wir werden die Gagfah von einer Verwaltungsgesellschaft in ein Handelsunternehmen verwandeln“, sagt Matthias Moser, Deutschland-Chef von Fortress. Handeln, das heißt kaufen und verkaufen. Die „Plattform“ dafür soll für die US-Investoren das ehemalige Wohnungsunternehmen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) sein. Die Gagfah haben sie vor wenigen Wochen für 2,1 Milliarden Euro von der BfA gekauft.

Der Erwerb der Gagfah ist also nur der Anfang. In fast allen Regionen Deutschlands sollen weitere Wohnungsunternehmen oder -pakete hinzukommen. Da passt es gut, dass die Gagfah Büros in fast allen größeren deutschen Städten hat. Dort besitzt sie nicht nur Immobilien. Sie verwaltet auch mehrere tausend Wohnungen. Das sind die besten Voraussetzungen dafür, so glauben die Fortress-Leute, dass Gagfah-Mitarbeiter frühzeitig von fast jedem Immobiliengeschäft im Lande Wind bekommen.

Allerdings werden die Fortress-Manager auch beim nächsten Bietergefecht auf Wettbewerber aus Übersee treffen. Das Konsortium um Cerberus und Goldman Sachs verfolgt nämlich ganz genau dasselbe Ziel wie Fortress: Kaufen, und zwar schnell. Der Grundstein wurde mit dem Erwerb der Berliner Wohnungsbaugesellschaft GSW vor wenigen Wochen gelegt. „Wir werden nun zusätzliche Wohnimmobilien dazukaufen“, sagt Geschäftsführer Alex Diberius von Goldman Sachs.

Die Einkaufstour von Cerberus hat bereits kurz nach der Wiedervereinigung begonnen. Die GSW war nur der bisher spektakulärste Coup. Zuvor war die Cerberus bereits mit der Bankgesellschaft Berlin und ihrer Tochter Degewo ins Geschäft gekommen und hatte diesen rund 3000 Wohnungen abgenommen. Auch in München wurde man mit der Hypo-Vereinsbank handelseinig über den Ankauf von Wohnungsbauten.

Auch der Dritte im Bunde, die Apellas, will kaufen. Der Berliner Immobilien-Experte Ulrich Weber führt die Firma und verfügt über Kapital eines Fonds von Georges Soros. Der ganz große Streich ist Apellas bisher nicht geglückt: Beim Bietergefecht um die GSW zog man den Kürzeren. Bisher wurden nur kleinere Wohnungsbestände erworben. „Wir optimieren die Liegenschaften“, sagt Geschäftsführer Weber. Wo noch Platz auf Grundstücken ist, werden die Siedlungen ergänzt und bestehende Wohnhäuser saniert. Und natürlich wird verkauft - am liebsten an die Mieter.

Darin sehen alle drei US-Investoren ihre große Chance. „In den Städten liegt die Eigentumsquote bei weniger als 20 Prozent“, sagt Fortress-Mann Moser, „und viele Mieter wollen kaufen.“ Dies bestätigt eine aktuelle Umfrage vom Verband Deutscher Makler, wonach 88 Prozent der Kaufinteressenten sowie der Eigentümer von Immobilien, das Grundeigentum als wichtigsten Baustein der Altersvorsorge nennen.

Diese Nachfrage werden die Fonds bedienen – und spekulieren dabei auf gute Gewinne. Hintergrund: Der Quadratmeterpreis ist beim Erwerb großer Immobilienpakete geringer als beim Kauf einer einzelnen Wohnung. Dieser Vorteil des Großhandelspreises soll den Fonds helfen, den großen Hunger ihrer Anleger nach zweistelligen Renditen zu stillen.

Voraussetzung für diese Strategie ist nicht nur ein behutsamer Umgang mit den Mietern, die man als Käufer gewinnen will. Die Wohnungsnutzer sind außerdem die Gewähr dafür, dass das Geschäft gemessen an den Chancen fast ohne Risiko ist: Mieter von Wohnhäusern in Ballungsräumen bleiben meistens viele Jahre in ihrer Wohnung. Kommt es doch zu einem Auszug, dann lässt sich die Immobilie in der Regel danach kurzfristig zu besseren Preisen neu vermieten – oder sogar Gewinn bringend verkaufen. Vor allem ist das Risiko, dass Einnahmen langfristig ausfallen, geringer als bei Gewerbeimmobilien, weil die Nachfrage nach Büros stärker von der Konjunktur abhängt.

Wie lautlos und erfolgreich Verwaltung, Sanierung und Umbau von Wohnungsbeständen durch US-Investoren verlaufen kann, hat die Privatisierung von Plattenbauten im Berliner Bezirk Hellersdorf durch den US-Investor Lone-Star gezeigt. „Offenkundig kann eine solche Privatisierung auch gut ablaufen“, urteilt sogar der Chef des Berliner Mietervereins. Allerdings sei es noch zu früh, die langfristigen Folgen einer weit reichenden Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände zu beurteilen, so Hatmann Vetter: „Denn eins ist klar irgendjemand muss die Werte bezahlen, die von den Investoren gehoben werden.“

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